Wer macht so etwas widerliches?
Die Vorzeichen...
...für den heutigen Verteil-Donnerstag standen auf eine hohe Besucheranzahl, auf diverse markante Probleme bei der Einforderung der Einkommensnachweise und auf Mangel an Helferleins. Da sich gegen Ende des Monats immer die Besucheranzahl erhöht, weil dann auch diejenigen zu uns kommen, die ein kleines Einkommen haben, aber sich keine Lebensmittel mehr leisten können, wissen wir aus der Praxis, dass oft weit über 100 Menschen in diesem Teil des Monats zu unserem Bus kommen und sich Lebensmittel holen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr haben.
Letzte Woche war ein junger Mann bei uns, der massive Probleme hat mit dem AMS, da ihm alle Leistungen gestrichen wurden, weil er eine Mail übersah und sich bei der vorgeschlagenen Firma nicht vorstellen ging. Das geht oft schnell, das habe ich selbst bei manchem Schützling, den wir unterstützten, gesehen, da braucht es nicht viel, um diese Mails versehentlich zu löschen oder zu übersehen. Die Konsequenz ist eben die Einstellung der Leistung, beim 2. Mal wird man dann auch die Krankenversicherung eingestellt und für 3 Monate von allen Leistungen ausgesperrt. Und hier nützt es relativ wenig, wenn man es aufklären kann, die Einstellung der Leistung wird nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zurückgenommen. Dieser junge Mann muss schnellstens seinen Mietanteil in der WG bezahlen, sonst landet er umgehend auf der Straße. Wir helfen ihm dabei, seinen Teil der Miete zu bezahlen, weil wir wissen, wenn er einmal delogiert wurde und auf der Straße aufschlägt, kommt er nicht wieder oder nur sehr schwer zurück ins System. Prävention ist hier extrem wichtig, und somit zahlen wir einmalig, nach Überprüfung der Unterlagen, seinen Mietanteil ein. Er kommt heute zu uns und ist überglücklich und erleichtert, er hat große Angst, dass er obdachlos wird. Der Bursche ist 22 Jahre jung und hat außer die sehr bescheidene Seite des Lebens, noch nicht viel anderes gesehen.
Ich habe Euch vor einigen Wochen von der Mutter berichtet, deren Tochter einen Suizidversuch machte, aus Verzweiflung über die familiäre, finanzielle Situation. Da gibt es zu berichten, dass mich ein langjähriger Spender angerufen hat und dieser Mutter (und ihrem Lebensgefährten) einen 1-wöchigen Urlaub in Tirol im Wert von über €1000,- spendete. Die Beiden brechen am 7.1.2023 per Zug nach Tirol auf und dürfen bis 14.1.2023 dort bleiben. Inklusive Halb-Pension und Wellness-Angebot. Ein wunderschönes Hotel wartet für die Familie, die schwer verletzte Tochter muss leider ab 5.1.2023 zur Reha fahren, sonst wäre diese tolle Spende ja für Mutter und Tochter ausgelegt gewesen.
Wir nehmen auch heute Nachmittag nochmal Weihnachtsgeschenke mit, da letzte Woche ja nicht alle bei uns waren und wir heute mit vielen rechnen, die noch kein Geschenk bekamen. Wir nehmen heute nochmal 60 Männergeschenke und 3 Frauengeschenke mit, um wirklich genug Geschenke zu haben, für alle. Die leuchtenden Augen als wir unseren Schützlingen die Geschenke aushändigten, waren schon sehr, sehr schön, manchmal war auch die eine oder andere Träne dabei, aber dankbar, waren sie alle sehr.
Der Verteil-Donnerstag beginnt diesmal mit einer Spendenabholung in Asten, wo wir belegte Brote und Wraps bekommen, und danach wie immer mit allen sonstigen Vorbereitungen. Heute haben wir doppelte Arbeit, da wir die Boxen vom letzten Verteil-Donnerstag noch nicht wieder aufgefüllt haben, und wir das jetzt schnellsten erledigen müssen. Einerseits hat Peter die riesengroße Spendenlieferung der Koref-Schule vorsortiert, aber noch nicht inventiert und auch nicht weggeräumt. Deshalb packen wir jetzt alle auf dieser Seite an, damit wir die teils vollen Boxen, wo wir die Donnerstagslebensmittel lagern müssen, leer bekommen und für den heutigen Nachmittag befüllen können. Es wuselt im Lager, gottseidank haben wir genug Helferleins am Vormittag, damit wir das alles zeitlich schaffen.
