Kürzungen und Streichungen!
Bei unserer Sitzung...
...letzten Montag, wo wir die nähere und teilweise auch die fernere Zukunft unseres Vereins und unserer Aktionen diskutierten und geh bare Pfade anlegten, floss auch viel Herzblut mit in die Entscheidungen. Wie schon ein paar Mal beschrieben, müssen wir leider z.B. bei den Spendenlieferungen in die Obdachloseneinrichtungen den Sparstift ansetzen, weil es uns schlicht nicht mehr möglich ist, fast 40 Einrichtungen mit fast 4000 Menschen 5-mal jährlich mit Spendenlieferungen zu versorgen, die EINZELNEN Spendenlieferungen machen zum Teil bis zu €10.000,- an Wert aus. Wir haben uns dazu durchgerungen, künftig nur noch 10 oberösterreichischen, statt 40 österreichweiten Einrichtungen mit Spenden zu helfen. Wir werden künftig „nur“ mehr etwa 1000 Menschen in 10 oberösterreichischen Einrichtungen mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln helfen können, da es uns schlicht aufgrund des Spendenaufkommens nicht mehr möglich ist, weiterhin fast 4000 Menschen zu versorgen. Hier blutet unser Herz schon sehr, da wir um all die Probleme der Menschen Kenntnis haben, aber wie heißt es so schön im Volksmund? „Man kann sich nur nach der Decke strecken, die man zur Verfügung hat“, und zurzeit ist leider nicht mehr möglich. Wir möchten auch die Weihnachtsschuhschachtelaktion wieder machen, wenn IHR uns dabei unterstützt und wir möchten, am Heiligen Abend eine Weihnachtsfeier MIT den Obdachlosen abhalten, die aber noch nicht sicher ist.
Durch die Pandemie bzw. Kurzarbeit bzw. Kündigung, konnten sich viele langjährige, treue Spender: innen unserer Aktionen keinen Sparpolster anhäufen und wissen teilweise auch nicht, wie sie die Teuerungen in sämtlichen Bereichen kompensieren können. Viele Menschen hatten vor der Preisexplosion schon nicht viel Geld zur Verfügung und wissen momentan nicht, wie sie den Winter und die Krise überleben sollen. Existenzängste machen sich breit, Panikattacken schlagen zu, wenn unerwartete Rechnungen ins Haus flattern, die man nicht bezahlen kann, wenn noch ganz viel Monat übrig ist und das Portemonnaie schon gähnend leer ist, viele Menschen sich nur noch von Nudeln und Tomatensoße ernähren können, weil es zu mehr nicht mehr reicht, dann liebe Leute, ist Feuer am Dach.
Der soziale Frieden für ein gutes Miteinander ist immens wichtig, und der droht schon jetzt zu kippen. Wenn sich Menschen keine Lebensmittel mehr kaufen können, die Miete und die Betriebskosten in ungeahnte Höhen explodieren und man keine Hoffnung hat, dass irgendwie nachhaltige Hilfe (und keine Einmalhilfe die den Namen „Hilfe“ nicht verdient) geleistet wird, werden Menschen in eine Ecke gedrängt und beginnen dort, um sich zu schlagen. Wenn Menschen kein Geld mehr für das Nötigste haben, wird Diebstahl und Einbruch an der Tagesordnung stehen, um irgendwie überleben zu können. In eine Ecke gedrängt und dort von der Politik und Gesellschaft vergessen dahin zu vegetieren, wäre das Schlimmste, was Menschen passieren kann. Wir sehen es seit ein paar Wochen, dass Menschen verzweifelt nach einem Rettungsanker suchen, aber keinen finden.
