Markus, und seine Chance auf Zukunft!
Am Vormittag im Lager, bei der Spendenannahme...
...habe ich schon alles herrichten lassen, für Markus‘ Einzug ins Zimmer. Lebensmittel, Hygieneartikel Bettwäsche, Handtücher, alles was man so braucht an Haushaltsartikeln, wenn man in ein Zimmer einzieht. Nebenbei sind wir aber auch gefordert mit der Spendenannahme, es ist einiges los heute und wir legen einige Kilometer zurück, im Lager.Pünktlich um 12 Uhr schließen wir unser Lager und unser Team konzentriert sich aufs Wochenende, und ich auf die Linz-Tour am Abend. Ich koche wieder Wasser, um für unsere Schützlinge am Abend heißen Tee anbieten zu können, und einige Wurstsemmeln sind auch noch da, die werden auch gleich mitgenommen. Heute Abend mit dabei, unsere Bernadette. Wir treffen uns um 18 Uhr, wie üblich bei der Metro. Als erstes geht es heute zu Stefan, an den Pichlingersee. Kurz bevor wir ankommen, ruft er uns an und fragt, ob wir heute kommen oder nicht, natürlich, sind in 5 Minuten da! Stefan ist nicht auf seiner Bank, sondern wartet vorne bei der Zufahrt schon auf uns. Gleich zu Beginn fragt Stefan ob ich ihn kommenden Montag um 13.30 Uhr zum AMS nach Linz bringen könnte, da er ja seine Hunde nicht alleine lassen kann, mache ich das natürlich. Wir packen noch ein paar Sachen für Stefan zusammen und bieten ihm dann noch heißen Tee an, den er dankend annimmt.
Wir sind nicht lange draußen bei Stefan, brechen wir wieder auf, Richtung Schillerpark und Volksgarten. Schillerpark war niemand anzutreffen, Volksgarten waren ein paar Obdachlose, die aber nicht mitkommen wollen. Also, dann auf, Richtung Bahnhof. Zuerst eine Runde im Bahnhofspark und dann in die Tiefgarage. Niemand da. Weiter zum Terminal, wo schon einige bei Gaby auf uns warten. Gaby schaut mich gar nicht gut an, es geht ihr seit Wochen nicht gut, Verkühlung, Lungenentzündung, Venenentzündung und noch ein paar weitere „Kleinigkeiten“. Markus, den wir heute mitnehmen in ein Zimmer, wartet mit seinen gepackten Sachen ebenfalls schon ungeduldig. Vorher müssen wir aber alle anderen versorgen, mit allem was sie brauchen. Der lange Hansi hätte eigentlich Geschirr und Pfannen am Donnerstag bei mir „bestellt“, aber im Trubel der Spendenannahme vergaß ich völlig darauf. Alle kriegen heißen Tee, der wirklich jedem schmeckt. Einige Jetons werden ausgeteilt, ein paar Zigaretten für jeden der raucht, und alles aus unserem Sortiment, was halt benötigt wird. Winterjacken, Winterschuhe, Schlafsäcke, Isomatten, Decken, Lebensmittel, Hygieneartikel, was wir jeden Samstag dabei haben auf der Linz-Tour. Zwischendurch sagt Peter zu mir: „Du weißt schon, dass Ende des Monats das Terminal umgebaut wird und wir alle hier weg müssen?“. Ich habe es gehört, dass umgebaut wird, aber ich wusste nicht, dass es Ende Jänner losgeht. Niemand von unseren Schützlingen hat eine Idee, wo sie dann schlafen können, wo sie weiter geduldet werden. Jeder sagt zu unseren Schützlingen: „Da dürft ihr nicht bleiben, hier auch nicht, und dort schon gar nicht“, aber niemand sagt, WO sie bleiben dürfen. Es ist schon ekelhaft, was hier für eine Willkür gegenüber den Schwächsten an den tag gelegt wird. Wo soll Gaby hin? Sie ist seit 5 Jahren am Terminal, wo sollen die Menschen hin, wo sie wenigstens nicht nass werden bei Regen.
