Angst, und wie!
Wie oft uns...
...die Notwendigkeit unserer Aktionen schon bestätigt wurden, wissen wir nicht. Beinahe an jedem Donnerstag umarmen uns Menschen, erklären uns unsere Schützlinge die teilweise seit Jahren zu unserem Verteil-Donnerstag kommen und sich bei uns Lebensmittel abholen dürfen, dass sie nicht wüssten, was sie ohne unserem Verteil-Donnerstag machen würden und wie sie überleben könnten.
Leo, der seit über 4 Jahren, seit Bestehen unseres Verteil-Donnerstags 2018 zu uns kommt, und der auch Teil der Redaktion der „Kupfermuck’n“ ist, bestätigt es auch hier in dem Screenshot der Straßenzeitung, dass er sehr, sehr froh ist, dass es uns gibt. Auch Daniela bestätigt hier, dass sie sich schwer tun würde, wenn es uns nicht gäbe. Es ist eine schöne Bestätigung unserer Schützlinge, dass sie unser „Angebot“ und unsere Aktion überaus dankbar schätzen.
Ob in der kalten Jahreszeit, im Winter, im Sommer, am Tag oder Nachts, egal zu welcher Uhrzeit, wir sind da und helfen, und zu helfen macht nicht nur Spaß, es ist auch immens wichtig, unser Versprechen unseren Spendern:innen gegenüber einzulösen, dass all unsere Spenden direkt bei den Menschen ankommen. Egal ob am unseren Verteil-Donnerstag, auf der Linz-Tour oder bei den Spendenlieferungen in die Einrichtungen, wir garantieren dass Eure Spenden auch wirklich dort ankommen, wo diese benötigt werden, nämlich auch direkt bei den armen und obdachlosen Menschen.
In Kürze gehen wieder einige Spendenlieferungen in diverse Einrichtungen hinaus, die schon angefragt haben. Frauenhaus Vöcklabruck wurde schon fertig zusammengestellt und ist ab nächste Woche bereit zur Abholung. Morgen Montag werde ich noch zu Sr. Ida ins Quartier 16 Kontakt aufnehmen, um auch dort den Bedarf abzuklären. Hier müssen wir eine Möglichkeit finden, wie die Spenden nach Vöcklabruck kommen, da beide Einrichtungen kein Fahrzeug haben, und diesmal die Notschlafstelle Vöcklabruck als „Transporteur“ wegen des aktuellen Wasserschadens ausfällt. In der Notschlafstelle gibt es zurzeit leider keinerlei Lagerplatz, deshalb bekommt diese Einrichtung erst im April ihre Spendenlieferung. Wie schon des Öfteren in der Vergangenheit geschrieben, mussten wir die Einrichtungen zusammenstreichen, von etwa 40 Einrichtungen auf unter 10 Einrichtungen, von etwa 3800 Menschen auf etwa 800 Bedürftige, die wir noch versorgen können. Aber jede/r Einzelne dieser etwa 800 Menschen braucht unsere Hilfe und Unterstützung, deshalb versuchen wir unser Bestes, so lange wie möglich und so umfangreich wie nötig die übriggebliebenen Einrichtungen mit den Nötigsten zu versorgen.
Wenn man sich dem Thema Armut und Obdachlosigkeit annimmt und sieht, wie leicht es in Wirklichkeit ginge direkt und effektiv zu helfen, und dann aber an absurde „Kleinigkeiten“ scheitert, tut das schon sehr, sehr weh. Wir, und das haben wir unseren Spendern:innen versprochen, geben unser Bestes, so lange es irgendwie möglich ist, zu helfen, werden wir das machen, und wenn es vielleicht eines Tages nicht mehr geht, werden wir wirklich alles versucht haben und wir brauchen uns dann auch nichts vorzuwerfen, etwas verabsäumt zu haben. 10 Jahre intensive, arbeitsreiche, verantwortungsvolle Obdachlosenhilfe brauchen keine Rechtfertigung. Im Fokus stand immer die umfassende, direkte Hilfe für unsere Schützlinge, egal in welcher Form.