Dass viele alte Menschen sich nur noch 1 Einkauf pro Monat leisten können, ist genauso Tatsache wie viele Menschen mit einer Pension/Rente von wenigen €100,- leben und die ganzen Lebenshaltungskosten davon bestreiten müssen. Dass hier von Seiten der Politik immer wieder gerade auf diese Menschen am Rande der Gesellschaft nochmal rhetorisch draufgeschlagen wird, ist nicht nur tiefgreifend menschenverachtend, sondern auch höchst verwerflich. Spinnt man den Faden der Armut weiter und stülpt all die Konsequenzen dem realen Leben über, werden in den nächsten Monaten viele, viele Menschen von einer Krise in die nächste geschoben werden. Dass die exorbitant hohen Mietanpassungen und die pervers gestiegenen Betriebskosten ein Auslöser für Wohnungs- und Obdachlosigkeit sein werden, ist sonnenklar. Und was hört und liest man an Prävention für diese Menschen? Nichts! Außer diese wirkungslose Einmalzahlung habe ich noch nichts wahrgenommen, wie man den ärmsten Menschen, die in finanziell prekärer Lage sind, geholfen wird. Dass jede/r selbst verantwortlich zeichnet für seinen Lebensunterhalt, ja, stimmt auch bis zu einer gewissen Grenze, die schon lange keine Gültigkeit mehr hat. Denn in dieser Zeit, in der wir gerade leben, kann niemand mehr etwas dazutun, die Situation, die Lebenslage gänzlich umzudrehen.
Noch einen dritten Job annehmen, die Heizung und das Warmwasser gänzlich abstellen und nur noch kalt duschen und sich warm anzuziehen, nur noch 1 Handy anzumelden und auf das 2. Handy ganz zu verzichten, nur noch Nudeln oder Kartoffeln mit Soße zu essen, keine Kleidung mehr zu kaufen, wenn auch kaputt oder verschlissen, die Schuhe zum 4. mal kleben zu lassen, die Waschmaschine durch kalte Handwäsche zu ersetzen, all das sind Äußerungen und „Vorschläge“ unserer „Elite“ (Politik und Gesellschaft), die allesamt wirklich entbehrlich wären. Wer schnell und direkt hilft, hilft doppelt, und viele Menschen brauchen schon Hilfe, und viele Menschen werden auch künftig schnelle Hilfe dringend benötigen, vor allem alte und gebrechliche Menschen.
BITTE liebe Leute, ich bitte Euch ja auch immer beim Thema Armut und Obdachlosigkeit nicht wegzuschauen, zu helfen und unsere Mitmenschen als das zu sehen, was sie sind, MENSCHEN!
Hier nun ein Auszug über das drängende Thema Armut und die Fakten und Zahlen dazu:
ARMUT IN ÖSTERREICH
Erwerbslos, krank, alleinerziehend, working poor
ARM IST NICHT NUR, WER IN PAPPSCHACHTELN AM BAHNHOF ÜBERNACHTEN ODER DIE TAGE AUF PARKBÄNKEN VERBRINGEN MUSS, SONDERN ARM IST, WER AM ALLTAGSLEBEN NICHT TEILNEHMEN KANN.
Die Statistik spricht von Armut und sozialer Ausgrenzung, wenn geringes Einkommen auch mit Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen verbunden ist.
Als Einkommensarmutsschwelle werden 60% des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens definiert: das sind derzeit 1.328 Euro für einen Einpersonenhaushalt (EU-SILC 2020 - Stand 2021). Die meisten Einkommen armer Menschen liegen allerdings weit unter dieser Schwelle, so haben rund 300.000 Menschen nicht mehr als 600 Euro zur Verfügung.
Einschränkung in zentralen Lebensbereichen heißt: Die Betroffenen können abgetragene Kleidung nicht ersetzen, die Wohnung nicht angemessen warm halten, geschweige denn unerwartete Ausgaben tätigen. Außerdem sind arme Menschen häufiger krank und leben oft in überbelegten, feuchten, schimmligen Wohnungen, weil beispielsweise das Geld für eine Wohnraumsanierung fehlt.
ARMUT:
… erwerbslos, alleinerziehend, working poor
233 000 Menschen (2,7% der Wohnbevölkerung) in Österreich sind von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen (Stand 2021) – Sie sind "erheblich materiell depriviert", haben neben einem niedrigen Einkommen auch Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen (z.B. Bildung, Wohnung, Begleitung).
Frauen sind dabei stärker als Männer betroffen. Ein Viertel der Armutsbetroffenen sind Kinder. Ihre Eltern sind erwerbslos, alleinerziehend oder haben Jobs, von denen sie nicht leben können.
