Ändern oder streichen?
Ein aktueller Lagebericht aus der Sommerpause über die Lage und unsere Situation als Verein. Die letzten Wochen und Monate waren mehr als durchwachsen, weil einerseits so viele Dinge passierten und weil ich überlegen muss, wie wir durch den heurigen Winter kommen, finanziell und mit den Lebensmittelspenden. Die letzten Monate wurden so gut wie fast keine Lebensmittel (in Relation zu all den Anforderungen) gespendet. An vielen Spendenannahmetagen kamen gar keine Spender, besuchte uns niemand. Weil wir ja fest geplante Aktionen wie unsere Verteil-Donnerstage im Programm haben, müssen wir auch wissen, wie wir künftig all die Aktionen finanzieren, wenn wir vielleicht vor leeren Regalen stehen und nicht mehr weiter wissen. Jeder einzelne Verteil-Donnerstag kostet uns große Anstrengungen und viel Geld, das wir auch diese kommende Wintersaison wieder dringend benötigen, um unsere so wichtige Arbeit machen zu können.
Wir werden kommende Woche wieder 4 Spendenlieferungen für Obdachlosen-Einrichtungen und Frauenhäuser in O.Ö. kommissionieren und zur Abholung bereit stellen. Auch hier wird es leider eine unabdingbare Ausdünnung der bisher belieferten Einrichtungen geben müssen, weil wir diese hohe Anzahl von inzwischen fast 4000 bedürftigen Menschen in diversen Einrichtungen oder direkt an den Verteil-Donnerstagen nicht mehr versorgen können. Wir werden Einrichtungen aus unserer Liste streichen müssen, weil es uns schlicht nicht mehr möglich ist, sie alle mit Lebensmittel zu versorgen. Von den 29 Einrichtungen, die wir in den letzten Jahren in Oberösterreich versorgten, werden etwa 8-10 Einrichtungen übrig bleiben, die wir guten Gewissens noch mit Spenden versorgen können. Wir würden uns auch wünschen, Euch bessere News erzählen zu können, aber leider ist das nicht möglich. Die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage erlaubt es vielen Menschen nicht mehr, zu spenden, uns noch unter die Arme zu greifen, und deshalb müssen wir unsere Aktionen auf ein Mindestmaß herunterfahren, auf der Strecke bleiben hier leider wieder die Menschen, denen es ohnehin nicht gut geht und die auch schon vor den aktuellen Problematiken nicht wussten, wovon sie leben sollten.
Hier ein Bespiel. Letzte Woche rief mich abends eine alte Frau an, die 4 Kinder großgezogen hat und jetzt nicht mehr weiter weiß, Zitat: „Bitte helfen Sie mir, ich habe seit über 1 Woche nichts mehr zu essen, meine kleine Pension (knapp €320,-) reicht gerade für 1 Einkauf im Monat, und da kaufe ich Kartoffel, Nudeln und Tomatensoße, jetzt aber hat man mir die Stromkosten so hoch hinaufgesetzt, dass ich nichts mehr zum Essen habe.“ Angesprochen auf Hilfe von ihren Kindern winkte die alte, gebrochene Frau ab, Zitat: „Ja, sie wissen wieviel Pension ich bekomme, aber niemand fragt nach, ob ich damit auskomme und davon leben kann.“ In welcher Welt leben wir liebe Wegbegleiter? Diese Frau rief mich zu einem Zeitpunkt an, wo ich es aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht schaffte, ins Lager zu fahren, ein Not Paket zu schnüren und die alte Frau zu versorgen. Wer mich kennt, weiß auch zu gut, dass es für mich ein persönlicher Supergau ist, wenn wegen mir jemand frieren oder hungern muss. Noch heute kann ich nicht in den Spiegel schauen, weil ich mich meiner schäme, jemanden im Stich gelassen zu haben, die mich um Hilfe bittet, aber ich hätte es nicht geschafft. Das tut so unendlich weh, liebe Leute, in solchen Fällen nicht helfen zu können, weil ich selbst am Boden bin. Ja, es war ein weiterer Sommer, in dem ich wieder keine wirkliche Sommerpause hatte und mich nun ernsthaft frage, wie ich die kommende Wintersaison überstehen soll.
