...beständiger, billiger und qualitativ hochwertiger und die Menschen waren zufriedener. Ein Spruch, eine Phrase, die mir noch heute oft im Ohr liegt, als sie mir meine Pflegeeltern als Kind damals wissen ließen. Vieles von den Aussagen damals mögen wahr sein, aber wie hoch der Wahrheitsanteil wirklich ist, kann ich nicht beurteilen. Nehme ich aber die Zeit meiner Jugend bis heute als Vergleichszeitraum, kann ich sehr gut beurteilen, welchen Weg manche Entwicklungen im Zaum der Zeit nahmen. Nicht alles war besser früher, aber alles war günstiger und auf gar keinen Fall waren die Menschen glücklicher, aber gewiss zufriedener.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich als 2. Pflege-Kind bei Pflegeeltern aufgewachsen bin. Mein Pflegevater kam schwer verwundet aus dem 2. Weltkrieg zurück, mit nur einem Bein und einer schweren Lungenkrankheit, die er sich in seiner Haft in Sibirien zuzog. Er trug oft einen Holz Fuß, um dann sein Gleichgewicht besser halten zu können, wenn er in seiner Arbeit bei der AMAG-Verwaltung mit der Sense das Gras mähen musste. Er bekam weder eine Kriegsopferrente noch sonst irgendeine „Förderung“ oder „Abfindung“. Er verdiente 1976 etwa ATS 6200,-, was damals auch nicht viel war, überhaupt wenn man bedenkt, dass hier eine vielköpfige Familie ernährt werden musste. Für die beiden Pflegekinder bekamen meine Pflegeeltern monatlich je etwa ATS 100,-, wovon wir Pflegekinder aber ein Vielfaches davon brauchten und vieles damals nicht extra abgegolten wurde von der Fürsorge. Es war einfach das große Herz meiner Pflegeeltern, zu den vielen eigenen Kindern noch 2 Pflege-Kinder im gemeinsamen Haushalt aufzunehmen und für diese zu sorgen.
Will damit sagen, auch wenn meine Pflege-Mutter keinen finanziellen Beitrag zum Unterhalt leisten konnte, leistete sie großartiges, sie hielt die Familie zusammen, bestellte und pflegte den Garten mit ganz viel Liebe und stand meinem Pflege-Papa bei seiner Arbeit bei, wenn er aufgrund seiner Behinderung etwas nicht machen konnte, dann stand sie an seiner Seite und die beiden erledigten die Arbeit gemeinsam, und niemand kam drauf. Nicht alles wurde damals abgegolten, Überstunden durften keine gemacht werden, wenn doch welche angefallen sind, wurden sie nicht bezahlt, und trotzdem waren damals viele Menschen froh, einen sicheren und festen Arbeitsplatz zu haben, auf den man bauen konnte.
Die Leidensgrenze war damals um ein Vielfaches höher, die Erträglichkeit mancher Umstände und kleine Parameter waren damals schon nicht sehr angenehm, aber deshalb hätte früher niemand die Arbeit gekündigt. Man biss sich durch, kneifte sich in die Wange und machte weiterhin seine Arbeit. Heute wird oft schon gekündigt, wenn nur ein kleiner Parameter verändert wird und Unzufriedenheit hervorruft. Hätte sich mein Pflege-Papa das Konzept der Work-Life-Balance angeschaut, er hätte die Welt nicht mehr verstanden.
Die sozialen Errungenschaften seit dem 2. Weltkrieg sind enorm, aber nicht alles ist auch wirklich sozial und wird so eingesetzt. Viele Gesetze wurden geschaffen, um Menschen und Arbeit zu reglementieren, um Verantwortungen zu verschieben und um anschließend doch wieder viele Menschen im Regen stehen zu lassen.
Nicht jeder soziale Paragraf ist eine Bereicherung für die Gesellschaft, viele wurden in die Gesetzbücher geschrieben, um Lobbys zu bedienen, um unbeliebte politische Gegner oder Andersdenkende auszubremsen und abzuhängen oder Druck auf die Menschen auszuüben. Heute braucht man, um einen gut dotierten Job zu bekommen, entsprechende Beziehungen oder Netzwerke und zusätzlich oft das richtige Parteibuch. Früher gab es Dienstverträge nicht bei Angestellten oder Arbeitern, sondern lediglich in den Managementebenen, machte man als Arbeiter die Arbeit zur Zufriedenheit des Arbeitgebers war man ohnehin vor einer Kündigung sicher, heute ist das ebenfalls ganz anders. Heute reicht es ja schon, wenn man jemanden auf dem Firmengelände nicht kennt und nicht grüßt, dass man zum Rapport muss.
