Eine Zukunft! Aber welche?

Eine Zukunft? Aber welche?
Verteil-Donnerstag vom 13.2.2025:
Weil ich noch ganz viele Dinge für unsere große Vereinssitzung morgen, Sonntag, abzuklären, vorzubereiten und zu erledigen habe, bitte ich Euch um Verständnis, dass mein heutiges Posting um einiges kürzer ausfällt, als sonst. Da wir heuer, 2025, eine ordentliche Generalversammlung abhalten müssen, laufen viele Vorbereitungen in diese Richtung schon seit Wochen.
Die Tagesordnungspunkte strukturiert festlegen und formulieren, Einladungen für alle Vereinsmitglieder in ein Schreiben gießen, ob aktiv oder fördernd, sie alle haben ein Stimmrecht bei unserer Generalversammlung, jede/r kann mitstimmen und mitbestimmen in welche Richtung unser Verein gehen soll und welche Entwicklungen bzw. welche Fixpunkte gefördert werden und welche aus unserer Aktion ganz herausfallen.
Alle 4 Jahre müssen wir so eine Generalversammlung machen, wo z.B. Obmann und Kassierin „entlastet“ werden, wo neue Punkte in die Statuten aufgenommen werden, wo alte Mitglieder die nie schriftlich aus dem Verein ausgetreten sind, dem Verein verwiesen werden, das alles muss mit einer 2/3 Mehrheit beschlossen werden. Die gesetzlichen Vorgaben für eine Generalversammlung sind festgelegt und zu administrieren. Wenn hierzu das eine oder andere Mitglied verhindert ist zu kommen, so können diese Mitglieder bei mir schriftlich oder mündlich hinterlegen, wer sein/ihr Stimmrecht verwalten und administrieren darf. Es ist ein großes Privileg, einen Verein als Mitglied mitzugestalten und Dinge mitzuentscheiden, die den Verein für die Zukunft formen.
Bei der anstehenden Generalversammlung werden wir einige Absätze zusätzlich in unsere Statuten schreiben, Erweiterungen und Erleichterungen, für alle Aktionen die wir machen. Es wird aber auch eine Abstimmung geben, wo ich um mehr Hilfe von unseren aktiven Mitgliedern bitte, weil ich selbst schlicht dieses Pensum an Herausforderungen und die enorme Anzahl an Wochenstunden von etwa 70 Stunden pro Woche, nicht mehr schaffe. Wird mir diese verwehrt, werde und muss ich umgehend Konsequenzen ziehen, die teilweise bis ins Mark meines Vereins und unserer Aktionen gehen können. Hierzu müssen wir auch über die Akquirierung neuer Mitglieder reden, die sich zurzeit nur ganz selten zu uns „verirren“, hier reden wir aber auch darüber, wie wir generell unsere Reichweite real und im Internet erweitern können, um auf diesem Weg etwaige neue potentielle Mitglieder für uns gewinnen könnten.
Diese Sitzung morgen gilt als Vorbereitungssitzung für die Generalversammlung, die etwa im April/Mai 2025 stattfinden wird. Das genaue Datum mit der abzuarbeitenden Tagesordnung wird allen Mitgliedern in den persönlichen Einladungen bekanntgegeben.
Bei so einer Sitzung, wie sie morgen Sonntag stattfindet, kann jede/r Vorschläge machen, wie z.B. Dinge die falsch laufen, geändert werden sollen oder müssen, oder über Fehlentwicklungen die uns das tägliche Leben schwer machen oder aber auch für Dinge, die gut laufen und die weiterentwickelt werden müssen. Solche Sitzungen können ein wahrer Burner sein, wenn morgen statt Polemik, satte, konstruktive Kritik geäußert wird, aus der wir alle lernen können.
Ich jedenfalls, freue mich auf diese Sitzung morgen, auch weil wir in den letzten Jahren keine Sitzung hatten, wo fast alle aktiven Mitglieder anwesend sein werden, und das wird morgen der Fall sein.
Nach dem letzten Verteil-Donnerstag meldete sich direkt eine Firma aus Aurolzmünster per Mail, die meine Geschickte über das Schicksal von „Johann“ gelesen hat. Sie hätten ernsthaftes Interesse an „Johann“, wollen ihm eine echte Chance geben, wieder Fuß zu fassen im Leben. Am Samstagabend und Sonntag wollte ich aber „Johann“ nicht anrufen, mit der Geschäftsleitung telefonierte ich trotzdem Sonntagabend noch und klärte die Anforderungen ab, welche Voraussetzung sind.