Der Sommer brachte aber auch einige Gespräche im Verein, einige Denkanstöße und Vorschläge, wo wir einsparen können…müssen fielen uns ein! Nicht nur aus finanzieller Sicht sind Einsparungen dringend nötig, nein, auch bei all den Tätigkeiten müssen wir dringend umstrukturieren, weil unser Team leider kleiner wurde, und die vorhandene Arbeit (Spendenannahme, Verteil-Donnerstage, Kommissionierungen, Spendenlieferungen, Linz Tour usw.) auf mehrere Hände aufgeteilt werden muss, mir werden auch all die Aufgaben einfach zu viel. Deshalb auch unser aktueller Aufruf an alle Menschen, die sich eventuell ehrenamtlich bei uns einbringen möchten. Jede helfende Hand, die sich bei uns einbringen möchte, ist herzlichst willkommen. Eine vereinsinterne Diskussion stieß eine Überlegung an, wie wir eventuell den Verteil-Donnerstag mit der Hälfte der jetzigen Helferinnen abhalten könnten, das würde aber wiederum eine Investition bedingen, die wir diese Woche an einen befreundeten Verein weitergaben, der jetzt ebenfalls diskutieren muss, ob unser Anliegen erfüllt werden kann. Wir werden sehen, wir halten Euch auf dem laufendem.
Wir finanzieren ja unser dringend benötigtes Lager in Ansfelden über die Unterstützungserklärungen, die IHR uns zukommen lässt, und leider sieht es hier genauso aus, dass viele, viele Unterstützer, die in den letzten Monaten bzw. Jahren teilweise 5,- oder 10,- monatlich überwiesen haben, damit wir die Miete zahlen konnten, wegen der aktuellen Kostenexplosionen den Dauerauftrag kündigten und die Unterstützung an uns einstellten. Erst vor etwa 1 Monat bekamen wir die Indexanpassung unserer Miete was ebenfalls eine Mieterhöhung bewirkte, und langsam wissen wir nicht mehr, wie wir auch diesen Posten bewerkstelligen können. Insgesamt sind in den letzten 3 Wochen 16 Unterstützer von ihrem Versprechen zurückgetreten, und zu helfen. Natürlich verstehen wir die Lage vieler Menschen zu gut, die durch diese Anhebung der Kosten langsam selbst nicht mehr wissen, wie es weitergeht und zuerst die Spenden einstellen, völlig verständlich und auch gerechtfertigt. Ich fürchte nur, dass die Spitze der Kostenexplosionen noch lange nicht erreicht ist und dass noch viel mehr Menschen Angst vor der unmittelbaren Zukunft bekommen, wie ich!
Wer uns bei unserer Lagermiete unterstützen kann/möchte, bitte die Unterstützungserklärung ausfüllen und an uns retournieren, zu finden auf unserer Homepage unter https://www.obdachlosenhilfsaktion.at/wp-content/uploads/2021/04/Unterstuetzungserklaerung-OHA_Lager-neue-Adresse-1.pdf ,
vielen lieben Dank!
Die aktuelle Lage ist anstrengend, fordernd, teuer und sehr intensiv, in den Vorkommnissen und in vielen Aussagen. Langsam bekomme ich schon ein beklemmendes Gefühl, wenn mein Telefon scheppert, meist ist es ein Hilferuf von Menschen, die nicht mehr weiter wissen und wo der Leidensdruck enorm geworden ist, weil es an allen Ecken fehlt. Kein Essen, oft keinen Strom mehr, kein Wasser und keine Hilfe mehr. „Ich mag nicht mehr leben“ sagten in den letzten 2 Wochen 3 Menschen zu mir, und die meinen es ernst. Wie weit muss die Krise noch ausarten bzw. eskalieren bevor unsere Verantwortlichen munter werden und endlich entgegenwirken? Hier geht es um Menschen, die hungern, die nicht mehr weiter wissen, die lieber sterben als weiter in diese unsichere Zukunft zu gehen. Vor dem kommenden Winter haben jetzt schon viele, viele Menschen die nackte Angst, Panik vor Kälte und Hunger, und die verbleibende Angst versetzt die Menschen noch zusätzlich in eine große Krise.
Eigentlich müssten wir all unsere Aktionen intensivieren, damit den Menschen, die uns dringend brauchen, geholfen wird, aber leider können wir uns auch nur nach der Decke strecken, die wir haben, und die ist leider nicht sehr lange. Bitte versteht mein Posting hier nicht als „Jammerei“ oder „Suderei“, ich versuche unsere Situation zu beschreiben, wo wir stehen und wo wir hin treiben, wo wir handeln müssen, was wir ändern müssen und worauf wir hoffen. Wir sind rein spendenfinanziert und bekommen keinen Cent öffentlicher Gelder, deshalb tun wir uns so schwer, wenn es so viele brennende Felder gibt, die wir alleine nicht mehr löschen können. Wir bitten um Verständnis.