Man sieht es allen an, dass die Ungewissheit an allen nagt, und einschätzen kann es niemand, ich auch nicht. Meikel sitzt am eiskalten Boden, und bittet um einen Tee und um ein paar Lebensmittel. Marcel, den ich heute hier eigentlich erwartete, so wird mir erzählt, ist im Wagner-Jauregg, auf der Geschlossenen, weil ein „Kumpel“ ihm einen Alkoholmix gab, den Marcel nicht vertrug. Nach Kurzem entglitt Marcel die Situation und wollte sich dann vor den Zug werfen. 22 Jahre alt und vom Leben schon so gezeichnet. Wahnsinn. Ich hoffe er übersteht den Aufenthalt dort und anschließend in Haft, halbwegs gut. Elmar fehlt mir ebenfalls, Roman ist auch nicht hier.
Dafür ist Tony hier, Peter, und von weitem hört man Elvisa kommen. Und mit Elvisa kommt Rafael, der 14-jährige Bub. Mit einem unglaublich aggressiven Spruch möchte Rafael „Cool“ sein, was aber völlig daneben geht. Er möchte halt auch „mitreden“, obwohl er besser zuhause in der Wohngemeinschaft geblieben wäre. Es zieht ganz schön heute, am Terminal, es ist eiskalt, die Skala zeigt -2,5°. Als wir zusammenpacken wollten, kommt Affi von der anderen Straßenseite zu uns. Auch er bekommt Jetons und zu essen, und eine dicke Decke. Der alte Lausbub Affi ist schon ein Unikat, so trocken wie er kann kaum jemand einen Witz bringen. Und seine „Hilflosigkeit“ weckt in mir das „Helfersyndrom“. Als dann alle durchgewunken waren, verteilte ich noch Gutscheine von Hofer und Spar und vom Leberkas Pepi. Sie tauschten alle untereinander, Hofer gegen Billa, und Spar gegen Penny. Alles gut gegangen am Terminal, wir packen Markus und sein gesamtes Hab und Gut ein und fahren zum nächsten Hot Spot.
Zu Tara, in der Nähe des Domes. Tara ist nicht da, dafür Peter, man hört ihn unter der Plane mit selbst reden, wir machen uns bemerkbar und Peter kommt mit einer Stirnlampe unter der Plane hervor. Er erklärt mir, welche Abstände man braucht und wie man die berechnet, wenn man in dem Durchgang, wo er liegt, neue „Türen“ einbauen würde. Tja, er erklärt es mir detailliert, nur ich verstehe nicht was er genau meint. Egal!
Weiter geht’s zu Florian, an die Donaulände, wo diesmal kein Florian anwesend ist. Sein Schlafplatz ist leer, er war aber vor Kurzem noch da, weil seine Decke aufgeschlagen ist. Wir warten ein paar Minuten, er kommt jedoch nicht. Hr. L., der Vermieter von Markus‘ Zimmer, ruft an und fragt, wo wir bleiben, es ist mittlerweile 21 Uhr vorbei. „Wir werden noch etwa 30 Minuten brauchen, bis wir da sind. Wir müssen noch zu Franziska, Emma und Gerald vorher. Dort angekommen ist nur Gerald da, Franziska ist wohl Gassi mit Emma. Wir reden Mit Gerald, der sich Woche für Woche weiter für uns öffnet, großartig! Wir geben Gerald noch heißen Tee und ein paar Zigaretten und rauschen dann ab, Richtung Gründberg. Markus ist schon ungeduldig, aber überglücklich. Am Terminal zeigte er mir das, indem er mich in den Arm nahm und sich ganz oft für diese Chance bedankte. Alles gut, Markus, wir sind angekommen und läuten bei Hr. L., der uns gleich noch ein paar Vorkommnisse erzählt und dann den Meldezettel für Markus ausfüllt. Markus sagt auch Hr. L., dass er dem Alkohol abschwören möchte und wieder arbeiten gehen will. Markus ist Maler- und Lackierermeister sowie Farbgestalter mit langjähriger Praxis. Wenn Markus es schafft dem Alkohol den Sinn zu nehmen, hat er eine echte Chance, wieder auf die Beine zu kommen. Wir werden Markus begleiten, auf seinem Weg. Alles ausgefüllt, auf geht’s, ins Zimmer, Markus bekommt „Gertrudes“ Zimmer, da sie ja ausgezogen ist. Hr. L. bringt Essig, der ganze Raum riecht nach Zigaretten, binnen kürzester Zeit ist der unangenehme Geruch völlig verflogen. Wir bringen all unsere Sachen für Markus, Decken, Polster, Bettwäsche, Lebensmittel, Jacke u.v.a.m. ins Zimmer. Auch Vorhänge bekommt Markus noch, die er sich selbst aufhängt.
