Verzweiflung pur!
Der 1. Advent...
...steht vor der Tür, für viele Menschen war immer die Advents- und Weihnachtszeit die schönste Zeit des Jahres und freuten sich das ganze Jahr auf diese Zeit. Heuer, so hören und sehen wir es, wird es für viele Familien kein Weihnachten geben, die schon übermittelten Teuerungen und Kostenexplosionen lassen es teilweise nicht mehr zu, wenn überhaupt noch ein Weihnachtsgeschenk möglich ist, bleibt es bei diesem einen Geschenk. Viele aber können sich jetzt schon all die Preisexplosionen nicht mehr leisten. Miete und Betriebskosten, Energiepreise wie Fernwärme, Gas, Sprit und nicht zuletzt Brennstoffe wie z.B. Holz, die durch die Decke gehen. Jeder Anbieter bzw. Verkäufer nimmt diese Möglichkeiten wahr, um auf absolut unanständige Art große Kasse zu machen. Beispiel? Markthirschen wie die OMV, die machen können was sie wollen und seit Monaten auf die fallenden Preise an den Börsen nur in eine Richtung gehen, nämlich stark nach oben.
Dieser 1. Advent wird heute vielen Familien weh tun, weil es so typisch zeigt, in welcher Welt wir leben. Man kann das Glas halbvoll oder halbleer sehen, ich bin vom Grunde her tief im Herzen ein Optimist und glaube auch noch naiverweise an das Gute im Menschen, doch wie ich das in dieser Zeit und in Zukunft schaffen soll, ist mir heute ein Rätsel. Das Glas ist heuer tatsächlich halb leer. Ein halbvolles Glas trinkt man bis zur Neige aus, bevor man es nachfüllt, ein halbleeres Glas befüllt man früher wieder, um immer genug vor sich zu haben, den Durst zu löschen. Dieses halbleere Glas hält vielen Menschen vor Augen, dass sie sich anstrengen müssen, für das Kommende, seien es die erneuten Anhebungen oder die Nachzahlungen und Abrechnungen 2023. Wenn Menschen finanziell so in die Ecke gedrängt werden, wie es zurzeit stattfindet, gehen Abgründe auf, wirken Existenzängste und Panikattacken doppelt schwer. Aber, interessiert es überhaupt jemanden in der Politik, was Menschen gerade durchmachen? Ich habe das Gefühl, dass sich die Verantwortlichen seit Monaten nur wegducken und die Menschen mit all ihren Problemen alleine stehen lassen, mit all den Kosten und Umständen. Der „Klimabonus“ war als Einmalzahlung gut, um die Lebensmittelkosten und Spritpreise bewältigen zu können, aber soll das alles gewesen sein? Die Strompreise die bis 2900Kw/h gedeckelt werden, wurden aber trotzdem im Grundpreis angehoben.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
Wien, 07. November 2022 – Der österreichische Strompreisindex (ÖSPI) steigt im Dezember 2022 gegenüber dem Vormonat um 7,6 %. Im Vergleich zum Dezember des Vorjahres 2021 liegt der ÖSPI um 336,6 % höher. Bezogen auf das Basisjahr (2006 = 100) erreicht der von der österreichischen Energieagentur errechnete Index im Dezember 2022 einen Stand von 649,1 Punkten.
Der Grundlastpreis (660,44 Indexpunkte) steigt gegenüber dem Vormonat um 6,5 %. Im Jahresvergleich steigt er um 321,8 %. Der Spitzenlastpreis (624,98 Indexpunkte) weist im Monatsvergleich ein Plus von 10,1 % und im Jahresvergleich ein Plus von 374,1 % auf.
