...viele Menschen die Erfahrung, dass man schneller in die Armut und Obdachlosigkeit schlittern kann, als man es zu glauben vermochte. Es reichen schon Kleinigkeiten, um ins Strudeln zu kommen, um mit der Miete in Rückstand zu geraten oder z.B. die Stromkosten nicht mehr bezahlen zu können nach der Jahresabrechnung des Stromlieferanten. Viele kleine Rädchen des Lebens drehen sich plötzlich um ein Vielfaches schwerer, viele Menschen leben ja schon Jahre lang an der Armutsgrenze, und jetzt auch noch die enormen Mieterhöhungen und Betriebskostenanpassungen, die einfach nicht mehr zu kompensieren und zu bezahlen sind.
Und, was auch eine Tatsache ist, viele (gut) situierte Menschen machen sich gerade um diese Problematik der Armut und Obdachlosigkeit keinerlei Gedanken, weil es sie selbst nicht betrifft, viele Menschen leben in einer geschützten „Blase“, wo derlei Fakten wie Armut und Obdachlosigkeit nicht wirklich wahrgenommen werden (wollen) oder aber einfach ignoriert werden. Der alte Satz „Die sind eh selber schuld, die sollen arbeiten gehen“ kommt heute viel, viel öfter als noch vor ein paar Jahren. Dabei machen sich gerade solche Menschen, die solche Äußerungen machen, keine Gedanken darüber, was oft den Ausschlag gibt für so ein Schicksal und was die Konsequenz für ein Leben in Obdachlosigkeit und Armut ist. Hier pauschal zu behaupten „die sind eh alle selber schuld“, ist mehr als unfair, grotesk und einfach nicht wahr. Aber solange man selbst keine diesbezüglichen Erfahrungen machen konnte und in dieser Blase vegetiert, ist es leicht, rhetorisch auf andere einzudreschen. Wo sind unsere selbsternannten „Eliten“, die unser ganzes Gesellschaftssystem stützen und fördern, die moralische und menschliche Wege aufzeigen und dazu drängen, diese einzuschlagen? WO? Ich höre und sehe sie nicht, oder sollte man eher glauben, dass es auch dieser „Elite“ egal ist, ob der soziale Frieden noch besteht oder nicht.
Dass wir überhaupt den Menschen da draußen mit unseren Aktionen noch helfen können, verdanken wir Euch liebe Spender:innen, ohne Euch wäre das alles nicht mehr möglich und unsere Räder stünden schon lange still. Aber wie lange wir diese Hilfe noch leisten können, liegt ALLEINE an Euch, ohne Eure Unterstützung können wir weder Spenden in die Einrichtungen bringen noch den Verteil-Donnerstag bewerkstelligen, OHNE Euch und Eure großartige Unterstützung gäbe es auch keine Obdachlosenhilfsaktion mehr.
Die Woche begann mit einigen Arbeiten im Lager sowie mit Spendenabholungen, und sonst mit den üblichen Arbeiten und Vorbereitungen für die ganze Woche. Wir schicken zurzeit wieder Listen in die verbliebenen Einrichtungen wie Notschlafstellen und Frauenhäuser, um in den nächsten Tagen und Wochen zu kommissionieren und die Spendenlieferungen fertigzustellen. Unsere Maria wird sich in Kürze über unser Kleiderlager schmeißen und hier Ordnung und Übersicht reinbringen, Sandra wird ihr behilflich sein und nebenbei wird Hilde mit Rudi die Spendenlieferungen zusammenstellen. So der Plan für die nächsten Tage und Wochen.
Mittwoch früh zuerst zu Ursula vom „Humer z’Reith“ in Leonding, wo wir jede Woche Gemüse bekommen, anschließend ins Tiefkühl- und Kühllager, um diverse Lebensmittel bis zum Verteil-Donnerstag aufzutauen und austeilen zu können. Würstel, Grammel Knödel, Pizzen, Torten, Leberkäse usw., alles für unsere Schützlinge, die ja zum Teil noch ein Zimmer haben, sich aber keine Lebensmittel mehr leisten können, also arme Menschen, die wir ja auch versorgen. Diese Menschen haben in der Regel nicht mehr als € 300,- bis € 400,- an Rente oder Pension, bekommen aus individuellen Gründen keine Ausgleichszulage oder sonstige Förderungen und fristen ihr Dasein im stillen und dunkeln. Derartige Pensionen gibt es zuhauf, mehr als man glauben möchte, und allen die jetzt wieder sagen: „Das gibt’s ja nicht, wir sind ja in Österreich und hier ist jede/r sozial abgesichert“. NEIN, nicht alle Menschen in Österreich bekommen die volle Ausgleichszulage, bekommen keinen Heizkostenzuschuss etc.. Das ist eine Mär, die hier immer wieder aufgewärmt wird und schlicht gelogen ist.
