Erna und ihr verlorener Sohn!
Verteil-Donnerstag vom 11.3.2021: Nach einer kurzen Pause von einem Verteil-Donnerstag, waren wir heute wieder darauf getrimmt, unseren Schützlingen einen guten Tag zu bescheren. Die letzten Tage waren alles andere als leicht, wir fahren zurzeit 2-3 Mal pro Woche abends für 4-5 Stunden zusätzlich zu den Hotspots um unseren Schützlingen, die nicht am Donnerstag zu unserem Bus kommen können, Lebensmittel und andere wichtige Dinge zu bringen.
Der Tag beginnt auch an diesen Tagen, wenn wir abends nach Linz fahren, um 7Uhr früh, weil vieles zu organisieren und zu administrieren ist. Logistisch, Vereinstechnisch, Personell, finanzielle Absprachen mit unserer Kassierin Astrid, einige Vorstandsentscheidungen forcieren oder pausieren lassen, gemeinsame Entscheidungen treffen, Telefonate führen, Spendenlieferungen abfragen, Spendenbedarf abfragen, verschiedene Einrichtungen kontaktieren usw.. Viel Arbeit, jeden Tag, und wenn dann der Tag bis Mitternacht dauert draußen auf Linz‘ Straßen, ja, dann weiß man was man geleistet hat. Ich bin sehr dankbar, dass ich bei der nächtlichen Linz-Tour immer tolle Teammitglieder als Hilfe dabeihabe. Und manchmal geht so eine Tour ganz schön ans Eingemachte, heißt so viel wie, ist manchmal ganz schön kalt und anstrengend. Wenn dann noch widerliche Umstände dazukommen, kommt man heim und kann dann auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, man ist von dem ganzen Abend noch gefesselt, muss auch von uns zuerst einmal verarbeitet werden. Und passieren tut zurzeit vieles, viel außergewöhnliches, manch unvorstellbares. Deshalb brauchte ich auch letzte Woche einen Verteil-Donnerstag Pause, weil ich einfach nur noch überlastet bin und viele Fehler dadurch mache.
Für den heutigen Verteil-Donnerstag waren die üblichen Vorbereitungen nötig, Kühl- und Tiefkühllager am Mittwoch, anschließend noch eine Halterung in einer Tiefgarage montieren und abends noch Wohnwagen umstellen. Abends dann wieder unsere Lagersoftware umschreiben und adaptieren, auf unsere Bedürfnisse anpassen. Seit Wochen sitze ich dabei, alles zu schaffen und demnächst die Inventur eintragen zu können. Ein Meilenstein für uns, wenn die Lagersoftware auf Stand ist und planmäßig arbeitet, bald wird es hoffentlich soweit sein. Die Stunden am umprogrammieren zähle ich schon lange nicht mehr.
Der Donnerstag begann heute mit kalten Regen und einem Schuss Schneegeruch in der Luft, herrlich, ich mag das. Kaum aufgestanden scheppert schon das Telefon, heute Beitrittserklärung nicht vergessen, keine 3 Minuten später Telefon: „Brauchen Sie Kleidung, ich habe ausgemistet?“ NEIN, wir nehmen seit Monaten keine Kleidung mehr an und wenn jemand zu mir sagt „Ich habe ausgemistet“ bekomm ich schon Angst, weil in den letzten Monaten viele Kleidungsstücke entsprechend aussahen, als wären sie wahrhaftig AUSGEMISTET worden. Dieser Satz macht mir echt schon panische Angst, weil damit immer hohe Entsorgungskosten verbunden sind. Und liebe Leute, es ist wirklich so, dass wir leider vieles entsorgen müssen, neue Schuhe in Originalschachtel, und dann geben wir sie weiter und beim Anprobieren bricht die Sohle, weil sie schon 10 Jahre in irgendeinem Keller lagen und der Gummi der Sohle brüchig wurde. Ich bitte Euch um Verständnis, aber solche Kleidungsstücke sind KEINE HILFE, sondern BALAST der hohe Kosten verursacht. Also sage ich auch der Dame freundlich und bestimmt am Telefon ab, keine Kleidung anzunehmen. Es scheppert unaufhaltsam das Telefon: „Wann holen Sie die Waschmaschine, ich warte schon 1 Woche?“ Wenn ich einen starken Helfer habe, komme ich, alleine kann ich diese nicht vom 3. Stock heruntertragen. Zwischendurch meinen vom Nachbarn zugezogenen Kater füttern, noch ein paar eingeforderte Streicheleinheiten verteilen, er muss den ganzen Tag alleine verbringen, irgendwo draußen. Dann ab Richtung Hofer, den Einkauf abholen, Manuel der Geschäftsführer stellt mir alles schnell und zu meiner vollen Zufriedenheit zusammen und öffnet sogar eine Kassa für mich, dass ich mich mit dem hoffnungslos überfüllten Einkaufswagen nicht hintenanstellen muss. Manuel hilft mir sogar noch einladen der Ware, ein toller Service, den es nur beim Hofer in der Dauphine Straße gibt. DANKE dafür. Ab Richtung Lager Ansfelden, dort kommen schon die ersten Helfer/innen heute um 9.30 Uhr. Martina ist dann die Erste, hochschwanger und hilfsbereit. Ich fahre heute alleine nach Haid, Brot und Gebäck holen, Susanne lädt mich noch auf einen Kaffee mit Torte ein bevor wir einladen, gschmackig, danke dafür. Danach gefühlte 20 Bananenschachteln voller Brot, Gebäck, Süßes, Obst und Gemüse einladen. Ab nach Ansfelden, dort kamen zu Martina noch Ulli und Barbara dazu, die uns alle helfen die Lebensmittel auf Genießbarkeit durchzuschauen. Es geht heute Ruck Zuck, großartig. Tee kochen, Leberkäse und Schinken im Obers Kren zuschneiden und verpacken, den Käse teilen und ebenfalls neu verpacken.
