Respekt bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Achtung und Ehrerbietung gegenüber einer Person oder Institution. Antonyme sind Respektlosigkeit, Missachtung, Ressentiment, Frechheit und Verachtung. Quelle Wikipedia
In all den Jahren seit 2011, wo ich mein Leben den Obdach- und Wohnungslosen sowie den armen und bedürftigen Menschen widme und helfe, wurde mir/uns oft Respekt gezollt und die Dankbarkeit war meistens groß. Meistens! Ab und zu jedoch, wenn die persönliche Situation eine besonders prekäre war oder ist, neigen Menschen dazu andere dafür „verantwortlich“ zu machen und denen das förmlich spüren zu lassen. Mir war und ist immer wichtig, respektvoll und wertschätzend auf Augenhöhe mit den bedürftigen Menschen zu reden und umzugehen, doch ab und an ist das auch unmöglich.
Unmöglich ein Gespräch zu führen, wird es dann, wenn unsere Schützlinge immer wieder jemand anderen dafür verantwortlich machen, „schuld“ an der gesamten Lebenssituation zu sein. Den Menschen dann klar zu sagen, dass niemand sonst als sie selbst ihr Leben leben können und den Weg neu zu finden, fruchtet manchmal in Einsehen, in Nachdenklichkeit, aber manchmal auch in Aggressivität, in Ausweglosigkeit und ganz oft in Hoffnungslosigkeit.
Wir haben in den letzten Monaten versucht und alles probiert, unsere Schützlinge, die wir in unsere Wohnung genommen hatten, um ihnen eine neue Chance zu geben, zu begleiten, ihnen Wege aufzuzeigen und diese Wege teilweise mit ihnen zu gehen. Leider ging der Schuss nach hinten los, uns fehlten schlicht die Ausbildungen als Sozialarbeiter, als Psychologe oder als Lebensberater, und was noch dazu kommt, ich war 24 Stunden an 7 Tagen erreichbar und wurde auch oft mitten in der Nacht von den Menschen in den Wohnungen angerufen und um sofortige Hilfe gebeten. Nebenbei war und bin ich ja auch Ansprechpartner für die ÖBB Security und Polizei, wenn ein Obdachloser gefunden wird der Hilfe benötigt, da sonst niemand erreichbar ist, mitten in der Nacht. Bald schon stellte sich aber heraus, dass ich dieses Pensum alleine nicht mehr schaffe, da ich ja tagsüber jeden Tag unterwegs war/bin, um Spenden abzuholen oder Spenden zu liefern, oder im Lager zu tun hatte.
Wir haben viel versucht in unseren Wohnungen, mit wenig bis keinen Erfolg, aber mit ganz viel Respektlosigkeiten und Aggressionen. Dass wir langfristig diese Betreuung nicht aufrechterhalten können, war bald klar und wir haben auch bald schon dagegen gerudert und die Bedürftigen in unseren Wohnungen vor eine Entscheidung gestellt, und auch hier wurde uns wieder mitten ins Gesicht gelogen. Diese Erkenntnis, dass man ständig angelogen wird, geht mir tief in die Seele. Obwohl ich lediglich helfen möchte, werde ich zur Zielscheibe für Lügen und tätliche Angriffe, und das geht in dieser Form gar nicht.
Dass wir großen Respekt und hohe Wertschätzung zurück bekommen, ist auch Tatsache, von den allermeisten unserer Schützlinge bekommen wir Woche für Woche Danksagungen und viel Lob, und wundervolle Bezeugungen, aber der kleine Prozentsatz an Menschen, die mit uns derart grob umgehen, bleibt halt länger im Gedächtnis als die vielen Momente, in denen wir wundervolle Aussagen bekommen.