Quelle: https://www.energyagency.at/fakten/strompreisindex
Wie sollen die Menschen solche „Gewinnoptimierungen“, und nichts anderes sind diese Preiserhöhungen, noch schaffen können? Und wir reden hier noch nicht einmal vom Gaspreis oder der Anhebung bei Fernwärme. Im Auge des verständigen Betrachters ist das reinster Hohn und Verspottung, was seit Monaten passiert. Dass viele Menschen angesichts dieser exorbitanten „Anpassungen“ kein Ohr für „Stille Nacht“ haben, ist auch mehr als verständlich. Nur, wie geht’s weiter? Die „Systemrelevanten“ Geldmaschinen werden auch 2023 und 2024 auf Hochtouren Kasse machen, ohne jeglichen Gewissen und ohne jeden Anstand. Egal in welchen Höhen der Bund hier mitkassiert, 40%, 50% oder noch höher, die Menschen sind nicht dumm, sie wissen um diese Abzocke, nur, sich dagegen zur Wehr setzen und auf die Straße zu gehen, schaffen viele nicht unter dem Vorwand: „Was soll das Bringen“. Wenn man die Politik immerzu machen lässt, was sie glaubt, dann werden diese Sprachlosigkeiten während der Pandemie oder jene, die gerade auf uns hereinbrechen, nicht mehr verarbeitet und man beginnt zu resignieren. Nur, Resignation ist kein guter „Berater“, eine kritische Meinungsäußerung der Entwicklung gegenüber ist immer mehr als angebracht. Sein Wort, egal wo, zu erheben ist ein Recht in der Demokratie, wenn aber dazu die Möglichkeiten schwinden, weil Politik Einfluss auf die Presse nimmt und diktiert was diese zu tun hat, wird es hoffentlich zu Alternativen kommen, die sich die Menschen einfallen lassen.
Angesichts der Möglichkeiten vieler Familien werden heuer weder Adventkranz noch Weihnachtsbaum das Wohnzimmer aufhübschen, und bei diesen Strompreisen werden es sich viele Familien nicht leisten können, Kekse zu backen, von den Preisen für die Zutaten rede ich jetzt noch gar nicht. Die Menschen werden mit ihren großen Problemen lieber im Regen stehen gelassen, als dass man halbwegs geh bare Lösungen anbietet. Das Interesse der Politik, den Menschen die Ängste zu nehmen, hält sich schon sehr in Grenzen. Mehr möchte ich auf das Verhalten unserer Politik zurzeit gar nicht eingehen, weil mir sonst die Hutschnur hochgehen würde. Es wird ein „kaltes“ Weihnachten, für Kinder, für ganze Familien und für die Menschen am Rande der Gesellschaft, die wieder einmal vergessen werden.
Durch all die Teuerungen sind auch unsere Spendeneingänge massiv eingebrochen, wir mussten einigen Obdachlosen-Einrichtungen schon eine Nachricht über unsere „Kürzungen“ schreiben, was manche dann auf diese Weise beantworten, Zitat: „Wenn die Einrichtung „XXX“ keine Spenden mehr bekommt, brauchen auch wir nichts mehr von Euch“. Sprachlosigkeit über so eine freche Antwort aus dem Salzkammergut bzw. Hausruckviertel, die wir schon 5 Jahre mit Spenden in einem immensen Gegenwert versorgen. Wir mussten im Vorstand entscheiden, welche Einrichtungen wir künftig noch beliefern mit Spenden, da kam heraus, dass wir einige Einrichtungen nicht mehr beliefern können. Zum Beispiel ist hier die Stadt Salzburg mit allen 5 Obdachlosen-Einrichtungen ganz herausgefallen, diese beliefern wir bis auf Weiteres nicht mehr. Sollte sich der Spendenfluß wieder einstellen, werden wir eine neuerliche Entscheidung treffen. In vielen Einrichtungen kam es bisher noch nicht an, dass auch wir daran leiden, seit Monaten ungewohnt wenig Spenden zu bekommen. Wenn man dann eine Erklärung abgibt und so eine Antwort wie oben bekommt, zweifelt man schon sehr, ob das alles richtig war, was wir in der Vergangenheit an Hilfe leisteten. Der Grund warum diese Einrichtung, ein Sozialmarkt, aus unserer Liste fiel, ist dem Umstand geschuldet, dass wir keine Sozialmärkte beliefern, die Eure Spenden verkaufen. Das lassen wir nicht zu, dass aus den Spenden Geld generiert wird, und wir nicht wissen, wo das Geld landet. In der Vergangenheit wurden die Spenden dort kostenlos an die Menschen weitergegeben. Die neuerlichen Umstrukturierungen dort wurden uns nicht kommuniziert, und da sich ein wesentlicher Punkt in den Vereinbarungen geändert hat, haben wir uns dazu entschlossen diese Einrichtung nicht mehr zu beliefern. Und wenn dann diesbezüglich wenig bis kein Einsehen vorhanden ist, wird es auch für uns schwierig. Ein Telefonat morgen, Montag wird uns zeigen, wie der Vorstand reagiert, es kann gut sein, dass auch die zugehörige Notschlafstelle keine Spenden mehr von uns möchte, aber auch dann werden wir kein schlechtes Gewissen haben, weil wir nichts falsch gemacht haben und wir immer sagten: „Solange wir können, beliefern wir die Einrichtungen, wenn der Spendenfluß abreißt, müssen wir überlegen was wir noch machen können“, und das ist jetzt passiert. Einsicht aber sieht anders aus. Wenn ich heute eine Abmachung eingehe mit jemanden und die Umstände ändern sich, muss ich doch als erstes den „Partner“, mit dem ich diese Abmachung getroffen habe, über alle Änderungen informieren, und das geschah hier nicht. Leider.