Ich musste diese Woche langsam beginnen, einige Dinge im Vorfeld noch abklären und verdauen, Dinge koordinieren und Probleme lösen, gottseidank können wir bis auf Weiteres den Verteil-Donnerstag wieder machen, die Menschen brauchen unsere Hilfe und waren in unserer 14-tägigen Pause teilweise in starker Bedrängnis wegen all der Teuerungen und im Lebensmittelbereich wegen all der „Profitmaximierungen“, die sich bald viele Menschen nicht mehr leisten können. Und, was dann?
Am Mittwoch wie immer Kühl- und Tiefkühllager, am Donnerstag früh dann alles portionieren und neu verpacken. Wir machen wieder Wurstbrote, verzichten aber aufgrund der wärmeren Temperaturen auf den heißen Tee heute. Auch auf unseren Kleider-Anhänger werden wir heute wieder verzichten, wir nehmen einzelne Kleidungsstücke und Schlafsäcke mit. Dabei haben wir alle Artikel, aber eben nur in sehr geringer Anzahl. Sollten entgegen unserer „Erwartungen“ mehr Kleidungsstücke benötigt werden, werde ich diese im Rahmen der Linz-Tour nachbringen. Unsere Maria bringt fürs Vormittagsteam Mittagessen mit, heute gibt es Käsespätzle mit Salat. Das gemeinsame Mittagessen hat sich inzwischen zu einem Donnerstags-Highlight entwickelt, das niemand mehr missen möchte, nicht nur das gemeinsame Essen, sondern auch die gemeinsame Zeit zu genießen.
Um 15Uhr sind wir so weit, bereit zur Abfahrt. Verena fährt heute mit mir, Rudi und Maria sind schon vorgefahren, um unseren Platz zu reservieren. Wir haben erträgliche +9°, Sonne und einen hoffentlich erfolgreichen Verteil-Donnerstag vor uns. In Linz angekommen warten etwa 25 Bedürftige, wir laden gemeinsam aus, in Linz kommt Edi dazu, der uns ebenso wie alle anderen eine große Stütze ist. Die Warteschlange wächst während unseres Aufbaus stetig an, am Ende werden es 103 Menschen sein, die heute zu uns kommen und sich Lebensmittel und Hygieneartikel holen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Vorab teilen wir die Wurstbrote aus, die gerne angenommen werden. Max kommt ebenfalls in Linz dazu und kümmert sich um die Ordnung in der Warteschlange und teilt auch Zigaretten aus, jede/r bekommt 3 Zigaretten. Punkt 16 Uhr beginnen wir mit der Prozedur. Zuerst anstellen beim Computer um sich eintragen und verifizieren zu lassen, und anschließend von Tisch zu Tisch zu gehen und alles Notwendige einzupacken.
In der letzten Woche haben wir schon drauf hingewiesen, dass wir kein Pardon mehr kennen werden, wenn uns jemand monate- oder gar jahrelang verströstet, wegen dem Einkommensnachweis. Genau 3 Wochen haben alle Zeit, um einen gültigen, nicht abgelaufenen Einkommensnachweis vorzulegen. Das sind wir all unseren Spendern:innen schuldig, um zu garantieren, dass auch alle Spenden bei den Bedürftigen ankommen. Wieder stehen einige illegale EU-Bürger aus Polen und Rumänien in unserer Warteschlange, denen wir leider die Abteilung „Armutsmigration“ der Caritas empfehlen müssen. Ohne gültige Papiere und ohne Anmeldung bzw. ohne Arbeitsabsicht, wird es für diese Menschen schwer werden bei uns. Teilweise ohne Ausweis, ohne Dokumente, ohne jeden Identitätsnachweis, kommen diese Menschen auch in fast keine Obdachlosen-Einrichtung bzw. Notschlafstelle. Trotzdem weisen wir niemanden hungrig weg, das tun wir nicht, aber das Lebensmittelpaket fällt hier wesentlich kleiner aus, um den akuten Hunger und Durst zu stillen. Jeder versteht unser Handeln, warum wir so handeln müssen, wir weisen aber auch darauf hin, dass sie sich künftig gleich an die „Armutsmigration“ wenden müssen.