„Marianne“ wohnt direkt neben Markus, sie kennen sich flüchtig und werden gut auskommen, denke ich. Marianne kommt auch mit zum Bus, sie braucht auch Lebensmittel, mache ihr aber klar, dass sie eigentlich am Donnerstag zum Bus kommen könnte, und sich von dort die Lebensmittel holen könnte, da es für sie kein Problem sein dürfte mit den Öffies zum Bahnhof zu kommen. Ich sage Marianne, nachdem sie ja wegen akuter Gewalt von ihrem Freund davongelaufen ist und auf der Straße stand, dass ich es nicht einsehe und nicht verstehen will, dass sie zeitweise wieder bei ihrem Freund nächtigt und eigentlich dieses Zimmer nicht braucht. Ich mache ihr klar, dass jemand anderer auch eine Chance auf ein Zimmer braucht, und da sie eh immer wieder bei ihrem Freund nächtigt, wird Marianne das Zimmer für jemand anderen frei machen müssen. So war das nicht gemeint, als wir ihr das Zimmer gaben. Da müssen wir nochmal reden, da eine offene Anzeige am kommenden Donnerstag einvernommen wird, und da der „gute“ Freund von dieser Anzeige noch nichts weiß, wird die Situation vermutlich wieder eskalieren. Wir packen ihr noch ein paar Lebensmittel zusammen und wollten schon losfahren, da fragt mich Markus noch um € 10,- für eine Fahrkarte für die Öffies. „Mah wo ist meine Tasche?“. Meine Tasche ist weg, hat sie jemand am Terminal aus dem Fahrerhaus genommen? Habe ich sie zuhause vergessen? Mir wird kalt-heiss-kalt, alle Papiere drinnen, alle Bankkarten. Bernadette gibt Markus die € 10,- und ich hätte beinahe auf Rainer vergessen. Wir gehen noch in den 1. Stock und wecken Rainer, er kommt auch mit zum Bus und bekommt ebenfalls alles, was er braucht.
Aber jetzt, sofort nach Hause, nachschauen, ob ich meine Tasche nur vergessen habe oder ob sie mir entwendet wurde. Gottseidank löst sich das Rätsel gleich auf, ich habe sie vergessen, alles da. Mir fällt ein Stein von Herzen. Mittlerweile ist es 23.15 Uhr vorbei, und wir lassen es gut sein, obwohl wir heute 2 Stationen ausgelassen haben. Auf geht’s, Richtung Lager Ansfelden, alles ausladen und einlagern, ich setze Bernadette um 23.55 Uhr bei der Metro wieder ab. Ein langer, anstrengender Tag geht dem Ende entgegen. Wir sind müde, aber es war wieder eine „gute“ Linz-Tour. Warum „gut“? Weil wir wirklich helfen konnten. Und das Beste ist, Markus ist weg vom Terminal, von den Typen, die ihn in den letzten Tagen immer intensiver bedrohten.
Ich bin überglücklich, mindestens genau so glücklich wie Markus selbst. Zuhause angekommen, ich bin noch gar nicht in der Wohnung, ruft die Polizei an, es gäbe da einen neuen Obdachlosen, der ein paar Sachen brauchen würde. Ich sage ab, da mein Tag heute schon echt lange geht und ich auch keine Kraft mehr habe, die Polizistin am anderen Ende versteht es und wünscht mir eine gute Nacht. Sie wird sich umschauen, wo sie Hilfe bekommt, ansonsten kann sie sich am Sonntag tagsüber melden. In den nächsten Wochen wird es für mich wichtig sein, etwas Abstand zu bekommen und ein paar Tage „auszuspannen“. Mal schauen, ob mir das gelingt.
Euch noch einen schönen, ruhigen Sonntagabend und einen tollen Wochenbeginn morgen. Danke für Eure Aufmerksamkeit. 😊