Zwischendurch den Transporter heraussaugen und rauswischen, hier werden schließlich Lebensmittel befördert. Zu Mittag verabschieden sich Ulli und Martina, Corinna und Maria kommen dazu. Der Blick zum Himmel scheint nichts Gutes erahnen zu lassen für den Nachmittag. Regenwolken ziehen auf, und es beginnt zu regnen. Noch hat Petrus Zeit sich anders zu entscheiden und uns Sonne zu schicken, BITTE! Zwischen all den Vorbereitungen immer wieder Telefon, Mail, eine Frau kommt und möchte bei uns mitmachen, ich gebe ihr ein Beitrittsformular und sie ist Feuer und Flamme, freut sich schon auf kommenden Samstag, ich mich auch. Dann alles wie üblich in den Transporter einladen, festzurren, alles sicher verladen. Anhänger umdrehen und anhängen. Abfahrt um 15.07 Uhr, von Sonne keine Spur, aber der Regen hat auch aufgehört, Barbara fährt mit ihrem ProntoPronto Bus separat und nimmt alle Helfer mit, bei mir fährt Robert mit. In Linz angekommen warten schon etwa 15 Schützlinge. Das Telefonat diese Woche mit der Polizei Linz wegen unserer Genehmigung, dass wir am Donnerstag verteilen dürfen, war streng da wir in den letzten Wochen nicht immer alles im Blick hatten. Ich versprach Besserung und Einhaltung ALLER Vorschriften, so bekamen wir die Zusage und Erlaubnis. Wir müssen aber extra 2 Helfer abstellen, die die Masken kontrollieren und auf 2 Meter Abstand bestehen. Heute früh betete ich noch für einen reibungslosen Ablauf, als wir ankamen und die Leute gleich daran erinnern mussten, dass wir hier keinen Meter mehr durchgehen lassen können, rümpften einige die Nase und so wie (fast) immer, ist auch heute wieder einer dabei der genüsslich an seiner Dose Bier trinkt, ausleeren oder weggehen, bei unserem Bus ist absolutes Alkoholverbot! „Ich leer die Dose aus“ und verschwindet hinter einem Baum um die Dose Ex auszutrinken. Leider ist die Sucht manchmal stärker als die Vernunft, das kenne ich zu gut. Als wir fertig sind mit aufstellen kam Punk-Oma Heidi mit Ossi und einer unbekannten neuen Obdachlosen vorbei: „Hast Du bitte dringend Monatshygiene?“ Ja, klar, habe ich und du musst dich auch nicht hintenanstellen und für Ossi einen Schlafsack, da sein alter gestohlen wurde.
Heidi eine unheimlich nette, freundliche (ab 9.April) Punk-Oma, die sich rührend um ihre Freunde kümmert. In einem Abbruchhaus am Freinberg dürfen sie bis zum Abriss bleiben, mit Erlaubnis der Eigentümerin und der Polizei. In diesem Haus gibt es eine Toilette ohne Wasser, eine Küche ohne Irgendwas und ein Wohnzimmer mit Kamin, wo Heidi, Ossi und Stefan bei romantischem Feuer auch kochen und sich wärmen. Ich bin angetan vom Wesen Heidi, von diesem Lächeln das dem Leben auf der Straße widerspricht, von dieser Überzeugung, dass sie immer genug zu essen haben wird, weil ja der da oben auf sie achtet. Sie passt nicht in dieses System, kann diese Ketten nicht ertragen die ihr die Gesellschaft umlegt, sie ist ein Freigeist sagt sie von sich und ahne, was sie meint. Sie freut sich auf das Enkelkind, war gerade in Niederösterreich, ihre Tochter besuchen und in diesen 14 Tagen ließ Daniel, ihr Punk-Freund sie sitzen, weil er eine Andere hat. Wurscht, sagt sie, zuerst hätte ich ihn noch zurückhaben wollen, aber jetzt habe ich abgeschlossen, soll glücklich werden, und sie lächelt übers ganze Gesicht. Der Nasenring sitzt schief und ich habe dauernd das Gefühl dass er gleich rausrutscht, habe ja keine Erfahrung mit solchen Dingen, möchte aber nicht dass sie sich verletzt. Die vielen Piercings und Ringe die durch dicke Löcher in der Haut gezogen sind, tun mir schon beim Anschauen weh, wie kann eine zierliche Frau wie Heidi so etwas mit sich machen? Naja, wird schon schön sein, ist ja nicht mein Nasenring mit den man mich durch die Arena ziehen kann, poah alleine der Gedanke daran versetzt mir ungeahnte