Es ist ein dauerndes Kommen und Gehen, es stehen permanent etwa 25-30 Schützlinge in der Warteschlange, die nicht kleiner wird. Rudi gibt die Daten in den Computer ein und braucht immer wieder, völlig nachvollziehbar, Unterstützung und Anleitungen, was wir wie machen bzw. was wir wie in die Datenbank eingeben. Rudi füllt mit all den neuen Besuchern beim Bus die Formulare aus, macht Fotos für den Ausweis den sie von uns bekommen, ordert und erinnert aber auch gleich an den zu bringenden Einkommensnachweis. Vor ein paar Wochen hat jemand völlig Ahnungsloser behauptet, Zitat: „Wenn man armen, hungrigen Menschen helfen möchte, braucht man keinen Einkommensnachweis, das wäre unmenschlich und völlig überzogen“. NEIN, ist es nicht! Mittlerweile muss man für den Einkauf in all den Sozialmärkten, einen Einkommensnachweis erbringen, genauso für jeden Antrag auf Unterstützung bei Caritas, Volkshilfe etc.. Wir machen das nicht, weil wir unsere Schützlinge ärgern wollen, sondern weil wir gegenüber unseren Spendern:innen im Wort sind, die Spenden an die Menschen abzugeben, die dringend Hilfe brauchen. Zu oft in der Vergangenheit haben sich Menschen „bereichert“, die tlw. € 1600,- Einkommen hatten und ein großes Auto fuhren. Das liebe Wegbegleiter, haben wir gänzlich abgestellt, so eine dreiste Vorgehensweise lassen wir nicht mehr durchgehen. Wir sind weder asozial (wie behauptet) noch verlangen wir etwas Unmögliches, wer kein Einkommen bzw. Sozialleistung bekommt, muss von der Krankenkasse einen Versicherungsdatenauszug bringen, woraus ersichtlich ist, ob wir angelogen werden oder nicht, ob Soziallleistungen an die Menschen ausbezahlt werden oder nicht. Und, wir lassen uns nicht mehr anlügen oder benutzen, es gibt Regeln und Vorgaben, an die sich alle zu halten haben.
Hr. S., seit 2018 meist Woche für Woche Besucher bei uns, hat er den letzten Einkommensnachweis 2021 erbracht, dieses mal gabs einen Hinweis für Hr. S., entweder nächste Woche einen Einkommensnachweis oder eben keine Lebensmittel mehr. Wir müssen durchgreifen, wir sind all unseren Spendern:innen im Wort. Manche müssen wir auch heute wieder einbremsen, und die Menge reglementieren, da all die Lebensmittel in dieser Menge niemals in 1 Woche konsumiert werden können. Hier wird die Existenzangst sichtbar, viele Schützlinge haben schlicht Angst, hungern zu müssen und packen deshalb mehr Lebensmittel ein, als sie essen können. Wir beruhigen die Menschen dahingehend, dass wir ohnehin wieder jede Woche hier am ABC-Buffet sind, und sie auch nächste Woche wieder kommen können.
In der Reihe geht es diszipliniert zu, kein lautes Wort, keine Aggressionen, absolut in Ordnung dieses Verhalten, wir hatten auch schon andere Verteil-Donnerstage. Die Schlange wird und wird nicht kleiner/kürzer, die ersten Lebensmittelboxen sind leer, die ersten Lebensmittel sind am Ausgehen, 34 große Lebensmittelboxen, die randvoll gefüllt waren und nun langsam leer werden. Diese Mengen, die wir Woche für Woche am Verteil-Donnerstag ausgeben, sind schon enorm, obwohl das Sortiment vor ein paar Wochen erst neu angelegt wurde. Immer wieder kommen Schützlinge, die ihre Taschen voll haben und bedanken sich, teilweise mit Tränen in den Augen, für alles. Hier ist schon eine große Dankbarkeit zu spüren, und vor allem, eine ehrliche Dankbarkeit.
Die Dunkelheit ist diesmal kein Thema mehr, wir schaffen es bei „Tageslicht“ noch, alles einzuladen und zusammenzupacken und brechen dann auf, Richtung Ansfelden. Es war wieder ein toller und immens wichtiger Nachmittag, 103 Besucher waren Teil dieses Verteil-Nachmittags, eine Zahl die wir schon oft hatten, aber wir blicken halt jedes Mal nach so vielen Besuchern in leere Lebensmittel-Boxen, die auch wieder aufgefüllt werden müssen.
Vergelt’s Gott und habt großen Dank liebe Spender:innen und Wegbegleiter:innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag machen durften und euch hier davon berichten können. DANKE für alles! 😊 <3