meinbezirk.at vom 7.3.2019 – Aktuelles Interview in der Rundschau Linz-Land

Die Armut nimmt weiter dramatisch zu

2017 gewann Walter Kreisches "Obdachlosenhilfsaktion" den BezirksRundschauaktion "Florian".
ANSFELDEN (red). Im Interview spricht er über positives Feedback, Herausforderungen aber auch Probleme.
Vereinsobmann Walter Kreische. Foto: BRS

Wie läuft es am neuen Standort? Wie wurdet Ihr dort aufgenommen?

Wir wurden so herzlich und freundlich von allen Mitarbeitern und der Geschäftsführung aufgenommen, wir haben eine große Freude und sind sehr, sehr dankbar, dass wir dieses Lager zu einem Sonderpreis anmieten durften.

Wie lief es in diesem Winter?

Wir hatten noch nie so eine turbulente, arbeitsintensive und kostenintensive Wintersaison gehabt, wie die von 2018/2019. Aber wir haben auch ein sehr kompetentes Team, das absolut professionell mit den Menschen und den Problemen umgeht und sich gegenseitig stützt.

Wie sieht die generelle Situation der Obdachlosen derzeit im Großraum Linz aus?

Die Armut, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit nimmt dramatisch zu. Viele Menschen haben, so sie sich noch ein kleines Zimmer oder eine kleine Wohnung leisten können, keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung, und von Lebensmittel ganz zu schweigen. Die Armut und Obdachlosigkeit nimmt viele skurille Facetten an. Wir haben einige Obdachlose, die bei Freunden polizeilich gemeldet sind und ganz normal 40 Std. arbeiten gehen, vom Lohn aber nicht leben können und deshalb im Bereich des Busterminals oder Bahnhofs schlafen und leben. Wir haben viele Obdachlose, die keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben, keinen Zugang zum Sozialsystem, die gänzlich ohne Unterstützung ihr Dasein fristen. Ich würde mir von ganzem Herzen wünschen, dass sich endlich einmal ein sozial kompetenter Politiker am Donnerstag (bei unserer Verteilaktion in Linz) zu uns gesellt und sich die enormen Probleme der Obdachlosen anhört und einfach mal nachdenklich wird. Die Armut und Obdachlosigkeit trifft immer öfters* Pensionisten, alleinerziehende Mütter, psych. kranke, nicht arbeitsfähige Menschen, Scheidungsopfer u.v.a.. Und,* wir haben wieder ein Opfer unter den Obdachlosen. Vor 14 Tagen starb der 72 jährige Herr St. unter nicht zu fassenden Umständen.

Mit welchen Problemen und Herausforderungen haben Sie als gemeinnütziger Verein zu kämpfen?

Wir haben 2017 angefragt um öff. Förderungen vom Land OÖ. Uns wurde mitgeteilt, dass wir als Verein nicht "förderwürdig" sind. Was immer das heißen mag und wer immer das beurteilt hat. Wir finanzieren uns ausschließlich privat. Auch bekommen wir für die Spendenverteilaktion jeden Donnerstag in Linz keine Genehmigung vom Magistrat, sondern sind nur geduldet, mit vielen Einschränkungen. Wir haben viele Vorgaben, an die wir uns strikt halten müssen und dies auch tun. Um keine Rüge oder gar Platzverweis zu bekommen sind wir sehr darauf bedacht, den Spendenverteilplatz sauberer zu verlassen, als wir ihn vorfanden. Das sehen wir auch als unsere Pflicht.

Was hat sich seit Eurem Gewinn des Florians vor zwei Jahren für Euch geändert?

Von vielen Seiten kamen aufrichtige Glückwünsche und Gratulationen, von vielen Seiten kamen aber auch einfach nur böse Äußerungen und Beschimpfungen, denen wir wenig Gehör schenkten. Viele Menschen *wurden auf uns aufmerksam, brachten Sachspenden oder Geldspenden vorbei, sammelten im eigenen kleinen Kreis Spenden und brachten uns diese dann. Der Bilgro-Getränkemarkt im UNO-Shopping Leonding spendete uns sagenhafte Produkte wie haltbare Lebensmittel, ganz viele Getränke und Süßigkeiten. Das Stiftsgymnasium Wilhering, hier die Klasse 5B, beteiligte sich an unserer vorweihnachtlichen Schuhschachtelaktion, packte etwa 120 Packerl für unsere Obdachlosen auf eigene Kosten und verteilten diese dann am 20.12.2018 im Rahmen unseres Spendenverteildonnerstags in Linz. Und die Parallelklasse 5A schrieb ein Theaterstück über Obdachlose und Wohnungslose, textete Gedichte und lud dann zu einem Charityabend, der € 3000,- einbrachte. Unter der Leitung von Gerald Rettenegger, Christa Wänke und Michaela Ela Ebner wurden die Jugendlichen an dieses komplexe Thema herangeführt und betreut. Großen Dank an alle Beteiligten. Vergelt's Gott! Geschäfte und Firmen werden und wurden auf uns aufmerksam und fragen nach, wie sie helfen können. Der Florian bewirkte Bekanntheit und brachte uns viele tolle Menschen, die in vielen Gesprächen über unsere Tätigkeit und Tragweite erfuhren. Lorenz, ein drejähriger Junge, besuchte uns schon 2018 und brachte uns sein ganzes Taschengeld, 7 Euro, und er kam 2019 wieder und brachte uns diesmal 20 Euro für die armen Menschen, wie er selbst sagte. Einfach großartig, dieser kleine und doch so große Mann.

