Unsere Linz-Tour bei klirrender Kälte!
Die Spendenannahme vom Vormittag war getragen von vielen Hoffnungen, einigen Erwartungen
In meinem Posting vom Verteil-Donnerstag berichtete ich Euch von Stefan, dem Obdachlosen vom Pichlingersee, der völlig ungeschützt mit seinen 2 Hunden auf einer Parkbank den Wetterkapriolen trotzt. Für Stefan baten wir um Power-Banks, damit er sein Handy aufladen kann, wir baten um Mäntelchen für seine Hunde, damit auch sie es ein wenig „wärmer“ haben. Nun, Spender brachten uns am Vormittag 2 neue Powerbanks, die ich sofort aufgeladen und wieder verpackt habe. Eine neue Stirnlampe habe ich ebenfalls aufgeladen und für ihn eingepackt, die kann er künftig mit der Power-Bank aufladen, also ist er nie wieder im Dunklen. Was noch gebraucht wird entnehmt bitte dem separaten Posting heute in Bezug auf Stefan. Da gibt es grandiose Neuigkeiten.Die Tour war wieder geplant ab 18 Uhr, Abfahrt von der Metro in Linz, mit dabei heute unsere Brigitta. Wir legen los, und kommen aber noch bald genug drauf, dass wir den Rollmeter vergessen haben, um die Hunde abzumessen, also zurück nach Hause, Rollmeter einpacken und ab geht’s zum Pichlingersee, zu Stefan. Es ist stockdunkel und ich sehe Stefan schon von weitem durch den Rückspiegel, da wir rückwärts dem Weg entlang fahren. Stefan bedankt sich wieder gefühlte 20-mal für unser Kommen, Ich gebe ihm die Power-Bank und die Stirnlampe, die er sofort ausprobiert. Auch die mitgebrachten Lebensmittel händige ich ihm aus und erzähle ihm von einem Anruf, der mich kurz vor Abfahrt erreichte.
Eventuell gäbe es für Stefan bei einer langjährigen Spenderin ein Zimmer bzw. eine beheizte Gartenhütte, wo er die nächsten Monate bleiben könnte. Gerti hat mich angerufen und mir/uns dieses tolle Angebot gemacht, dass sie Stefan gerne kostenlos bei sich (in einer separaten Wohnung) wohnen lässt. Diese Nachricht zaubert Stefan ein paar kleine Tränen in die Augen und mir einen Gänsehautschauer, dass ich es kaum beschreiben kann. Er umarmt Biggi und mich und bedankt sich sehr, sehr oft. Aber nicht zu übermütig, wir müssen zusehen, dass alles geordnet abläuft, Stefan sich auch bei Gerti an die „Hausordnung“ hält: „Mah Walter, du bist a Wahnsinn, wie hast denn das wieder gemacht“ kam von Stefan. Lieber Stefan, ich habe hier fast gar nichts getan, Gerti las mein Posting vom Donnerstag und hielt Rücksprache mit ihrem Sohn und die beiden entschieden dann, dich aufzunehmen. Die mitgebrachten Skihosen sind viel zu klein, Stefan friert trotz 4 Jogginghosen, verständlich, es hat um 18.30 Uhr grade einmal -3,5°, und ein Blick auf Stefans Hunde offenbart dann das gesamte Elend, nass und verängstigt, bellend begleiten sie unser Gespräch mit Stefan. Ein großer Dank geht hier an Fritz, der mich letzten Montag kontaktierte und mir von Stefan erzählte, sonst wüsste ich vermutlich heute noch nichts von Stefan. Fritz war es der alles in Bewegung setzte, großen Dank dafür. Hier wird in Kürze ein eigenes Posting erscheinen zum Thema Stefan. Er bedankt sich bei allen Spendern herzlichst für alles, was ihr in dieser kurzen Zeit für ihn getan habt. Vergelt's Gott!