Am Montagabend habe ich dann „Johann“ angerufen und ihm gesagt, dass ich eventuell eine neue „Zukunft“ für ihn hätte, wenn er wirklich der Obdachlosigkeit Adieu sagen möchte. „Johann“ war sofort Feuer und Flamme für mein Angebot, und die Geschäftsleitung hat zugesagt, am Verteil-Donnerstag zu kommen um „Johann“ kennenzulernen und mit ihm abzuklären, ob er das Angebot annehmen möchte. Alle Einzelheiten sollten hier in Linz besprochen werden.
Am Donnerstag war es dann soweit, und ich nehme es jetzt vorweg, dass die Chemie zwischen der Geschäftsleitung und „Johann“ gleich passte und sie hatten gleich einen guten „Faden“ zueinander, was mich riesig freut. Kommende Woche wird „Johann“ nach Aurolzmünster fahren und den Dienstvertrag unterschreiben, er wird dort wirklich viel Geld verdienen und ein Zimmer haben, er wird sich der Herausforderung stellen und ich gab ihm noch mit, immer, egal was passiert, ehrlich und aufrichtig zu sein und das Gespräch mit der Geschäftsleitung zu suchen, dann ist alles halb so schlimm. Sie werden „Johann“ bei allem unterstützen, wo es geht, es wird ihm die Wäsche gewaschen, er bekommt zu essen und wird jeden Tag vom Chef zuhause abgeholt, damit er in die Arbeit kommt.
Als nach etwa 1 Stunde das Gespräch mit „Johann“ ein Ende fand, kam „Peter“, der das Gespräch rund um „Johann“ mitbekommen hat, und der auch gleich fragte: „Habt ihr für mich auch eine Arbeit, von der ich leben kann?“ Die Geschäftsleitung versprach abzuklären, ob es auch für „Peter“ eine Möglichkeit in dieser Firma gäbe, zunächst wurden die Telefonnummern ausgetauscht und ein Telefonat in den nächsten Tagen vereinbart, ich bin gespannt, wie sich alles entwickeln wird, mit „Johann“ und „Peter“. Würde das wirklich klappen, wäre das ein tolles Resultat für die Beiden, eine echte Chance, ich würde mir so sehr wünschen, dass Beide diese Chance für sich nützen. Ich halte die Daumen und bete zu Gott, dass es gut geht.
Unsere Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag diese Woche, laufen wie gewohnt ab und wir haben wie immer alles unter Kontrolle. Verena, Hilde, Anni, Sandra, Rena und Kimi spulen das ganze Programm ab, um unseren Verteil-Donnerstag perfekt abzuwickeln.
Zum Mittagstisch hat Anni heute großartige „Krautwickel“ gekocht, die einfach sowas von „wow“ waren. Nach dem Mittagstisch hat Nick, ein neuer junger Helfer aus Vöcklabruck, Verena beim Bus einladen geholfen, das war echt eine Entlastung für mich. Danke dafür!
Um 15 Uhr brechen wir auf nach Linz, Anni und Ingrid fahren mit mir, Nick nimmt Sandra mit und als wir ankommen, wartet wie jede Woche unser Tony auf uns. Ich mag diesen bescheidenen, aufrichtigen Menschen, der so unendlich dankbar ist, über jedes Stück, was er von uns bekommt. Tony hilft uns auch jede Woche, die Tische auseinanderzuklappen und aufzustellen, obwohl ich immer auch Angst habe, er könnte sich dabei zwicken oder gar verletzen. Langsam kommen unsere Schützlinge, und schneller als wir schauen können, haben wir eine Warteschlange von über 40 Menschen noch bevor wir mit dem Aufbauen fertig sind.
Das lässt für heute tief blicken, wenn so früh so viele Menschen bei unserem Bus sind, ich befürchte für heute eine Anzahl jenseits von 100 Personen. Am Ende werden es 147 Menschen sein, die sich heute bei uns Lebensmittel und alles was sie dringend brauchen, holen. 147 Menschen, und wir haben noch nicht einmal Mitte des Monats. Wir haben seit vielen Wochen nur eine Tendenz punkto Besucherzahl, stetig und steil nach oben. Wir haben am Beginn des Monats auch fast immer über oder um die 100 Menschen zu Besuch, noch bis vor kurzem konnten wir uns halbwegs darauf verlassen, dass am Monatsbeginn nicht so viele Menschen zu uns kommen, es waren so meist zwischen 50 und 60 Personen, die am Monatsanfang zu uns kamen, und jetzt haben wir fast jede Woche weit über 100 Schützlinge. Wahnsinn!
