Eine Achterbahn der Gefühle
Samstag 17.4.2021, war wieder unser "Notpaket" gepackt für die Linzer Nachttour. Es begleiten mich unsere Ingrid Strassl und ihre Tochter Edith Lehner. Auf diese Tour mit den Beiden habe ich mich wirklich schon sehr gefreut.
Ingrid hatte am letzten Donnerstag mitbekommen, dass ich schon lange Zeit keine Pofesen mehr gegessen habe, weil ich diese schlicht nicht backen kann, so brachte sie mir gestern 4 Pofesen vom feinsten mit. Vielen Dank für diese tolle Geste liebe Ingrid!Treffpunkt war wie gewohnt 18 Uhr bei der Metro in Linz. Der Himmel ist bedeckt und ich fürchte, es wird regnen. Zuerst noch tanken und dann ab durch die Mitte. 1. Anlaufstelle war auch wie gewohnt, Ebelsberg. Ich habe es ja am Donnerstag geschrieben, dass wir von Dominic nun auch etwas Eigenverantwortung einfordern müssen, damit er aus der "Komfortzone" rauskommt, weil wir schlicht nicht sein Leben regeln können (und auch nicht wollen), manche Dinge muss Dominic nun selbst regeln, z.B. ein Rezept für seine Krankheit beim Help-Mobil holen. Letztes Monat habe ich es über den Ärzte-Notdienst besorgt und bekam dafür viele viele Ohrfeigen (zu Unrecht). Sarah Mørket, die Dominic betreut und ihm jeden Tag seine Tabletten bringt, kommt heute auch zur Brücke, wir müssen gemeinsam mit Dominic reden, was dann auch ruhig, besonnen und sehr gut passierte. Dominic versprach uns, am Montag zum Help-Mobil zu gehen und sich dort ein Rezept zu holen. Wir sind gespannt. Christian und Thomas im Zelt neben Dominic haben wieder gestritten, 2 Brüder die sich lieben und eben auch manchmal heftig streiten. Wir geben Christian die mit Lebensmittel und Hygieneartikel vollgepackte Tasche: "Wir teilen sie selbst auf". Auch gut.
Wir beenden den Besuch bei den Dreien und brechen auf Richtung Caritas Krankenzimmer, wo unsere Renate vom Terminal, zur Zeit liegt, da sie massive Probleme mit ihren Beinen hat und dringend Behandlung braucht. Die Umstände erzähle ich jetzt hier nicht, da ich manches hier nicht verstehe und so nicht akzeptieren möchte und auch nicht etwas "schlechtes" schreiben möchte, obwohl es eigentlich aufgezeigt gehörte. Renate sitzt am Bett und wir sehen ihren an einer Stelle mit Blut durchdrungenen Verband: "Der wird eh am Dienstag wieder gewechselt". Am Dienstag? Heute ist Samstag! Renate meinte: "Des is hoit so". Na Bumm! Ich muss nicht alles verstehen! Wir haben Renate Süßigkeiten, ihren geliebten Schinken im Obers-Krenmantel mitgebracht, sowie Unterwäsche und Socken für 1 ganze Woche, T-Shirts und Joggingshosen, alles was Renate braucht. Gut, weiter geht's Richtung Schillerpark, wo Leo und seine Freunde schon warten. Leo hat mich schon am Montag angerufen, sein Freund Richi brauche dringend einen Schlafsack und eine Isomatte, leider kam ich von unserer Sammelaktion aus dem Welser Welas so spät zurück, dass ich es nicht mehr schaffte, nach Linz zu fahren. Ich war ehrlich gesagt auch nicht mehr imstande dazu, ich bin kräftemäßig so kaputt wie noch nie.
Dienstag rief Leo wieder an, und ich hatte mich noch nicht erholt von den letzten Tagen, zu den Streetworkern will er nicht gehen, aber sorry, ich schaffe es auch heute nicht nach Linz zu kommen. Verweise auf unseren Verteil-Donnerstag. Am Schillerpark war dann auch Melanie, die mir von Weitem winkte und um Lebensmittel bat. Bitte alle mitkommen zum Bus, der am anderen Ende des Schillerparks steht. Leo, Richi und Melanie sowie ein Unbekannter, nicht obdachloser Mann kommen mit. Der Unbekannte ist begeistert von unserer Aktion und verspricht uns, zu spenden. Leo, Richi und Melanie bekommen je ein Sackerl voll mit Lebensmittel, Hygieneartikel und Richi bekommt seinen Schlafsack und eine Winter-Isomatte, für seine Nächte am kalten Beton. Melanie bedankt sich dann noch auf rührende Weise mit einem Busserl und "pass auf dich auf, Walter". Ein kleines Tränchen hat sich da schon in den Augenwinkel versteckt und bin froh dass ich nicht reden muss, mein Hals ist zugeschnürt. Einsteigen, weiter zum Terminal, zu Gaby, Elke und unseren jungen Mann, der heute wieder unseren mitgebrachten Tee schätzt und darum bittet. Alles andere lehnt er jedoch ab. Elke schläft auf ihrem Koffer, wie immer bis etwa 22 Uhr, dann geht sie in ihr "Nachtquartier", eine Toilette Nähe Unionkreuzung. Weiter geht es hinunter in die Bahnhofstiefgarage, hier soll auch ein Obdachloser schlafen. Wir suchen und finden einen jungen, 29 jährigen Mann mit Gitarre vor, der letzten Donnerstag zum 1. Mal beim Bus war. Er habe heute mit seiner Gitarre in der Landstraße gespielt und € 40,- bekommen, er brauche eigentlich nichts, da er sich um das Geld, Essen kaufen könne, es gehe ihm gut obwohl er keine Isomatte und keinen Schlafsack hat. Er ist zufrieden und es geht ihm nichts ab. Den mitgebrachten Tee mag er aber schon, das freut uns. Ein kurzes Schwätzchen mit ihm offenbaren seine Abneigungen gegen unser System. Deshalb lebt er auf der Straße und lässt sich nicht mehr ins System "stopfen". Ein freundlicher junger Mann, war eine echt nette Begegnung.