Wir haben jedenfalls jeden Donnerstag genug Lebensmittel und Hygieneartikel mit dabei, um auch wirklich alle Menschen, die zu uns kommen, versorgen zu können. Was uns für eine sorgfältige Planung wirklich fehlt, ist eine zuverlässige Prognose der kommenden Besucher:innen.
Von befreundeten Sozialmärkten bekommen wir jede Woche kostenlos etwas Obst und Gemüse, Brot und Gebäck, dafür an dieser Stelle vielen lieben Dank. Donnerstagvormittag sind diesmal genug Helferleins im Lager, um alles zeitgerecht umzupacken und fertig einzuladen. Wurstbrötchen wurden uns auch diesmal wieder vom Sozialmarkt Traun zur Verfügung gestellt, was uns viel Arbeit erspart. Neben all den Vorbereitungen vollziehen wir auch noch normale Lagerarbeit, Einlagerungen und Kommissionen, es ist schon großartig, wenn man sich auf ein Team verlassen kann. Mit dabei heute ein Außendienstmitarbeiter der Wiener Städtischen Versicherung, der heute seinen „Social Day“ (1 Tag im Jahr wo man bei sozialen Vereinen oder Einrichtungen reinschnuppern kann) bei uns verbringt. Auch Thomas aus Schärding ist heute nach langer Zeit wieder dabei, worüber ich mich sehr freue.
Im Lager verbreitet sich ein unangenehmer Geruch, nach verschmortem Kabel, auf der Suche nach der Ursache und dem Gerät, bieten sich lediglich die Akkus für unsere Kühlboxen an, und genauso ist es auch. Der Netzstecker am Akku ist geschmolzen, so wurde der sündteure Akku unbrauchbar und wir müssen nun Lösungen finden, wie und woher wir ein baugleiches Teil auftreiben können und herbekommen. Diese Kühlboxen brauchen wir ja dringendst, um Kühl- und Tiefkühlware mit nach Linz nehmen zu können und die Kühlkette nicht unterbrochen wird.
Maria kommt zu Mittag und bringt eine große Pfanne mit, um heute unser gemeinsames Mittagessen kochen zu können, gefüllte Palatschinken mit Lauch, Schinken und Käse, die einfach nur in 4 Minuten herausgebraten werden. Maria hat einen gemischten Salat mitgebracht und wir gönnen uns zu Mittag diese Zeit, um gemeinsam zu essen. Rudi hat sich heute wieder Urlaub genommen, um bei unserem Verteil-Donnerstag dabei sein zu können, danke dafür Rudi. Er kommt ebenfalls zu Mittag um den Bus einzuladen, alles festzumachen und die Ladungssicherung vorzunehmen. Sonja sagte mir ebenfalls heute die Hilfe zu, worüber ich mich sehr freue, da wir jede helfende Hand gut gebrauchen können. Sonja wird heute gemeinsam mit Maria im Bus stehen und von dort aus Getränke, Kleidung und die Kühl- bzw. Tiefkühlware ausgeben.
Um 15 Uhr ist Abfahrt in Ansfelden, Sonja fährt mit mir, Rudi und der Rest des heutigen Teams sind schon in Linz und halten den Parkplatz frei. Als wir ankamen war heute noch kein einziger unserer Schützlinge vor Ort, was völlig unüblich ist. Wir laden die Boxen und Tische aus, stellen alles auf, da trudeln auch schon die ersten unserer Schützlinge ein und bilden eine Warteschlange. Wie immer geht das aufbauen schnell und flott, und so haben wir bis 16 Uhr, bis zum Beginn der Ausgabe, noch etwas Zeit um über viele Dinge zu diskutieren. Z.B. über das gegenüber liegende ehem. IBIS-Hotel, wo im Sommer etwa 300 Flüchtlinge bzw. Asylwerber beheimatet werden. Diesen Brennpunkt neben dem Bahnhof wird man umfassend im Auge behalten müssen, bevor dort die Dinge gänzlich aus dem Ruder laufen.