Unser Verteil-Donnerstag begann wie immer, am Vormittag im Lager, mit allen Vorbereitungen. Diesmal hatten wir viele Extrasachen dabei, die uns von Speditionen gespendet wurden, Heringsfilets und Streichkäse, den wir gesondert in Boxen geben müssen. Wir bereiten auch wieder Wurstsemmeln und Wurstbrote für den Nachmittag vor. Unsere Barbara hat für heute Mittag ein tolles Gulasch für unser Team gezaubert, vielen lieben Dank dafür. So geht die Arbeit doch gleich viel leichter von der Hand.
Nachmittags um 15 Uhr, nachdem wir alles neu verpackt und eingeladen haben, brechen wir auf nach Linz. Bei 4° fahren wir und hoffen, dass es wenigstens trocken bleibt. Bei Ankunft sind schon etwa 20 Bedürftige da und warten schon auf unsere Ausgabe. Am Ende werden es heute 103 (!!!) Menschen sein, die sich heute Lebensmittel und Hygieneartikel bei uns holen. 103 Menschen, die zum großen Teil nicht wissen, was in naher Zukunft auf sie zukommt und deshalb in einer absolut zermürbenden Situation sind. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird, aber man erahnt, was die nahe Zukunft NICHT bringen wird, nämlich dringend notwendige Entlastungen für die Menschen. In vielen Gesichtern, an den Mimiken erkennt man die Situation, da braucht man nicht erst nachzufragen, wie es einem geht, das sieht man deutlich, dass es unseren Schützlingen nicht gut geht.
Wir laden aus und bauen alles auf, dabei hilft uns auch heute Mario, der auch heute wieder 2 Helferinnen mitbrachte, seine Mutter und eine Bekannte, wir sind über jede helfende Hand glücklich. Über den Anwuchs der Warteschlange ist heute jeder erstaunt, damit haben wir heute nicht gerechnet. Aber wir schaffen das, wir haben NOCH für jede/n etwas dabei. Die Kühlwaren wie Wurst oder Leberkäse, auch Käse und Würstel werden gerne angenommen, und man hört heute ausgesprochen oft „DANKE“, ihr seid spitze. Manche sagen uns auch unter 4 Augen, dass sie ohne uns nicht mehr wüssten, woher sie jetzt Lebensmittel bekämen, da im Portemonnaie schon Ebbe ist. Dass wir hier auf unsere Art und durch Eure Hilfe immer wieder helfen dürfen, ist großartig und dringend notwendig, und man sieht auch in der einen oder anderen verzweifelten Mimik ein kleines Lächeln, ich versuche Mut zuzusprechen.
Mitten in der Verteilung kommt ein junger Mann, etwa 25 Jahre auf mich zu: „Bist Du hier der Chef? Danke dass ihr das hier macht, eine tolle Aktion“, und drückt mir eine € 50,- Geldspende in die Hand. Ich bin überrascht und es zeigt wieder einmal deutlich, dass es wirklich noch Menschen gibt, die hinschauen und sich nicht umdrehen, wenn Obdachlose in der Nähe sind. Der junge Mann hatte ein Lächeln im Gesicht und quittierte mein „Danke“ mit einem „Ich habe zu danken, dass ihr das hier macht“. So eine moralische Stütze tut in dieser Zeit wirklich gut, ich komme zurzeit sehr schnell an meine Grenzen, wo ich beginne zu zweifeln, ob ich noch das Richtige mache, aber dieser junge Mann zeigt mir heute, wir müssen weitermachen, irgendwie, wir dürfen diese Menschen jetzt nicht im Stich lassen, das geht gar nicht. Ich danke diesem jungen Mann, dass er mir zeigte und sagte, wie wichtig unsere Aktion ist. Unsere Schützlinge sagen das auch oft, aber durch den täglichen Stress ordnet man oft solche Aussagen von ihnen falsch ein und tut diese als „Floskel“ ab. Was ich hier lernen muss? Dass ich alle Aussagen, auch wenn ich mit Lob nicht wirklich gut umgehen kann, gleich zu bewerten habe und jeder Aussage gleich viel Gewicht schenken muss, und dass es mir nicht zusteht, eine Aussage wichtiger als die gleiche von jemand anderen, als weniger wichtig zu gewichten. Das hatte ich heute wieder einmal zu begreifen!