Diese Tendenz macht mir Angst, weil der Bedarf an Lebensmittel, Hygieneartikel und warmer Kleidung bzw. warmen Schlafsäcken, immer größer wird. Da wir NUR spendenfinanziert sind und keinen Cent öffentlicher Förderungen bekommen, ist es absehbar, wie es in den nächsten Monaten sein wird. In einem Gespräch im Lager haben wir vereinsintern festgestellt, dass, wenn auch jene Menschen zu uns kommen würden, die sich aus Scham noch nicht zu uns trauen, es nochmal eine ganz andere Zahl unserer Besucher geben würde.
Aber, hört man „verantwortliche“ Politiker aus der Region, haben wir ja kein Problem in Oberösterreich, es gibt ja Förderungen zuhauf für diese Menschen, sie müssen nur „abgefragt“ werden. In den Ohren unserer Schützlinge klingt das wie reiner Hohn, weil es schlicht gelogen und erfunden ist. Den „Verantwortlichen“ ist keine Lüge zu dumm um sie nicht zu äußern und dem Bürger mit schwarzer Tinte aufs Hirn zu stempeln. Traurig, dass man mit vielen Mitmenschen, die das Vertrauen ins völlig kaputte System schon lange verloren haben, so umgeht.
147 Menschen heute bei unserem Bus, wir sehen die lange Warteschlange, die immer noch anwächst, und wieder sind viele neue Gesichter dabei, die heute zum ersten Mal bei uns sind.
16 Uhr, unser Michael hat die Hoheit über den Laptop und gibt auch heute wieder alle relevanten Daten ein, kontrolliert auch die Einkommensnachweise und gibt Kleidung für jene frei, die einen aktuellen Einkommensnachweis erbrachten, alle anderen müssen diesen erst bringen, um auch in diesen „Genuss“ zu kommen. Außer wenn jemand friert oder eine kaputte Jacke trägt, geben wir eine Jacke aus, weil wir ja helfen wollen und nicht vorverurteilen.
Michael arbeitet sein Programm verlässlich ab während ich mit der Geschäftsleitung aus Aurolzmünster rede, „Johann“ beteuert seinen Willen, diese Chance nutzen zu wollen. Immer wieder werde ich aus diesem Gespräch herausgerissen, weil jemand Unterstützung von mir braucht oder weil Fragen zu beantworten sind.
Weil es total verschieden ist, wieviel sich unsere Schützlinge mitnehmen, werden wir in den kommenden Wochen unser System umstellen und auf eine Nagelprobe stellen. Es wird interessant werden für mich, wie das angenommen wird und wie sehr der Nutzen daraus für uns ist. Mal schauen. Denn Tatsache ist auch, dass man nicht jede Woche ein neues Shampoo oder ein Duschgel benötigt, so viel verbraucht kein Mensch, ergo werden wir das abstellen, dass sich manche jede Woche diese Hygieneartikel holen, und wir können diese Ausgaben bei der hohen Besucherzahl gar nicht mehr kontrollieren, das darf aber nicht sein, deshalb ziehen wir eine extra Kontrollschleife ein, die uns den wahren Bedarf zeigen.
Eine ganz liebe, die fast jede Woche zu uns kommt ist Elisabeth, sie hat immer einen guten Schmäh auf Lager und ist eine herzensgute Frau, die mir sehr am Herzen liegt. Elisabeth lernte ich 2012 in der Wärmestube kennen, als wir damals mit Spendern noch Besuche in den Einrichtungen machten und dort eben auch Obdachlose und Wohnungslose kennenlernten. Elisabeth ist auch jede Woche so unendlich dankbar, wie viele andere auch. Manche Schützlinge fallen uns fast um den Hals aus Dankbarkeit, weil sie sonst nicht wüssten, wovon sie leben sollen. Aber bei uns gibt es ja kein Problem mit Armut, nein, wie komme ich nur auf solch absurde Feststellungen?