Edi, Max, Peter, Thomas, Sandra und Michael stehen heute unterm Dach in der Line und geben dort die Lebensmittel aus. Maria und Sonja stehen im Bus, heute ausnahmsweise viele helfende Hände, die zupacken und nicht nur reden bzw. nur noch als „Karteileiche“ anwesend sind.
Sr. Lydia besucht uns heute wieder, um ihr Notebook abzuholen, leider konnte ich ihr altes Notebook nicht so konfigurieren, dass sie uns per Fernzugriff bei diversen Bürotätigkeiten unterstützen könnte. Es ist aufgrund des alten Betriebssystems Windows 7 nicht möglich, was mir sehr leid tut, weil wir die Hilfe von Sr. Lydia gut gebrauchen könnten. Ich werde weiter nach Lösungen suchen, vielleicht ergibt sich ja eine andere Möglichkeit.
Pünktlich um 16 Uhr beginnen wir heute mit der Ausgabe der Lebensmittel, Max ist wieder in der Warteschlange tätig, um dort für Ruhe und Disziplin zu sorgen. Auch heute wieder einige neue Gesichter in der Warteschlange und auch einige alte, die länger nicht mehr bei uns waren. Gesittet geht die Schlange an den Boxen vorbei um sich abschließend beim Bus für die Kühlsachen anzustellen. Auch die Kleidung wird dort ausgegeben, Sonja und Maria kommen gut miteinander klar, an der Line an den Tischen auch schön ruhig, alles läuft gut ab.
Manchmal gibt es von vorbeigehenden Passanten Fragen zu unserer Aktion, manchmal deuten uns Passanten vom Gehweg den erhobenen Daumen und manche Menschen sehen sich unser Sortiment aus der Nähe an. Es verlaufen sich immer wieder Ukraine-Flüchtlinge, die sich gerne etwas mitnehmen würden, aber die umfassend organisierte Ukrainehilfe im alten Postzentrum ist besser bestückt als unser Verteil-Donnerstag, deshalb verweisen wir hier direkt an die Ukrainehilfe, was nicht alle wirklich verstehen. Wir kontrollieren unsere Schützlinge rigoros mit den Einkommensnachweisen und den eigentlichen „Ansprüchen“, da wir unsere Hilfe punktgenau jenen zur Verfügung stellen wollen, die sie auch wirklich brauchen, und nicht jene die sich einfach nur bereichern wollen. Unsere Prinzipien sind einsehbar und verfolgbar, sind für alle gleich und keineswegs willkürlich.
Die Zeit vergeht heute rasend schnell, im Nu ist es 17.40 Uhr, es ist immer zu tun, am Ende des Tages werden es auch heute wieder etwa 60 Personen gewesen sein, die sich bei uns Lebensmittel holten. 60 Schicksale und 60 Seelen, die zum Teil nicht mehr weiter wissen. In verschiedenen Gesprächen mit den Menschen beim Bus stellen sich hinterher noch mehr Fragen, als vorher. Wie arg das Schicksal manchmal zuschlägt, es macht traurig und sprachlos.
Um 18 Uhr räumen wir alles zusammen und den Bus wieder ein, ziemlich viele Boxen wurden auch heute wieder leer, es macht sich auch heute wieder das gute Gefühl breit, wirklich dort geholfen zu haben mit Euren Spenden, wo es am dringendsten ist, nämlich direkt bei den Menschen vor Ort.
Im Lager angekommen wird alles ausgeräumt und eingelagert, Maria kocht inzwischen nochmal das Gleiche wie zu Mittag, für all jene, die Hunger haben, und hier am gemeinsamen Abendtisch werden auch wieder die verschiedenen Eindrücke ausgetauscht. Es ist immer spannend andere Meinungen oder Wahrnehmungen zu hören, das schützt vor Blindheit oder dem ganzen Alltagsgrau, was mich immer wieder hellhörig werden lässt.
Vielen, herzlichen Dank und Vergelt’s Gott an all unsere Spender:innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag abhalten konnten, ein Dankeschön an unser heutiges Team das wieder großartige Arbeit leistete. Danke an all unsere Wegbegleiter:innen, dass ihr uns immer wieder mit „Likes“ zeigt, dass wir am richtigen Weg sind.
Danke auch an all jene, die sich mein Posting durchlesen und uns eventuell mit einem Kommentar den Rücken stärken. Gott segne Euch. 😊 <3