Wie sieht Ihre Prognose für die kommenden Jahre aus? Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Situation für hilfsbedürftige Menschen in unserem Land verändern und wo sollte die Politik ansetzen, um hier gegen zu steuern?

Die Armut wird noch schneller in einem Umfang zunehmen, der mir jetzt schon Angst macht. Die Politik verabschiedete sich gänzlich aus ihrer Verantwortung. Die Politik gibt sich zufrieden mit einer Linzer Notschlafstelle, die 59 Menschen beherbergen kann und erzählt dann öffentlich Märchen von 387 Betten. Alle Betten (außer NOWA) sind Therapiebetten, die als Notschlafbetten gar nicht verwendet werden können, weil diese langfristig an Klienten vergeben sind. Solange der Bürger und die Gesellschaft solche Aussagen und Behauptungen von Politikern nicht zurückweisen, wird sich gar nichts ändern. Jeder, der sich auskennt und nicht möchte, dass Politik auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen * wird, muss die kolportierten Zahlen aus dem Magistrat und OÖ Landtag (es gibt nur etwa 50 Obdachlose in Linz) ins Nirvana stoßen und endlich hinter die Kulissen schauen und selbst recherchieren. Viele Obdachlose haben wegen kleiner "Vergehen" langjähriges Hausverbot in der Linzer Notschlafstelle, oder wollen wegen der dortigen Verhältnisse nicht einmal 1 Nacht dort verbringen, hier wäre endlich eine öffentliche Abklärung der gesamten Situation zu erheben und zu diskutieren. Durch die im Vorstand des B37 tätige Sozialstadträtin und ihrem Bürgermeister wird viel berechtigte Kritik ins Absurde und Skurrile gezogen: Zitat: "Das B37 hat genug Platz für die Obdachlosen, es muss in Linz niemand auf der Straße schlafen".

Eine öffentlich finanzierte Notschlafstelle hat keine langjährigen, menschenverachtenden Hausverbote zu erteilen, sondern individuelle Lösungen für all diese Menschen zu suchen und zu erarbeiten. Hier wäre ein Dialog mit allen Beteiligten nützlich, um die Situation für die Armen, Bedürftigen, Wohnungs- und Obdachlosen zu verbessern und nicht politisches Kleingeld zu generieren. Z.B. gibt es keine Möglichkeit im gesamten Bahnhofsbereich, kostenlos eine Toilette aufzusuchen oder genießbares Trinkwasser aus einem Brunnen zu trinken. Für die Toilette muss gezahlt werden, obwohl viele nicht einmal diese 50 Cent haben. Deswegen wird oft die Notdurft im Freien verrichtet, wofür sich auch die Obdachlosen schämen.

Welche Artikel brauchen Sie derzeit am Nötigsten?

Zur Zeit brauchen wir Unmengen an haltbaren Lebensmitteln in Dosen (Suppen, Fertiggerichte 400g Dose), Dosenfisch, Nudeln, Reis, haltbare Milch, Packerlsuppen, neue Socken für D/H, neue Unterwäsche für D/H, weiche Schuhe (Turnschuhe oder Sneakers, alle Größen) für D/H, Waschpulver wäre ganz wichtig, belastbare Rucksäcke.

Wen und wann beliefert Ihr und vor allem, wann nehmt Ihr Spenden entgegen?

Unser Spendenannahmetag ist Samstag von 9-12 Uhr in unserem Lager 4052 Ansfelden, Haider Strasse 40 (bei der Fa. TAB). Wir beliefern nach wie vor viele Obdachloseneinrichtungen und Notschlafstellen in OÖ. Das größte Ausmaß nimmt jedoch unser Verteildonnerstag in Linz ein, zu dem jede Woche etwa 70-100 arme und obdachlose Menschen kommen, um sich Lebensmittel und Hygieneartikel, eine warme Jacke oder neue Schuhe zu holen. An unserem Verteildonnerstag mussten wir ein funktionierendes Kontrollsystem einführen, weil einige leider jede Woche Schuhe oder Jacken abholten und diese Spenden dann für ihre Alkohol- oder Drogensucht zu Geld machten. Was wir natürlich nicht dulden oder fördern können und wollen. Der überwiegende Teil der Bedürftigen aber ist dankbar und froh, dass wir unsere Spenden auf diese Weise an sie verteilen und umarmen uns wöchentlich.

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