Vom Pichlingersee geht es schnurstracks zum Bahnhof, es ist schon 19.20 Uhr, wir sind etwas spät dran, aber egal. Zuerst aufs WC im Bahnhof, dann schauen wir gleich in der Tiefgarage nach und werden fündig. Am Aufgang zum Terminal finden wir einen 2. Obdachlosen, den ich bisher nicht kannte. Wir nehmen beide in den Schlepptau und gehen Richtung Transporter, auf dem Weg dahin treffen wir R., den 14-jährigen Jungen, bei dem Alkohol und Drogen an der Tagesordnung sind, eigentlich ein Fall für die geschlossene Kinderpsychiatrie, aber ich bin weder Arzt noch Richter. Es sind am eisigen Terminal alle Bänke besetzt bzw. belegt. M., ein Bekannter der beim RK als Sanitäter mitfährt, erzählte mir, dass letzte Nacht der Ungar vom C-Portal eingeliefert wurde. Ich suche ihn am Terminal, finde ihn nicht, aber alle sagen der war 1 Stunde nach dem Einsatz am Terminal wieder dort. Wir kümmern uns um all die Schützlinge, die unseren Bus umkreisen. Es sind insgesamt 18 hier beim Bus, und einige sitzen noch auf ihren Plätzen, haben uns noch gar nicht gesichtet. Heute sind mindestens 5 Obdachlose hier, die ich vorher noch nie sah. Auch Elvisa sehe ich nach langer Zeit heute wieder einmal, gottseidank. Wir wussten ja nicht, wo sie geblieben ist, wo sie schläft usw.. Der Obdachlose aus der Tiefgarage braucht einen Schlafsack und eine Isomatte, auch in der Tiefgarage ist der Boden eiskalt und hart, bekommt er natürlich.
Unser „Long John Hansi“ fragt nach seiner Jogginghose nach, die ich daheim frisch gewaschen, aufgehängt habe und die er am kommenden Donnerstag bekommt. Für alle gibt es Tomaten- und Thunfischdosen, Eckerlkäse, 3 Paar Cabanossi, Cola, Mineralwasser, neue Socken und neue Unterwäsche, einige benötigen dringend warme Winterjacken und Winterschuhe. Wir haben auch wieder unseren viel gelobten Tee mit, 8 Liter haben wir gebraut, und der ist sehr beliebt. Alle wollen einen 2. Bzw. 3. Becher heißen Tee, jeder fragt nach etwas anderem nach, Jetons, Decke, Schlafsäcke, Isomatten, Winterjacken, Schuhe, Socken, Unterwäsche, Thermowäsche, Hauben, Handschuhe, Getränke, Lebensmittel, Süßigkeiten, es wird nach allem gefragt was wir mithaben. Es ist etwas chaotisch, wenn so viele Schützlinge durcheinanderreden und alle Anfragen an 1 Person gehen, unmöglich hier noch zuzuhören. Als dann jede/r alles hatte, was gebraucht war, hatte ich noch eine Überraschung für unsere Schützlinge. Da wir zu Weihnachten viele, viele Gutscheine für unsere Schützlinge bekamen, z.B. von Spar, von Hofer, BIPA, McDonald’s uvam., teilten wir heute an jede/n unserer Schützlinge einen Gutschein aus, €10,- Hofer, €10,- Spar, €15,- McDonald’s, die Augen leuchteten um die Wette und einige tauschten dann Hofer gegen Spar oder umgekehrt, war nicht nur für unsere Schützlinge ein schönes Geschenk, die Freude in den Gesichtern war für uns ein großartiges Geschenk.
R., der 14-jährige Junge steht auch bei uns und hätte natürlich auch gerne einen, ich stehe in einem großen Gewissenskonflikt, gebe ich ihm einen Gutschein kauft er vielleicht wieder Alkohol, was ich absolut nicht machen kann und nicht machen werde. Ich sagte R., wenn er Hunger hat, gehe ich mit ihm zum Spar am Bahnhof und kaufe ihm was zu essen und trinken, was er mit einem „müden“ Lächeln quittierte. Elvisa ist auch hier, ich nehme sie in den Arm und frage nach, wie’s ihr geht: „Ich muss brav werden, darf keinen Blödsinn mehr machen, sonst sperren sie mich ein“, ich rede ihr gut zu, dass dauernd schlimm zu sein, ohnehin keine Option im Leben sei, sie lächelt mich an und fragt mich: „Bist du denn immer brav?“, lächelnd und schweigend drehe ich mich den Rufen nach mir, um.