Mario steht beim Gebäck und gibt dieses an unsere Schützlinge aus, er zeigt mir zwischendurch den Flyer, den er gestaltete, für den Vortrag in Kürze. In Walding wird es am 11.12.2022 um 10 Uhr im Gasthaus Bergmayr einen Vortrag bzw. eine Präsentation über uns und über das Thema Armut/Obdachlosigkeit geben. Mario ist es wichtig, das Problem publik zu machen, er meint: „Viele Menschen sind in einer Blase und wissen um diese Problematik gar nicht“. Ja, lieber Mario, das werden wir gemeinsam ändern, wir fangen mit diesem Vortrag an. Danke für deine Unterstützung, dass wir hier diese Probleme ansprechen dürfen. Mario ist beeindruckt, wie viele Schützlinge heute zu uns kommen, und vor allem, dass man es den meisten nicht ansieht, dass sie obdachlos sind.
Die Warteschlange reißt nicht ab, 17.30Uhr und die Schlange geht immer noch bis ganz nach hinten. Die Stimmung in der Warteschlange ist stark getrübt, ruhig und gesittet, unser Team reagiert wie immer professionell, begegnet allen Menschen mit Wertschätzung und Respekt, alle bekommen, was sie brauchen, hier eine warme Winterjacke, dort ein neues Paar Schuhe, neue Unterwäsche und neue Socken, Lebensmittel und Hygieneartikel für die ganze bevorstehende Woche. Ich kaufe ja jede Woche Obst und Gemüse für diesen Verteil-Donnerstag ein, um den Menschen wenigstens einmal in der Woche ein paar Vitamine zu schenken, viele hier könnten sich weder Äpfel noch Bananen kaufen, oder eine Gurke bzw. ein paar Karotten, das ist wichtig für die Menschen, nur, auch hier sind die Preise immens angestiegen, und ich kann heute noch nicht sagen, wie lange wir das noch schaffen. Wenn sich unsere Schützlinge durch den engen Gang durchwuzeln, glänzen ihre Augen und alle sind glücklich über die Spenden, die sie sich zu diesem Zeitpunkt, nämlich fast Monatsende, nicht mehr kaufen könnten. Sie danken es uns immer wieder, mit Dankestränen, mit Dankesbekundungen und mit Umarmungen. Hier noch irgendeinen „Abstand“ einzuhalten, wäre menschlich gar nicht möglich.
Um 18Uhr wird alles schnell eingeräumt und ab geht’s durch die Mitte, nach Ansfelden ins Lager. Mit all den Eindrücken und der Anzahl der heutigen Besucher fahre ich still durch die schon montierte Weihnachtsbeleuchtung und kann nur kopfschüttelnd ob der Energiepreise so eine Verschwendung der Energie in mein Nirvana schicken. Ich darf nicht weiter über solche Dinge nachdenken, sonst zerreißt es mich. Genauso wie die Tatsache, dass am Hauptplatz jetzt für Einrichtungen Spenden gesammelt werden, die dann verkauft werden, und nicht nur an arme Menschen verkauft werden, sondern an jede/n der das möchte. Es werden 2 Fußballstadien in Linz gebaut und hier „bittet“ man um Spenden? Das fühlt sich nicht richtig an. Ich sage jetzt nichts mehr dazu, sonst wird mir noch „Neid“ unterstellt. Nein, ich bin weder neidig noch geizig, aber so etwas macht man doch nicht, oder seid ihr da anderer Meinung? Bitte schreibt mir eure Meinung. Spenden zu verkaufen ist doch auch etwas, das man nicht macht, weil man sonst wieder rundherum enttäuschte Spender:innen sieht. Für uns käme das niemals in Frage und deshalb distanzieren wir uns von solchem Vorgehen.
Wir bedanken uns bei Euch, liebe Spender:innen und Wegbegleiter:innen, Vergelt’s Gott und habt großen Dank, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag abhalten durften. Ich wünsche Euch einen gesegneten 1. Advent, eine stille Zeit und viel Wärme im Herzen.