Wenn, so wie diese Woche am Donnertag passiert, ich am Morgen um Hilfe gebeten werde, und wir dann auch wirklich umfänglich helfen können, ist das ein wunderbarer Moment. Jaqueline hat mich am Donnerstag früh kontaktiert, sie erzählte von einem Obdachlosen, der seit 14 Tagen bei ihr in der Abteilung brav und hochmotiviert arbeitet. Dieser Mann ist seit 31 (!) Jahren obdachlos und ist gerade wegen seiner „Erfahrungen“ auf der Straße, massiv eingeschüchtert und zurückgezogen. Jaqueline hat, als sie bei ihm nachfragte, ehrliche Antworten bekommen und gottseidank sofort geholfen. Er hat 5 Tage nichts zu essen und trinken gehabt, nur 1 Garnitur Kleidung, es fehlte also an allem. Jaqueline fuhr einkaufen und half ihm und fragte Donnerstag früh bei mir nach, ob es weitere Hilfe für diesen Menschen gäbe, was ich leider verneinen musste, aber ich konnte ihr Versprechen, dass wir mit Lebensmittel und Hygieneartikel sowie mit Kleidung und Schuhe helfen. Jaqueline und ihr Mann kamen nach 2 Stunden dann in unser Lager und wir packten alles ein, was dieser Man so braucht. All die Danksagungen von Jaqueline und ihrem Mann ließen mich schon erahnen, welche Freude der Betroffene erst haben wird mit unseren Spenden. Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe, das war hier in diesem Fall ganz wichtig, ich wollte und konnte direkt helfen, in EUREM Namen. Ganz oft münden Dankbarkeit und Respekt bzw. Wertschätzung in Tränen, die wir auch schon oft erkennen durften, es ist einfach großartig, Menschen in solchen Situationen direkt zu helfen, und hier war schnelle Hilfe notwendig. Jaqueline und Martin werden auch privat weiterhelfen, auch wir werden wieder helfen, wenn es notwendig sein sollte.
Leider passierte diese Woche beim Verteil-Donnerstag aber auch eine Situation, die so gar nicht mit Respekt oder Wertschätzung einher geht. Ein Mann, der schon seit Wochen versucht, sich bei uns neue Schuhe zu erschleichen, ging diese Woche mit einem lautstarken Ton auf mich zu und behauptete, Zitat: „Warum du geben Oil (Speiseöl) was 3 Jahre, 2021 kaputt ist?“. Ich sagte ihm, dass wir gar kein Speiseöl haben, das 2021 abgelaufen ist, ich zeigte ihm an einem Beispiel, dass wir ausschließlich Sonnenblumenöl ausgeben, das heuer im März 2023 abgelaufen ist und weder kaputt noch ranzig ist, es ist von uns geprüft und hat keine negativen Eigenschaften. Er wurde immer noch lauter in seinem gebrochenen Deutsch, bis er schließlich derb frech wurde und mich grob beschimpfte, worauf ich ihm sagte, Zitat: „Hier ist nun Schluss, bitte verlassen sie unsere Ausgabestelle“. Er hatte in der einen Hand die bereits abgeholten Lebensmittel und mit dem anderen Ellbogen schlug er mir in die Rippen, nicht fest, aber es tat weh. Ich sagte nochmal er möge bitte diesen Platz verlassen und gehen, nun aber schrie er mich an, Zitat: „Sie haben hier gar nichts zu sagen, sie A…….ch!“ Doch, habe ich, vermittelte ich ihm, wo er das Sackerl mit den Lebensmitteln in die Luft schleuderte und mir mit seinem Ellbogen 2 richtig wuchtige Schläge in die Rippen gab, die richtig weh taten. Unser Max und unser Rudi haben die Situation gesehen und den Herrn sofort zum „Ausgang“ begleitet. Ohne Respekt und ohne Anstand so eine Aggressivität an den Tag zu legen, geht bei uns gar nicht, das sagte ich ihm auch, dass er künftig nicht mehr kommen braucht, da er von uns nichts mehr bekommt. Weder Lebensmittel noch Kleidung. Hier müssen wir schon aus Selbstschutz konsequent durchgreifen, denn wir wissen nicht was als nächstes kommt, zieht er, weil er keine neue Jacke bekommt, ein Messer oder etwas ähnliches? Wir müssen uns als Team schützen, und natürlich müssen wir auch unsere anderen Schützlinge in der Warteschlange vor eventuellen Übergriffen schützen. Max und Rudi haben das bravourös gemeistert und gaben mir Schutz, da ich ja wegen meiner verletzten Schulter sehr eingeschränkt bin.