Bitte noch Tee, OK, einen noch, den Rest brauchen wir für die anderen, ist nicht mehr viel übrig. Nachdem wir alle Becher nochmal anfüllten, stiegen wir ins Auto und wollten losfahren, plötzlich kommt Roman, der gerade 4 Monate absitzen musste, über die Straße und bittet uns auch um Lebensmittel. Er erzählt uns, dass alle seine Sachen gestohlen bzw. entsorgt wurden, mitsamt allen Papieren. Auch Roman bekommt alles was er braucht, dann legen wir aber wirklich los.
Es ist mittlerweile 21.15 Uhr, ab zum Dom, zu Tana und Peter, Peter liegt nackt unter seiner Plane, Biggi bringt ihm ein Sackerl voller Lebensmittel und Tana würde sich riesig über Knabbereien freuen. Natürlich sind diese Wünsche, so sie erfüllbar sind, Verpflichtung. Nächste Station ist Florian, er geht mit zum Bus und bittet um Handschuhe, Jogginghose, Haube und Decken. Sein Camp ist nicht nur durchnässt und voller Dreck, sondern es nagt merklich an Florian: „Diese Kälte ist unerträglich“, so eine Aussage machte Florian bisher noch nie und bringt mich zum Nachdenken.
Weiter geht’s zur Autobahnbrücke, zu Franziska, Emma und Gerald. Wir nehmen den heißen Tee mit hinauf, und für Gerald ein paar Zigaretten, die ihm ein zauberhaftes Lächeln ins Gesicht malen. Ich habe eine Riesenfreude, weil sich Gerald so freut. Emma winselt und freut sich mindestens so sehr über das Treffen, wie wir. Es geht Emma wieder besser, aber nicht wirklich gut, Emma friert und man sieht deutlich, dass ihr der kalte Beton enorm zusetzt. „Wir brauchen heute nichts, Walter, wir haben noch so vieles von dir uns anderen Spendern“. Auch gut, wichtig für mich war, die Beiden zu sehen und zu wissen, dass es ihnen gut geht. Mit Lebensmittel und allem anderen was man so als Obdachloser dringend braucht, durch Linz zu fahren zu den Hot Spots, ist das eine, zu wissen, dass es unseren Schützlingen gut geht, das weitaus wichtigere. Zu wissen, dass alle gut versorgt sind und niemand dringend ärztliche Hilfe braucht, ist das Wichtigste für mich.
Von Franziska und Gerald fahren wir auf den Gründberg, zu Marianne und Rainer, und ich muss die Bestätigung von Hr. Leitner, dem Vermieter der Zimmer, abholen. Marianne hebt schon seit Tagen das Telefon nicht ab, und als wir am Gründberg ankommen, kommt uns Rainer schon entgegen. Er schaut aus als würde er gleich zusammenbrechen. Rainer sagt: „Es geht mir halbwegs gut“. Na dann! Wir läuten noch bei Hr. Leitner und sprechen uns ab, wie wir weiter vorgehen mit den Zimmern.
Um 22.30 Uhr brechen wir zu den beiden letzten Stationen auf, wo wir aber auch heute niemanden finden. Anschließend bringen wir alles ins Lager und lagern alles wieder ein für die nächste Linz-Tour. Ich setze Biggi um 23.30 Uhr wieder bei der Metro ab, und fahre heim.
Lange noch werde ich heute nachdenken, in dieser so trostlosen Nacht. -5° als ich das Licht meines Wohnzimmers abschalte und hoffe, einschlafen zu können. Viele Eindrücke heute plagen mich schon jetzt, wo ich noch wach bin, wie wird dann erst die Nacht werden? Ich lege meinen Fokus auf Stefan, für den hoffentlich das Leben eine Wandlung nimmt.
Euch lieben Dank für Eure Aufmerksamkeit und eure Unterstützung, egal ob durch Spenden oder moralisch stärkend, jede „Spende“ ist wichtig und herzlichst willkommen. Euch noch einen schönen, erholsamen Sonntagabend und alles liebe. :-)