Unser Verteil-Donnerstag diesmal, nach 3 Wochen „Sommerpause“ wieder, war im Vorfeld davon gezeichnet, dass vieles im Umbruch ist, auch bei uns. Aber vielleicht ist das auch eine echte Chance, das wird sich erst herausstellen. Nach den üblichen Vorbereitungen konzentrierten wir uns auf den Nachmittag, es ist teilweise Regen vorhergesagt, mal schauen, noch scheint die Sonne und die zeigt uns welche Kraft sie noch hat. Wir kommen um 15.20 Uhr in Linz an und räumen aus und bauen all unsere Tische auf, alles wie gehabt. Schon bald ist die wartende Schlange auf etwa 30 Personen angewachsen, zum Schluss werden es 82 Schützlinge sein, die heute zu uns kommen. Auch wieder viele neue Menschen, die Hilfe suchen.
Unser langer Hansi kommt mit einer Gips Hand, er lächelt aber schon wieder und spielt das Malheur herunter. Ein Schützling fragt mich, ob ich ihm nicht ein Zimmer besorgen könnte, 2 Minuten später fragt mich ein anderer, ob ich ihm etwas Geld leihen könne, ein dritter bekommt jetzt eine kleine Genossenschaftswohnung und weiß nicht, wie er die Möbel vom Trödlerladen zu sich heim ringen könnte. Einen Transporter leihen kann er sich nicht leisten. Die häufigen Anfragen bringen mich an den Rand der Möglichkeiten, ich kann selbst kein Geld verleihen, habe auch keine Zimmer mehr zur Verfügung, um jemanden unterzubringen und ich habe zurzeit nicht die Kraft jemanden beim Möbeltransport zu helfen, mir geht schlicht die Puste aus. So leid es mir tut, aber ich musste allen dreien absagen.
Ansonsten ist es in der Warteschlange ruhig, niemand echauffiert sich oder regt sich auf, alles halbwegs normal. Und unsere Optiker helfen uns immer bei der Ausgabe, wenn sie selbst keine Vermessungen oder Anpassungen haben. Ein großartiges Team von Brillen Zwerger rund um Nikolaus und seiner Freunde. Heute auch dabei unsere Maria, die letztes Jahr aus gesundheitlichen Gründen in unserem Verein aufhörte, aber immer, wenn Not ist, kommt Maria. Großartig, der Mensch, die Frau, die Freundin Maria! Auch heute zu Besuch, Sr. Lydia, die sich schon auf ihre Reise nach Kroatien freut, gute Reise. Sr. Lydia wird uns nach ihrem Urlaub in vielen Lagen professionell helfen, sie ist ja ausgebildet und arbeitet ja in der Wärmestube in Linz. Über diese Hilfe sind wir schon sehr glücklich, allein ihre Anwesenheit tut schon sehr gut.
Als es langsam dem Ende entgegengeht und wir alles einpacken, kommen noch 2 Nachzügler, Christoph und ein Neuer. Wir packen noch schnell 2 große Einkaufstaschen voll mit Lebensmittel und Hygieneartikel für die Beiden und stellen ihnen auch gleich die Rute ins Fenster, dass es das nächste Mal nichts mehr gibt nach 18Uhr. Beide gehen glücklich lächelnd weg vom Transporter und winken uns noch zu. Des Öfteren hörte man auch heute wieder: „Wenn es Euch nicht gäbe, gäbe es viele von uns auch nicht mehr“. Ich tue mir sehr schwer mit so einer Aussage, da wir ja nicht die einzigen sind, die helfen, aber das Problem für viele Schützlinge sind die Hausverbote, sie dürfen in einige Einrichtungen nicht mehr hinein, und deshalb haben sie es zwischendurch etwas schwerer.
Sobald die kalte Jahreszeit, unsere Hauptsaison wieder losgeht, werden wir auch wieder Nächtigungsjetons austeilen, so wir welche gespendet bekommen. Sie sind wichtig für Menschen die krank sind und ab und zu in der Notschlafstelle schlafen möchten. In den letzten Jahren kauften wir viele, viele Jetons an, das wird heuer in dieser Größenordnung nicht mehr möglich sein. Auch werden wir näher definieren müssen, wem wir die Jetons geben, für alle werden auch heuer die Jetons nicht reichen, leider.
Aber jetzt freuen wir uns über einen gelungenen Verteil-Donnerstag und hoffen, dass alles gut ausgeht und wir positiv in die Saison starten können. Ich gebe den Glauben daran nicht auf und bete jeden Tag zu Gott, dass er uns auch heuer wieder den Segen schenkt, den Menschen helfen zu dürfen.
Vielen, herzlichen Dank und Vergelt’s Gott an all unsere Spender/innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag machen und den Menschen helfen durften. Unserem Team ein großes DANKE für den Einsatz und die Loyalität. Danke für Eure Aufmerksamkeit und Eure Zeit. Euch allen noch einen tollen Spätsommer und alles liebe. :-)