Wir helfen wenn notwendig, jeden Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr, und manchmal, so wie in diesem Fall, kommen weder Dankbarkeit noch etwas respektvolles über die Lippen, sondern einzig eigene Interessen und eigene Aggressivität. Wir machen diese Arbeit mit ganz viel Herzblut, alles in unserer Freizeit und ehrenamtlich, wir verbringen sehr viel Zeit, brauchen ganz viel Kraft und Geduld und manchmal auch ganz viel Verständnis, um alles zu bewältigen, und hier lassen wir uns weder Aggression noch Undankbarkeit an den Kopf werfen. Solche Menschen dürfen lange Zeit nachdenken, ob ihr Handeln richtig war. Respektlosigkeit auf unserem Rücken darf sich nicht breit machen, Respektlosigkeit hat in unserem Umfeld nichts verloren und wir begegnen ihr konsequent ablehnend.
Was wir an jedem einzelnen Verteil-Donnerstag aufwenden müssen, um diesen überhaupt abhalten zu können, sieht man in dieser Form hier nicht, weil wir es nicht publizieren, aber liebe Leute, glaubt mir bitte, wir stehen jeden Donnerstag ab 8 Uhr im Lager, um alles herzurichten, alles für unsere Schützlinge um- und einzupacken, ein tolles Sortiment an Lebensmitteln und Hygieneartikel mitzubringen, um den Menschen zu helfen, und wenn unsere Mühe dann auf diese Weise „belohnt“ wird, müssen wir diesem Menschen sagen: „So nicht, bitte gehe!“.
Da wir ja gegenüber des ehemaligen „ibis-Hotel“ unseren Verteil-Donnerstag abhalten, werden wir vermutlich auch hier im Sommer, größere Probleme mit den Bewohnern des „Hotel-ibis“ bekommen. Wir rechnen hier mit großen Problemen und diversen Respektlosigkeiten, aber wir werden sehen und wenn nötig, sofort reagieren.
Der Verteil-Donnerstag, diesmal am Feiertag, ging schon bald los. Heute mit dabei als große Hilfe, meine Pflegeschwester aus Vorarlberg, die ein paar Tage zu Besuch ist. Wie vorher berichtet rief mich dann Jaqueline an und bat um Hilfe, die sie auch bekam. Im Lager waren Rena und Kimi, Maria, Hilde und ich, zu Mittag kamen dann Rudi und Max dazu, die heute wegen des Feiertags schon früher helfen können. Ich bin überglücklich über diese tollen und loyalen Menschen, die zu 100% an meiner Seite stehen, danke dafür!
Am Mittwoch schon holte ich kostenloses Gemüse und Obst aus Sierning, bei Roman Mayr (2. Chance), ab. Hier bekamen wir viele, viele Kisten bestes Gemüse, danke lieber Roman! Auch dieses Gemüse müssen wir am Donnerstag durchschauen und auf Genießbarkeit überprüfen, und ich weiß schon jetzt, dass sich unsere über 70 Schützlinge, die uns heute besuchen werden, glücklich sein werden über dieses tolle Sortiment.
Nachdem alles sortiert und durchgeschaut ist, geht’s zuerst zum Mittagstisch, Maria hat für heute Vogerlsalat mit Kartoffeln und Schnitzelsemmeln zubereitet. Dieser Mittagstisch oder das gemeinsame Abendessen genießen wir jede Woche sehr, es sind wunderbare Momente bei wunderbaren Gesprächen. Nach dem Essen beginnt Rudi den Transporter zu beladen, Hilde schaut sich die Liste der nächsten Spendenlieferung nochmal an und prüft diese auf Vollständigkeit, Maria sucht noch die Kleidung und Schuhe zusammen, für den Verteil-Donnerstag. Alle sind noch mit Vorbereitungen beschäftigt, bis wir dann schließlich um 15 Uhr nach Linz aufbrechen.