Ein Drittel der Betroffenen schafft es nicht, den Teufelskreis von Armut und sozialer Ausgrenzung zu durchbrechen. Die Hälfte aller manifest armen Personen ist dieser Situation länger als ein Jahr ausgesetzt.
… kann jede/n von uns treffen
Das Risiko durch soziale Netze zu fallen ist gestiegen und wird auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise weiterhin ansteigen – Armut kann somit jede/n von uns treffen. Über 1,2 Mio. Menschen (13,9%) haben ein Einkommen unter der Armutsgrenze.
… macht krank
Menschen, die in Armut leben, sind doppelt so oft krank wie Nicht-Arme. Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen. Von Armut betroffene Menschen können sich in vielen Fällen nicht dieselbe medizinische Versorgung leisten, wie Personen, die nicht in Armut leben.
... macht Stress
Die Miete nicht pünktlich zahlen zu können, nicht zu wissen, wie das Geld für den Schulausflug der Kinder aufgetrieben werden kann, keinen oder einen schlecht bezahlten Job zu haben, macht Stress und führt auf die Dauer zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Magenbeschwerden, Herzproblemen, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Kopfschmerzen etc.
… macht einsam
Wer arm ist, hat weniger freundschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte. Arme Menschen leben oft in Isolation. Beispielsweise kann fast jede/r zehnte Österreicher:in es sich nicht leisten, Freunde oder Verwandte einmal im Monat nach Hause zum Essen einzuladen.
… nimmt Zukunft
Menschen, die am Limit leben, haben geringere Aufstiegschancen. Ihre Zukunft wird von der sozialen Herkunft bestimmt. In Österreich haben Kinder armer Menschen eine schlechtere Chance auf eine gute Ausbildung – der soziale Status der Eltern beeinflusst in den meisten Fällen die Bildungs- und damit die Einkommenschancen der Kinder.
Konkret bedeutet Armut: kaum Möglichkeiten, in zentralen gesellschaftlichen Bereichen – wie Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Sozialkontakte, kulturelles Leben, Bildung – zumindest in einem Mindestmaß teilhaben zu können. Arme Menschen haben weniger Chancen im Leben.
Quellen
- www.armutskonferenz.at
- Statistik Austria: Tabellenband EU SILC 2020 (pdf)
Unser Donnerstag war am Vormittag getragen von vielen Lagertätigkeiten, vom Umräumen, umlagern, inventieren und zusammenschlichten. Viel Arbeit, aber mit so einem tollen Team schaffen wir das alles. Unsere Barbara machte für unseren Mittagstisch im Lager wieder sensationelle Haschee Knödel mit Sauerkraut, und der Tag war schon gerettet. Das großartige Miteinander im Team, im Lager, bei den Aktionen, ist für uns essenziell, an dieser Stimmung hanteln wir uns den Tag entlang und nehmen diese positive Kraft auch mit in den Verteil-Nachmittag. All die Vorbereitungen liefen wie gewohnt und wir fahren bei strahlendem Sonnenschein um 15.12Uhr Richtung Linz. Dort angekommen warten schon etwa 15 Schützlinge auf uns. Im Eilzugstempo laden wir aus und bauen alle Tische auf, logistisch ordnen wir all die Boxen wie gewohnt auf den Tischen an und im Nu ist es 16Uhr. Ausgabebeginn!
Barbara kommt bald schon mit dem Schicksal einer Frau zu mir, die heute zum ersten Mal bei unserem Verteil-Donnerstag ist. Ihre Wohnung ist abgebrannt, sie wurde dadurch obdachlos und fand sich in der Notschlafstelle wieder. Eine Wende im Leben eines Menschen, auf die, so glaube ich, jede/r verzichten kann. Die Frau ist 56 Jahre alt, krank und gebrechlich und, mittellos. Sie kann sich bei unserem Bus natürlich Lebensmittel und Hygieneartikel holen, und wir haben auch einen Plan B für die Frau. In unserer von der GWG angemieteten kleinen 36m² Wohnung, lebt zurzeit Rudi, 76 Jahre alt und von der Freundin, nachdem diese sein Erbe (2007) von etwa €400.000,- gänzlich durchgebracht hat, vor die Tür gesetzt. Rudi war von heute auf morgen obdachlos und verbrachte 4 Nächte am Terminal in Linz, wo ich ihn aufgestöbert habe. Wir bekommen nun mit 1.12.2022 eine weitere kleine Wohnung von der GWG zugeteilt, die wir zuerst einrichten müssen, um dann einen Menschen für maximal 6 Monate dort einziehen zu lassen. In diesen 6 Monaten müssen wir gemeinsam eine weitere Bleibe finden, um dem nächsten Obdachlosen die Chance auf ein Leben abseits der Straße zu geben. Und in dieser 2. Wohnung werden wir Gabriele die Chance geben, sich von der Situation zu erholen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wir müssen zuerst die Wohnung mit gebrauchten Möbeln einrichten und alles so aufzubereiten, dass man dort leben kann.