Durch die Masse der vor sich hin fristenden Arbeitslosen, können sich manche Firmen einiges leisten und so dem Arbeitsamt manchen Arbeiter ins Nest setzen und um diesen Arbeitslosen künftig per Bescheid vom AMS zu brandmarken.
Früher gab es keine Zumutbarkeitsklausel des Arbeitsmarktservices, heute ist es per Gesetz „zumutbar“, bei einem Teilzeitjob 90 Minuten für An- und Rückfahrt einzufordern, und bei einem Vollzeitjob gar 2 Stunden täglich nur für die Wegstrecke zur Arbeit und zurück, und unter gewissen Voraussetzungen kann auch noch mehr Wegzeit als zumutbar eingefordert werden. Alleine dass es diese „Zumutbarkeitsregel“ überhaupt gibt, spricht schon Bände, diese dann auch noch regelmäßig alle paar Jahre zu Lasten der Arbeitnehmer anzuheben, ist höchst asozial.
Sieht man sich die Entwicklung des Handels aus der Vergangenheit bis heute an, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Lebensmittelpreise waren noch nie so hoch, wie jetzt, viele Lebensmittel werden künstlich verknappt, um den hohen Preis halten zu können, da werden ganz viele Tonnen an Lebensmittel lieber vernichtet, bevor man diese besser gar nicht produziert oder diese Überproduktionen an soziale Vereine weitergibt. Teilweise werden ja gottseidank Lebensmittel weitergegeben, aber das ist nur ein Tropfen am heißen Stein. Früher hatte man großen Respekt vor Lebensmittel und die meisten Familien konnten es sich nicht leisten, diese verschimmeln zu lassen. Man kaufte früher bewusster ein und bei einem zusätzlichen Feiertag hatte niemand das Gefühl, deswegen den halben Supermarkt aufkaufen zu müssen. Welch riesige Menschentrauben es heute in Geschäften gibt, wenn ein zusätzlicher Feiertag ansteht, zeigt deutlich in welchem Überfluss unsere Gesellschaft lebt.
Was heute besser oder schlechter ist, muss jede/r für sich definieren, was früher besser war, ebenfalls. Aber eines ist auch klar und wahr, früher ging man mit Arbeitern, mit dem Kunden im Geschäft, mit dem Antragsteller auf dem Amt oder mit dem Autolenker bei einer Kontrolle, ehrlicher und menschlicher um. Aufgrund der heutigen Gesetzeslage kann ein Polizist, dem man nicht zum Gesicht steht, dich heute vielfach grundlos strafen. Ist der Herr Beamte in schlechter Laune, und man formuliert vielleicht noch einen Einwand gegen die Amtshandlung, könnte es heute vielfach willkürliche Bußgeldforderungen geben. Beispiele dazu gibt es inzwischen genügend.
Dass man heute als Hersteller eines Produktes „Sollbruchstellen“ einbaut, um das Gerät nicht unendlich lange funktionieren zu lassen, ist genauso Tatsache wie jene, dass man diese Sollbruchstellen meist gar nicht mehr reparieren lassen kann, und wenn, dann völlig unwirtschaftlich. Der Kunde soll besser ein neues Gerät kaufen als reparieren zu lassen. Diese Entwicklung ist nicht nur deshalb sehr gefährlich, weil der ganze Schrott irgendwie und irgendwo auf Kosten der Umwelt entsorgt werden muss, sondern auch deshalb, weil wir sehr große Teile dieses Schrotts teuer in Entwicklungsländer entsorgen, wo anschließend Kinder und Jugendliche diese Geräte nochmal auf Verkaufswerte durchsuchen und dafür ein kümmerliches Entgelt bekommen, jeden Tag aber ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Ich habe jetzt nur ein paar Beispiele genannt, was heute gegenüber früher, gewaltig schief läuft, ich verstehe heute gut, dass mein Pflege-Papa immer sagte: „Früher war alles besser“. Ich konnte mir in den vergangenen 50 Jahren selbst ein Bild davon machen, welche Entwicklungen gut für die Menschen waren, und welche die der gesamten Gesellschaft schadeten. Deshalb ist man aber nicht automatisch ein Mensch von „Gestern“, sondern man ist geneigt, die heutigen Entwicklungen den damaligen gegenüberzustellen, um überhaupt ein Resümee der Zeiten ziehen zu können.