Bei Ankunft warten 2 Personen auf uns, die Sonne scheint und der Nachmittag verspricht, ein Guter zu werden. Alles aus dem Transporter ausladen und aufbauen. Zwischendurch gehe ich immer wieder zur Ecke vor, um zu schauen, was sich gerade im Bahnhofspark so abspielt, dort ist gewaltig viel los, viele Besucher und auch viele unserer Schützlinge. Computer, NFC-Lesegerät aufbauen, NFC-Karten die neu durchsortiert sind, bereitstellen. Jeder unserer Schützlinge hat eine eigene NFC-Karte, wo alle Daten, Foto, und alle Ausgaben, die er/sie je bei uns bekommen hat, gelistet sind. Um Spendenmissbrauch vorzubeugen, werden Kleidungsstücke, Schuhe, Rucksäcke, Schlafsäcke usw. peinlichst genau eingetragen. Manche unserer Schützlinge würden auch gerne 3 bis 4l Speiseöl im Monat haben, um den Großteil weiterzuverkaufen. Jede/r bekommt pro Monat 1l Speiseöl, genauso kontrollieren wir peinlichst genau die Ausgabe neuer Schuhe, neuer Schlafsäcke. Wir haben Euch, liebe Spender:innen versprochen, gut mit Euren Spenden umzugehen, und hier gehört auch dazu, Missbrauch erst gar nicht möglich zu machen. Wir sehen beim Auflegen der Karte sofort das ganze Sortiment, das derjenige Schützling schon alles bekam, deshalb können wir auch immer gut und ehrlich argumentieren, wenn jemand glaubt uns belügen zu müssen. Hier ist alles bestens dokumentiert.
16 Uhr, wir starten die Ausgabe, hinzugekommen ist noch unsere Brigitte und Peter. Die Warteschlange ist schon etwas angeschwollen, unser Max hat sein Auge auf die Disziplin und Ruhe in der Warteschlange und hilft zwischendurch immer auch bei der Ausgabe mit. Wir hatten in den letzten Wochen, an jedem einzelnen Donnerstag zwischen 7 und 9 Neuanmeldungen, was schon sehr viel ist. Heute sehe ich wieder einige neue Gesichter, die sich erst registrieren und den Einkommensnachweis bringen müssen, bis dahin bekommen sie lediglich Lebensmittel und Hygieneartikel. Nach gut einer halben Stunde Ausgabe, passierte der oben geschilderte Vorfall mit den Schlägen in meine Rippen. Gewalt werden wir niemals akzeptieren oder zulassen, hier greifen wir rigoros durch.
Nach diesem Vorfall hing eine komische Ruhe über unserem Verteil-Donnerstag, manche waren geschockt und manche in der Warteschlange waren erbost, über so viel Frechheit. Großes Kopfschütteln in der Warteschlange, wir aber machen weiter, ohne dem Vorfall noch größeres Augenmerk beizumessen. Über 70 Schützlinge kamen heute zu unserem Verteil-Donnerstag, um Hilfe zu erhalten, und der überwiegende Großteil war respektvoll und wertschätzend und überaus dankbar. Viele unserer Besucher bedanken sich gefühlte 10-Mal, was auch nicht nötig wäre, aber es kommt von deren Herzen, wir spüren das. Wir haben ständig zu tun und gegen 17.40 Uhr schaue ich erstaunt auf die Uhr: „Wo ist heute nur die Zeit geblieben, sie verging im Flug“. Barbara, meine Pflegeschwester ist beeindruckt von unserem Verteiltag, sie hilft ja in Götzis auch bei einem sozialen Verteiltag, der sich dort „Tischlein deck dich“ nennt, aus.
17.55 Uhr, Zeit alles in den Bus zu räumen und als Resümee ein gutes Gefühl, direkt geholfen zu haben, mitzunehmen. Es ist jede Woche eine Bereicherung, Menschen mit Eurer Hilfe zu helfen, DANKE dass ihr das Woche für Woche möglich macht. Alles eingepackt fahren wir Richtung Ansfelden, um den Tag abzuschließen und alles wieder einzulagern. Anschließend gibt es noch Schnitzelsemmerl mit Salat für die Runde rundum Rudi, Max, Barbara und mich. Einige Dinge werden noch besprochen und erörtert, eine Sitzung wird geplant und schon in wenigen Wochen beginnt die erste Phase unserer Sommerpause, die ich dringend brauche, um mich zu regenerieren und um meine Schulter gesund werden zu lassen. Der ganze Tag, mit Ausnahme der unschönen Geschehnisse, war ein voller Erfolg, es war ein toller Tag und wie gesagt, ein wunderbares Gefühl begleitet unser gesamtes Team, wieder effektiv geholfen zu haben. DANKE und VERGELT’S GOTT liebe Spender:innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnertag abhalten durften. Ich wünsche noch ein erholsames Wochenende und alles liebe, Gott segne euch. 😊 <3