Schmerzen. Autsch! Heidi und ihre Freunde gehen Richtung Bahnhof und es kommt im gleichen Augenblick unsere altbekannte Erna an und fragt mich ob sie etwas haben darf. Erna hat zwar eine gute Pension, aber ihr Sachwalter verwaltet ihr Geld. Und heute kam raus, dass sie einen Sohn hat, der ebenfalls obdachlos ist und nichts mehr zu essen hat, dem sie etwas bringen möchte. Deshalb belog sie mich die letzten 2 Jahre und sagte kein Sterbenswort von ihrem Sohn. Unsere Barbara hörte noch ein Gespräch zwischen Erna und ihrer Betreuerin: „Du musst es Walter sagen“, Barbara sagte es mir und ich hakte nach, was Erna mir sagen sollte. Da kam raus, dass Erna einen obdachlosen Sohn hat und sich dafür schämt, für ihn aber bei uns Lebensmittel holt. Ich redete auf Erna ein, sie müsse mir die Wahrheit sagen da ich sonst nicht richtig reagieren könnte. In dieser verworrenen Situation sagte sie, bevor ich ihr das entlocken konnte, sie brauche bitte einen Rasierschaum für ihren Freund der sie ab und zu besucht. Erna hat weder Freund noch wirklich Lösungen, sie ist eine wirklich einfache alte Frau, die sich schämt und aus diesem Grund mich angelogen hat. Sie wird es nie mehr tun, sie wolle jetzt ehrlich sein und sagen, dass die Lebensmittel für ihren Sohn sind. Wenn das künftig wirklich so ist, bin ich glücklich, zu lügen ist doch eine große Bürde. Sie bekommt was sie braucht, heute und in Zukunft.
Hallo, halli hallo! Sind Sie Herr Kreische? Ja, der bin ich! Sonja war vor 14 Tagen bei unserem Bus, und macht in der neuen Kupfermuck’n einen Artikel über uns und die vor 14 Tagen gemachten Fotos waren zu klein, deshalb kam die Dame vorbei um noch ein paar Fotos zu machen. Kein Problem! Freue mich auf den Artikel. Als die Schlange mit den heutigen 77 Schützlingen langsam kürzer wurde, kam dann noch unser „Prinz von Linz, Andy“, eine liebenswürdige Plaudertasche der schon alles gemacht hat, alles weiß und sein Leben doch nicht so im Griff hat, wie er es gerne hätte. Ein Mercedes Pickerl auf seinem Fahrrad macht ihm Glauben, reich zu sein. Dass es nur ein nachträglich aufgeklebter Schriftzug ist, schwindelt er einfach weg, unser Prinz! 18.15 Uhr, Manfred der Obdachlosen Sprecher ist heute der letzte in der Reihe, ein Teil unseres Teams räumt schon einmal zusammen, leere Kartons, leere Boxen, Brot und Gebäck zusammenräumen und zum Einladen parat legen. Gottseidank werden die Tage wieder länger und wir brauchen unsere Lampen nicht mehr. Gottseidank. Schnell zusammenräumen, Abfahrt nach Ansfelden, ausladen und einlagern, Müll beiseite räumen und dann noch kurze Besprechung und ich sehe Karin, die neben mir steht, mit großen Augen an, sie machte heute Witze auf meine Kosten und ich stellte mir gerade diese Situation vor, nein, das ist nichts für die Öffentlichkeit. J 19.45 Uhr, Abfahrt nach Hause, noch einige Einwegpaletten einladen um diese zu meinem Nachbarn mitzunehmen, der kann sie verheizen und wir sind sie los. Daheim angekommen, liegt Purzel (Kater Silvester) auf dem nassen Asphalt und räkelt sich am Rücken liegend vor Freude, mich zu sehen. Dieses Szenario macht er immer, wenn ich länger nicht heimkomme, und ich freue mich riesig ob dieser Geste, wenigstens der Kater freut sich auf mich. Abendessen warm machen, nachdenken, wohin mich heute die Gedanken in diesem Posting führen werden/sollen/müssen. Wie ich den Beitrag gestalten werde. Nun, ihr habt es gerade gelesen, was ich die letzten 3 ½ Stunden geschrieben habe. Danke für Eure Aufmerksamkeit, vielen lieben Dank an all unsere Spender/innen und Gönner/innen, Vergelt’s Gott und habt großen Dank. Danke auch an unser Team, das heute wieder eine klasse Arbeit machte, vielen Dank an jede/n Einzelne/n von Euch. Ich wünsche Euch nun noch eine gute Nacht und mir wünsche ich, dass ich den Tag bald abschließen kann. Nach getaner Arbeit. <3