Was ganz sicher stimmt ist, dass Hilfe früher besser und günstiger zu organisieren war. In den letzten 11…12 Jahren, seit wir Hilfe für arme und obdachlose Menschen anbieten, wurden immer noch höhere Spendenbeträge nötig, um die gleiche Hilfe wie in den Vorjahren leisten zu können. Die immensen Preisanhebungen im Lebensmittelsegment machen es jetzt schon schwer, Hilfe in vollem Umfang leisten zu können. Dazu kommen all die stark gestiegenen Kosten für Transporter und Lager, für Diesel und Strom, für Versicherungen und Überprüfungen, DAS liebe Leute, ist auch ein Grund dafür, dass ich mir zum Teil die „alte“ Zeit wieder wünsche. Diese Profitmaximierungen, egal an welchem Ende und bei welchem Produkt auch immer, sind das größte Gift für unsere Gesellschaft, die nach wie vor von unserer Politik täglich vor absurde Tatsachen gestellt wird und immer noch brav den Mund hält.
In einem der letzten Postings schrieb ich darüber, dass der alte Laptop von Sr. Lydia nicht mehr dahingehend nutzbar zu machen war, dass uns Sr. Lydia mit ihrem Laptop über VPN behilflich sein könnte. Herr B., ein langjähriger treuer Spender und Helfer las meinen „Hilfeschrei“ und besorgte über die Firma, wo er noch vor Kurzem als Geschäftsführer tätig war, einen neuwertigen Laptop, den ich mittlerweile so einrichten konnte, dass Sr. Lydia uns tatkräftigst unterstützen kann. Vergelt’s Gott und haben Sie großen Dank für diesen tollen Laptop, werter Herr B.!
Die Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag waren auch diesmal wie immer, hier ändert sich nicht viel. Lediglich, dass ich mir ein Band in der Schulter gerissen habe und deshalb nicht helfen kann, liegt mir schwer in dem nicht mehr vorhandenen Magen. Nicht nur wegen der höllischen Schmerzen, sondern auch weil ich nirgendwo etwas heben oder tun kann, zum Zuschauen verurteilt bin, tut weh. Alle unsere Helfer heute kommen erst in Linz dazu, deshalb helfen Rena und Hilde zusammen, den Transporter zu beladen. Maria kommt heute kränklich ins Lager, und eigentlich würde ich Maria gerne heimschicken, um wieder gesund zu werden, aber leider sind wir heute auch so schon hoffnungslos unterbesetzt. Indem ich als aktiver Helfer ausfalle, bleibt für mich heute Nachmittag lediglich der Posten am Computer.
Um 15 Uhr breche auch ich auf Richtung Linz, Maria und Hilde sind schon vorgefahren und Max, Rudi und Peter kommen erst in Linz dazu. Sonnenschein begleitet uns heute bei angenehmen +16°. In Linz angekommen packen wir alles aus und bauen alle Tische auf und teilen vorab gleich unsere Wurstbrötchen aus, die uns Wolfgang dankenswerterweise belegte. In der kleinen Warteschlange von etwa 17-20 Schützlinge sind auch wieder neue Gesichter dabei, die neu zu registrieren sind. Unsere NFC-Datenbank zählt mittlerweile weit über 600 Schützlinge. Alle Schützlinge bekommen eine eigene NFC-Karte, wo alle Daten gespeichert werden, und diese sind durch Auflegen der Karte auf das Lesegerät in Sekundenschnelle abrufbar, Einkommen und Nachweis darüber, Bild, Sozialversicherungsnummer, Geburtsdatum, Herkunft u.a.. Alle Daten unterstützen uns, die Spenden punktgenau jenen zu geben, die diese am dringendsten brauchen, so wie wir es Euch versprochen haben.