Keine 10 Minuten später kommt eine Frau auf mich zu, die schon ein paar Mal bei unserem Bus war, um sich Lebensmittel zu holen. Sie bittet um ein Gespräch mit mir. Abseits hole ich auch Barbara zu uns. Die Frau erzählt, sie habe noch eine kleine Wohnung, ihre 17-jährige Tochter wollte sich vor 14 Tagen umbringen, indem sie aus dem 2. Stock sprang und die nun verletzt zuhause liegt. Eine hohe sofortige Nachzahlung der Fernwärme über € 1700,- macht ihr große Probleme und Sorgen. Sie bekommt nur eine kleine Pension (unter €550,-) und weiß nicht, wie sie das bezahlen soll, es droht die Delogierung, wenn die Miete und die Betriebskosten nicht pünktlich bezahlt werden. Der Vermieter ist hier leider zu keinen besonderen Zahlungsvereinbarungen oder Terminverhandlungen bereit. Wir werden im Vorstand nochmal darüber reden, wie wir dieser Frau, die aufgelöst und weinend vor uns stand, helfen können. Wir werden helfen, das ist versprochen, aber in welchem Umfang, müssen wir im Vorstand noch abklären. Barbara versucht die Frau zu trösten, sie zittert, weint und hat jetzt wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer. Wir sagten ihr noch, dass sie nächste Woche alle Unterlagen mitnehmen muss, wo ersichtlich ist, welche Probleme sie genau hat.
Von den beiden Frauen gehe ich etwas abseits, um für mich die Situation und meinen zugeschnürten Hals aufzulösen. Leider gelingt es mir nicht, das alles auf die nötige Distanz zu halten, es schlägt durch, mitten ins Herz. Der Verteil-Donnerstag läuft sonst ruhig und gesittet ab. Einige EU-Bürger ohne Aufenthaltserlaubnis mischen sich in unsere Warteschlange, die wir aber alle aufklären, dass wir sie nicht mit Spenden versorgen dürfen, weil sie illegal hier sind. Wir würden uns strafbar machen, wenn wir diese Menschen versorgen würden, und gegen Gesetze können wir und wollen wir keinesfalls verstoßen. Wir geben aber allen eine Adresse mit, wo sie hingehen können, um versorgt zu werden.
Langsam geht der Verteil-Donnerstag dem Ende entgegen, alles wird in den Bus geräumt und fest verzurrt, und ich versuche, die eindringliche Nähe der heute erfahrenen Schicksale, hier in Linz zu lassen und nicht mitzunehmen, was mir nicht einmal im Ansatz gelingt. Im Lager räumen wir im Eilzugstempo wieder den Bus aus und genießen nochmal Barbaras restliche Haschee Knödel, die jetzt aufgewärmt noch viel besser schmecken. Und anschließend gibt es noch eine selbst gemachte Kaffeetorte von unserer Beate. Uns geht’s gut, Wahnsinn. Das tolle Zusammensein und nochmal den Tag Revue passieren zu lassen, tut uns allen sehr gut.
Vielen, lieben Dank an unsere Spender: innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag abhalten und den Menschen mit dem Nötigsten aushelfen durften. Zu helfen ist so immens wichtig, besonders in Zeiten wo der Sozialstaat mit seinen „Hilfen“ schon an die Grenze gestoßen ist und die Menschen faktisch alleine dastehen und zusehen müssen, wie sie überleben können. Traurig, und eines reichen Österreichs beschämend.