Zu Mittag gibt es wieder großartige Küche von Barbara und Silvia, die Grillwürstel braten und Beilagen mitbrachten für unser Team, damit wir gestärkt in den Nachmittag gehen können. Dieser Teil des Donnerstagvormittags ist immer ein sehr schöner, gemeinsam essen, vieles besprechen und einfach die tolle Stimmung genießen. Kurz vorm Mittagessen füllte ich unseren 20 Liter Teekocher mit Wasser, in der Hoffnung, dass dieses Wasser nach dem Mittagessen heiß ist und wir den Tee anrichten können. Leider sah ich viel zu spät, dass unser Wasserkocher Wasser verlor, in großer Menge. Ersatzgerät haben wir keines, aber ich erinnerte mich, dass der Hofer gerade welche im Abverkauf hat. Anruf bei Hofer Ansfelden und Nachfrage ob noch welche lagernd sind: „Ja, wir haben noch 2 Stück zum Sonderaktionspreis“, bitte reservieren, es kommt gleich jemand aus unserem Verein und holt die 2 Geräte ab. Beate hüpft in ihr Auto und holt die Geräte, damit wir vor dem Mittagessen noch Wasser einfüllen können, zum Aufheizen. Das klappte wunderbar, und wir genehmigen uns jetzt das im ganzen Lager schon gut riechende Mittagessen. Der Duft verbreitete sich im ganzen Lager, so dass alle wirklich Appetit und Hunger bekamen. Käsekrainer mit Kartoffelsalat ala Barbara & Silvia, es gibt nichts Besseres, glaubt mir.
Nach dem Essen ist auch das Teewasser heiß und wir befüllen unseren vorbereiteten Thermokessel, mit dem Wasser. 4 Packungen Teepulver sind im Kessel, gut umrühren, schmeckt hervorragend. Unser Tee ist wirklich beliebt an den Verteil-Donnerstagen. Brote belegen ersparen wir uns heute, da wir ausreichend fertige Brote heute früh bei der Abholung in Asten bekamen. Die Inventur der Koref-Schulspende ist inzwischen aufgearbeitet, und wir beginnen mit dem Einladen der befüllten Boxen in den Transporter. Seit wir unsere Donnerstagswagerl ausmusterten, müssen wir ja alles per Hand einladen, ist manchmal mühsam, aber geht schneller und wir müssen nicht zu viert sein, um den Transporter einzuräumen.
In Barbaras Auto kommen auch heute wieder die Weihnachtsgeschenke, in den Anhänger Obst und Gemüse, und in den Transporter der Rest. Heute lassen wir unsere Kühl- Gefrierkombies zuhause, wir haben genug andere Lebensmittel mit, um auch wirklich alle zu versorgen. Manche Wünsche unserer Schützlinge von letzter Woche, müssen noch delegiert werden, Handschuhe, Winterschuhe Größe 42, Winterjacke in XXXL, und das Weihnachtsgeschenk von der Tochter von Ullas Freundin, speziell für eine Frau. Mach ma!
Um 15 Uhr ist alles abfahrbereit, Rudi fährt mit mir und alle anderen mit Barbara. Beate ist schon in Linz, um uns den Platz freizuhalten. Bei Sonnenschein und +4° brechen wir auf Richtung Linz, wenig Verkehr dank der Feiertage. Bei Ankunft warten etwa 15 Schützlinge auf uns, wir stellen schnell alle Tische auf und laden die mitgebrachten Boxen aus. Wieder ist unser Sortiment nicht geschrumpft, sondern gleich groß wie in den letzten Wochen und Monaten. Wir haben eigentlich eine Verkleinerung des Angebots geplant, was aber schwer einzurichten ist. Im Nu ist alles aufgebaut, Max kommt in Linz dazu, er kommt direkt von seiner Arbeit zu unserem Verteil-Donnerstag. Unsere Brigitte laboriert immer noch an ihren Brüchen, die sie Schach-Matt setzen. Einige Helferleins fehlen auch heute, und die Geschenke werde ich heute ausgeben, da wir zu wenig Helferleins haben. Kein Beinbruch, mach ich gerne, Max hat hinten die Situation im Blick, darauf kann ich mich 100% verlassen.