Punkt 16 Uhr beginnen wir mit der Ausgabe, ich lasse immer nur 4-5 Leute in die Line, um keine Menschentraube vorm Transporter als Problempunkt zu haben. Es geht absolut diszipliniert, leise, wertschätzend und doch flott vor sich, niemand drängelt, niemand schimpft oder jammert und alle halten sich an die Regeln. Max teilt wieder Zigaretten an alle aus, jede/r bekommt 3 Stück, solange wir noch gespendete Zigaretten auszugeben haben. Manche Schützlinge in der Warteschlange möchten ein 2. Paar Schuhe, wo ich leider nein sagen muss. Wenn jemand neue Schuhe, eine neue Jacke o.ä. benötigt, werden wir nicht zum 2. und 3. Ausstatter, erst wenn die getragenen Schuhe kaputt sind, gibt es neue Schuhe, erst wenn die Jacke kaputt ist, gibt es eine neue. Wir sind und bleiben eine Art „Notprogramm“ mit unserer Obdachlosenhilfsaktion, wir versorgen die Menschen nicht mit Zweitausstattungen.
Hilde schaut müde aus und ist es auch, sie ist auch schon seit 9 Uhr früh im Lager und hat sich erbarmt, am Nachmittag noch mitzufahren nach Linz, um zu helfen. So ein Verteil-Donnerstag ist leider zu 4. nicht zu schaffen, ich werde in den Sommermonaten darüber nachdenken, wie wir unseren Verteil-Donnerstag noch verkleinern oder einschränken können, um diesen Verteil-Donnerstag auch mit weniger Helferleins zu schaffen. Wir werden auch heuer wieder ein Sommerprogramm auflegen, das heißt, wir werden im Sommer nicht jeden Donnerstag den Verteil-Donnerstag anbieten, sondern lediglich 14-tägig, genauso auch mit den Spendenannahmetagen im Lager, die auch im Sommer 2023 nur zu den veröffentlichten Terminen stattfinden werden. Ich würde mir so sehr wünschen, wieder neue Mitglieder für unsere Obdachlosenhilfsaktion zu bekommen, um keinen Helfernotstand zu bekommen.
Im Nu und kurzzeitig ist es 17.30 Uhr, als ich zum ersten Mal auf die Uhr schaute: „Wo ist heute nur die Zeit geblieben?“ Es war immer jemand beim Bus, keine Minute wo niemand um Hilfe bat. Auch heute gingen wieder 32 Jetons à € 4,50 zu unseren Schützlingen, um ihnen ein warmes Bett für 2 Nächte zu schenken. Sie alle, all unsere heutigen Besucher waren auch heute wieder sehr, sehr dankbar, für alles, was sie von uns in Eurem Namen bekamen. Viele der Lebensmittel- und Hygieneartikelboxen sind bereits leer, am Ende werden es heute 73 Schützlinge sein, die uns heute besuchten. 73 Schützlinge, die alle froh sind, dass es uns gibt und dass sie sich auf unsere Hilfe verlassen können.
Punkt 18 Uhr räumen wir alles zusammen, packten alles in unseren Bus und brachen wieder auf, Richtung Ansfelden, in unser Lager. Rudi, Peter und Max räumen in Rekordzeit unser Equipment ein und verzurren es sicher. Im Lager angekommen kümmere ich mich um das Abendessen und Rudi, Max und Hilde laden alles aus und lagern alles wieder ein. Anschließend sitzen wir beim gemeinsamen Abendessen und reden wie jeden Donnerstag, über unseren Verteil-Donnerstag. Jeden Donnerstag begleitet uns ein großartiges Gefühl, vielen Menschen in Eurem Namen geholfen zu haben, und Großteils bestätigen uns das unsere Schützlinge. So macht helfen Spaß und so ist unsere Hilfe doppelte Hilfe, weil schnell und effektiv.
Danke an all unsere Spender:innen und Wegbegleiter:innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag abhalten durften und 73 Menschen helfen durften. Vergelt’s Gott und habt großen Dank. Danke auch an unser gesamtes Team, das sich absolut loyal und überaus respektvoll gegenüber allen Beteiligten verhält. Danke dass ihr so seid, wie ihr seid, liebes Team! 😊 <3