Die Tage werden gottseidank wieder länger, bald schon werde ich keine Akku-lampen mehr aufladen müssen, über den Sommer brauchen wir keine Lampen und können die Zeit des Aufladens deshalb auch anders nutzen. Obwohl es schon ein schönes Stimmungsbild ergibt, wenn wir die ganze Line beleuchten und unsere Schützlinge da durchschlendern.
Schon weit über 17 Uhr, Nick und Sandra fahren, da Nick morgen früh um 4 Uhr in die Arbeit muss. Danke für deine tolle Hilfe, lieber Nick. Die Warteschlange will und will nicht abreißen, immer wieder kommen neue Menschen dazu die sich hintenanstellen. Manche Lebensmittelboxen sind schon leer und hinten aufgestapelt, die Lebensmittelboxen auf den Tischen sind auch schon ziemlich leer, es ist schon echt herausfordernd, welche Mengen wir an einem Verteil-Donnerstag ausgeben.
„Johann“ kommt strahlend mit der Geschäftsleitung zurück vom Kaffeetrinken im Bahnhof, alle sind Happy und da kommt „Peter“ und fragt auch, wie oben erwähnt, nach einer Arbeit. Ein großartiges Gefühl überzieht grade meine Arme mit fröstelnder Gänsehaut.
Anni im Bus, die Kleidung und Kühlwaren von dort ausgibt, sagt mir um kurz nach 17.30 Uhr, dass die TK-Kühlboxen fast leer sind, was auch vieles aussagt.
Langsam geht der Verteil-Donnerstag zu Ende, wir nähern uns langsam der 18 Uhr Marke und wir beginnen zusammenzuräumen. Karl und Max schupfen die Boxen in den Bus, im Nu ist der Bus eingeladen und fertig für die Lagerfahrt. Anni fährt wieder mit mir, Ingrid fährt mit Max.
Im Lager alles ausräumen und sauber machen, danach noch ein kurzer Tratsch mit Karl, Max, Ingrid und Anni, wo wir darauf zu sprechen kommen, wie wir ein faires System einführen könnten, dass manche eben nicht jede Woche Duschgel, Shampoo, Waschpulver etc. mitnehmen können. Jede/r im Verein erkennt die Situation und gemeinsam wollen wir das ändern.
Alle sind schon auf die Sitzung gespannt und alle reden von zum Teil guten Vorschlägen, die wir aber am Sonntag gemeinsam beschließen.
Langsam geht der Tag zu Ende, auf mich wartet daheim noch ganz viel Arbeit, obwohl ich auch schon ziemlich müde bin, da ich keine Nacht in dieser Woche mehr als 2,5 Stunden Schlaf bekomme. So kann es nicht mehr weitergehen, ich habe das dauernde Gefühl, mein Leben nicht mehr zu schaffen und manche Situationen einfach zuzulassen, weil ich keine Kraft mehr zur Gegenwehr habe.
Auch heute, mit den wenigen A4-Seiten sitze ich trotzdem wieder über 5 Stunden bei diesem Posting, ich habe heute noch sehr viel vorzubereiten, Dateien auf den Laptop einspielen, Listen rüber zuspielen und vieles andere. Ich erahne wieder die ganze Bandbreite an Aufgaben und Vorbereitungen, die für die Generalversammlung nötig ist und mir graut, wenn ich so ehrlich sein darf.
In meinem Kopfhörer klingt gerade die tolle Schnulze „Halte fest, den der dich liebt“ von Michael Holm, ich liebe dieses Lied, es macht so wunderbar melancholisch und traurig, obwohl das eigentlich so gar nicht mein Naturell ist. Ich bin eigentlich Zweckoptimist, der mir aber in den letzten Jahren tief drinnen abhandenkam ob der ganzen Dinge die ich so sah, hörte, zu spüren bekam und die ich nicht ändern konnte. Das tut schon sehr weh. Denn Fakt ist auch, könnte ich wie ich wollte, gäbe es in Linz keinen einzigen Obdachlosen mehr, diverse Lösungen gäbe es, aber diese zu finanzieren ist uns unmöglich, und auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Ohne die finanzielle Basis bleibt uns vieles, was den Menschen eine echte Zukunft bringen würde, verwehrt und wir können nur von einer Vision sprechen, aber die gibt es seit vielen Jahren.
Danke an all unsere Spender*innen und Gönner*innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag abhalten durften, mit Eurer tollen Unterstützung. Vergelt’s Gott und habt großen Dank!
Gott segne Euch!
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