Die Warteschlange wächst wieder ziemlich schnell an, die wartende Menschentraube wird größer und größer, Punkt 16 Uhr beginnen wir mit der Ausgabe, zuvor aber bei Beate anstellen, um auch heute wieder registriert zu werden oder bei Barbara, um in unser System aufgenommen zu werden. Barbara erinnert heute alle Leute, die keinen aktuellen Einkommensnachweis brachten, dazu haben sie ab heute 3 Wochen Zeit, dann gibt es nichts mehr, was wir aushändigen. In 3 Wochen muss es jedem/jeder möglich sein, von der PVA, AMS oder Magistrat bzw. Gesundheitskassa einen Einkommensnachweis zu erbringen. Wir müssen die Belege drastischer einfordern, da wir sonst immer mit Nachsicht handeln, was nicht richtig ist und was wir nicht mehr wollen. Einige Menschen haben heute die Belege mit, man sieht erste Erfolge, was uns riesig freut.
Die Warteschlange schwillt immer noch an und wir sind nicht mehr weit weg, von der Besucheranzahl von voriger Woche. Letzte Woche waren es 130-140 Menschen, heute werden es so etwa 100-110 Menschen werden, die sich bei unserem Bus anstellen und sich Lebensmittel holen müssen. Immer noch ganz schön viele Menschen, die nicht mehr über die Runden kommen und auf Hilfe angewiesen sind. Die Dankbarkeit drücken unsere Schützlinge heute wieder klar und deutlich aus: „Wenn’s Euch nicht gäbe, ich wüsste schon lange nicht mehr, was ich tun soll, ich wäre am Verzweifeln und Hungern“, nur einer der abgegebenen Kommentare. Traurig, aber wahr! Max bekommt heute noch viele solche und ähnliche Aussagen, die er mir später alle erzählt.
Ich stehe bei den Weihnachtsgeschenken und gebe diese an unsere Schützlinge aus. Unser Martin macht sein „Geschenk“ direkt neben mir auf, und es kommt ein Paar gebrauchte, ungewaschene Socken und ein zerrissenes, abgeschnittenes Bundesheer-Unterhemd zum Vorschein. Ekelig und widerlich! Wir entsorgen alles aus dem Paket und geben Martin ein Neues. Martin ist sehr enttäuscht über sein erstes Weihnachtsgeschenk, er sagt zuerst nichts, aber man sieht ihm die Enttäuschung an und meint dann doch noch: „Ich bin halt nur ein Obdachloser“. Tut ganz schön weh so ein Moment, auch für mich. Wie böse kann man eigentlich sein, dass man solche Sachen in ein Weihnachtsgeschenk verpackt? Dass Thomas später genau den gleichen Inhalt bekommen wird, wissen wir zu dieser Zeit noch gar nicht. Es ist sooo …., ich kann es gar nicht in Worte kleiden, was mir grade die Tränen in die Augen treibt. Auch Thomas bekommt ein weiteres Weihnachtsgeschenk mit einer Entschuldigung für dieses wirklich boshafte „Geschenk“. Thomas ist heute mit seinen Kindern da, er ist sehr stolz, dass die Beiden Weihnachten und Neujahr beim Papa verbringen dürfen, die Kinder bekommen natürlich auch ein Geschenk. Warum machen Meschen so etwas? Warum packt man solche Dinge in ein Weihnachtsgeschenk? Wenn man nichts schenken möchte, macht man doch erst gar nicht mit, oder sehe ich das falsch? Jedenfalls tut das richtig weh, wie manche mit unseren Schützlingen umgehen und was sie in diesen Menschen sehen, oder eben nicht sehen. Wir setzen für Jänner 2023 eine Sitzung an und werden beschließen, dass wir die Weihnachtsschuhschachtel-Aktion entweder gar nicht machen oder in abgeänderter Form, solche Frechheiten wollen wir nicht mehr erleben. Wir halten Euch am laufenden, was wir beschließen werden.