Weiter von der Tiefgarage in die Finanzgarage, hier treffen wir niemanden an, also weiter zu Florian an die Donaulände. Zu Florian, er liegt schon unter seiner Plane unterm Baum, mitten im Nassen und mitten in der feuchten, aufgeweichten Erde. Ich wecke ihn leise auf und biete ihm Socken, Unterwäsche, heißen Tee und alles, was wir sonst noch mithaben, an. "Eine Jogginghose und Socken bitte", kommt von Florian in einer sehr gepflegten, leisen Antwort. Er kommt mit zum Bus, wo ich ihm verspreche nächsten Samstag eine neue Jogginghose für ihn zu bringen, Socken geben wir ihm jetzt mit, alles andere lehnt er leider ab. Weiter geht's zu Franziska, deren Unterwäsche ich letzte Woche mitnahm und gewaschen habe, heute bringe ich sie ihr zurück. Emma ihr Hund, schlüpft aus der Decke heraus, langsam setzt sich auch Franziska auf und kommt zum Bus. Ich gebe ihr die gewaschenen Sachen zurück und wir haben noch neue Unterwäsche und Socken eigepackt. Damit Franziska öfters wechseln kann. Von Franziska gehen Edith und ich rüber zu Gerald, der am anderen Ende der Autobahnbrücke schläft. Auch hier ein bestimmtes "Danke, ich habe alles" und wir gehen wieder Richtung Bus, der bei Franziska steht. Franziska erzählt mir noch, dass Helmut Eder, unser großartiger Obdachlosen-Seelsorger in Linz, sie besuchte und ihr Kerzen und ein Mut machendes, tröstendes Billett zurückgelassen hat mit einem Oster-Gruß. Das freut mich sehr.
Mittlerweile ist es 21.45 Uhr und wir brechen auf Richtung Andy auf den Gründberg, heute habe ich einen Brief für Andy dabei, dem ihm eine anonyme Dame schrieb, sie möchte Andy Mut machen. Andy's Zimmer ist unbeleuchtet, unser Klopfen verstummt ungehört, OK, dann fahren wir weiter, Andy wird vermutlich schon schlafen. Ab zum nächsten HotSpot, Pleschingersee, als wir den Gründberg runterfahren kommt uns Andy entgegen. Ich bleibe stehen und rede kurz mit ihm über die weiteren Schritte, die wir jetzt gemeinsam machen müssen. Arzt, AMS-Geld usw.. Ich packe ihm noch Lebensmittel in ein Sackerl und dann ab in die Nacht. Zum Pleschingersee, wieder niemand dort, letztens lagen hier Schlafsack und Isomatte in der Ecke, darum fahre ich bei der Linz-Tour immer dorthin, weil auch dort Hilfe gebraucht wird. Zum Abschluss, mittlerweile ist es 22.25 Uhr, fahren wir noch zum Fernheizwerk, aber auch dort ist heute niemand.
Wir beschließen es gut sein zu lassen, da der Tag schon sehr lange dauert. Wir gähnen nun schon im "Trio", es wird Zeit, heimzufahren. Um 22.45 Uhr beenden wir unsere Nachttour und ich bedanke mich bei Ingrid Strassl und Edith Lehner für die tolle Hilfe. Es war wie immer eine Achterbahn der Gefühle, was bleibt ist ein sehr gutes Gefühl, unser Anliegen zu helfen, unseren Schützlingen wieder entgegengebracht zu haben. Es tut einfach gut, zu helfen wo Hilfe notwendig ist. Danke an all unsere Spender/innen, dass wir immer wieder dort helfen dürfen, wo es dringend notwendig ist. Euch allen noch einen schönen, erholsamen Sonntag und alles liebe. 🙂 ❤