Die Stimmung in der Warteschlange ist wirklich gut, die Dunkelheit ist schon hereingebrochen und wir haben Festtagsbeleuchtung. Alle bekommen Weihnachtsgeschenke und freuen sich sichtlich sehr darüber. In vielen Familien reicht es heuer nicht einmal zu einem Geschenk, die zu erwartenden Nachzahlungen im Energiesektor werden viele Menschen über Gebühr belasten, heißt so viel wie, viele werden Miete, Betriebskosten, Strom, Gas, Fernwärme, Sprit etc. nicht mehr bezahlen können. In Gesprächen hör ich immer wieder, wie groß die Angst bei den Menschen jetzt schon ist, teilweise panikartige Existenzängste, weil sie allesamt nicht wissen, wie sie die Forderungen bezahlen sollen. Da kommt ein gesellschaftlicher Tsunami auf uns zu, liebe Leute. Noch ist der soziale Frieden nicht gekippt, aber wir sind nahe dran, wenn Menschen sich keine Lebensmittel mehr kaufen können, wenn Menschen frieren und hungern müssen, werden „Schleusen“ aufgehen, die wir uns niemals auch nur im Ansatz gewünscht hätten, liebe Leute. Da werden Menschen in die Enge getrieben und es wird nur wenig Hilfe geben, viele werden auch hier wieder durch den Rost fallen. Wir müssen zusehen, dass wir den Großteil dieser Menschen in der Gesellschaft auffangen, denn die „Alternative“ wird keine Alternative sein, sondern Kriminalität in reinster Form. Wer hungert oder friert, ist bereit zu vielem, Diebstahl, Einbruch, Raub etc.. Es wird uns als gesamte Gesellschaft fordern, hier zu helfen, denn die Politik wird’s nicht tun, das sieht man jetzt schon.
Unser Verteil-Donnerstag geht langsam dem Ende entgegen, Sr. Lydia und Petra waren heute auch hier. Petra war seit über 1 Jahr nicht mehr bei uns, sie leidet an schweren Depressionen und anderen Krankheiten, was man ihr deutlich ansieht. Sr. Lydia war auch lange nicht hier, heute freuen wir uns aber alle über diesen Besuch. Ich rede mit Petra, weil sie immer wieder zu weinen beginnt und keine Hoffnung mehr hat, ihr Leben halbwegs auf die „Reihe“ zu bekommen. Ich versuche ihr Mut zu machen, dem Alkohol abzusagen und weiter an sich zu arbeiten. Sie ist schlicht zu schwach dafür, dem Alkohol und ihrer Krankheit Paroli zu bieten. Sie schafft es nicht, noch nicht, ich wünsche von ganzem Herzen, dass Petra einen gehbaren Ausweg findet.
Es wird langsam Schluss, Werner kommt noch vorbei, der heute nüchtern ist und noch was benötigt, Andy und Markus ebenfalls. Bitte das Nächste Mal etwas früher kommen bitte, da wir um 18Uhr beginnen, abzuräumen und einzuladen. Es gibt jede Woche Nachzügler, denen es erst 5 Minuten vor 18Uhr einfällt, dass heute Donnerstag ist und sie noch Lebensmittel benötigen. Alle bekommen noch etwas und dann wird eingeladen, alle leeren Boxen, alle Tische, alle Lampen werden eingesammelt, der Anhänger angehängt und ab geht es, nach Ansfelden in unser Lager. Dort wird gemeinsam wieder alles ausgeladen und eingelagert, und anschließend wird nochmal gemeinsam gegessen, Barbara und Silvia sind grade am Brutzeln der zu Mittag übriggebliebenen Würstchen.
Am gemeinsamen Abendtisch wird nochmal reflektiert, erzählt jede/r von seinen/ihren Eindrücken, ein wirklich wunderbares „Ritual“ der Reflektion, die immens wichtig ist für uns. Oft sind es Kleinigkeiten, die wir per „Stellschraube“ aus dem Weg räumen müssen, oder manchmal auch gemeinsame Anstrengung, um Probleme zu lösen. Wir sind ein großartiges Team, das alles schaffen kann und schaffen wird, weil wir uns wunderbar ergänzen und gegenseitig helfen, anstatt die Dinge und Probleme zu zerreden.
Wir sagen auch heute wieder ein sehr dankbares VERGELT’S GOTT an all unsere Spender:innen, und an alle Wegbegleiter:innen sagen wir DANKE für die moralische Stütze. DANKE für alles, was ihr 2022 für uns getan habt, wir wünschen all unseren Lesern: innen ein gesundes, zufriedenes und glückliches neues Jahr!
Schön, dass es EUCH gibt! Wir verneigen uns in Demut vor Euch und wünschen noch erholsame Feiertage und Gottes Segen!