Johann*, Monika* und die Fragen der Schüler!

Johann*, Monika* und die Fragen der Schüler!
Verteil-Donnerstag vom 6.2.2025:
Seit vielen Jahren machen wir Vorträge und Präsentationen zum Thema Obdachlosigkeit und Armut in Österreich, in diversen Schulen, in Kindergärten, in Vereinen und Firmen. Das Echo bzw. die Rückmeldungen der Lehrkräfte waren bisher immer durchwegs positiv, was mich natürlich sehr freut. Auch das Interesse der Schüler*innen zu diesem Thema ist wirklich riesengroß und das spiegelt sich in den Fragen, die im Anschluss gestellt werden können.
Hier einige Fragen, mit denen ich nach dem Vortrag in den Fragestunden konfrontiert wurde, von den Kindern und Jugendlichen.
Ich unterscheide hier zwischen einer Fragestunde in der Volksschule bei 7-12-jährigen Kindern und der Mittelschule bzw. Gymnasium mit 12-15-jährigen Jugendlichen. Kinder und Jugendliche haben oft einfühlsame und neugierige Fragen, wenn sie mit den Themen Armut, Obdachlosigkeit und dem Leben am Rande der Gesellschaft konfrontiert werden. Hier sind typische Fragen, die mir Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren und Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren gestellt haben:
Fragen von Kindern (7 bis 12 Jahre)
- Warum haben manche Menschen kein Zuhause?
- Wo schlafen Menschen, die kein zu Hause haben?
- Was essen Obdachlose jeden Tag?
- Haben obdachlose Menschen Haustiere?
- Warum können sie nicht in einem Hotel übernachten?
- Gehen die Kinder von obdachlosen Familien zur Schule?
- Wie wird man obdachlos?
- Können obdachlose Menschen wieder ein Zuhause bekommen?
- Warum haben sie manchmal so viele Taschen dabei?
- Gibt es Orte, wo obdachlose Menschen duschen können?
- Wer hilft den obdachlosen Menschen?
- Haben sie Freunde oder Familie?
- Warum bitten sie um Geld auf der Straße?
- Was machen sie, wenn es sehr kalt ist?
- Feiern obdachlose Menschen Weihnachten?
- Haben sie ein Handy oder Fernsehen?
- Was machen sie den ganzen Tag?
- Können sie arbeiten gehen?
- Warum tragen manche obdachlose Menschen alte, zerrissene Kleidung?
- Wie fühlen sie sich, wenn andere Menschen sie beschimpfen?
Fragen von Jugendlichen (12 bis 15 Jahre)
- Welche Umstände haben dazu geführt, dass sie obdachlos wurden?
- Wie sieht ein typischer Tag in ihrem Leben aus?
- Gibt es eine Unterkunft, wo Obdachlose schlafen können?
- Welche Herausforderungen begegnen Obdachlosen täglich auf der Straße?
- Gibt es auch Glück in ihrem Alltag auf der Straße?
- Wie reagieren andere Menschen auf sie, und wie gehen Obdachlose damit um?
- Welche Hilfsangebote gibt es und welche nutzen sie?
- Wie gehen sie mit gesundheitlichen Problemen um?
- Können sie zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus gehen, wenn sie krank sind?
- Haben sie eventuell Kontakt zu Familie oder alten Freunden?
- Was sind die größten Missverständnisse, die Menschen über Obdachlosigkeit haben?
- Haben Obdachlose Angst, wenn es auf der Straße dunkel ist und sie müssen irgendwo draußen schlafen gehen?
- Gibt es Gemein- oder Freundschaften unter Obdachlosen, die sich gegenseitig helfen?
- Welche Schritte wären notwendig, um wieder ein festes Zuhause und zurück in ein geregeltes Leben zu finden?
- Wo schlafen Obdachlose bei extremen Wetterbedingungen?
- Welche Rolle spielt der Alkohol wirklich, wenn man obdachlos ist?
- Stinken Obdachlose?
- Welche Wünsche oder Träume haben die Obdachlosen?
- Wie können Menschen die helfen wollen, am besten helfen?
- Was würden obdachlose Menschen gerne der Gesellschaft über Obdachlosigkeit und dem Leben auf der Straße sagen?
Diese Fragen spiegeln den Fragenkatalog, das Interesse und das Mitgefühl von Kindern und Jugendlichen wider und können dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Realitäten obdachloser und armer Menschen zu entwickeln.
Die direkte Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit den Themen Obdachlosigkeit und Armut und auch die direkte Begegnung mit obdachlosen und bedürftigen Menschen bei unserem Verteil-Donnerstag, bieten wertvolle Lernmöglichkeiten und zahlreiche Vorteile für die Heranwachsenden selbst sowie für Eltern und Lehrkräfte. Durch altersgerechte Erklärungen und praktische Beispiele können die jungen Menschen ein tieferes Verständnis für die Lebensrealitäten Betroffener entwickeln und können auch während der 2 Stunden Verteilung, immer auch Fragen an unsere Schützlinge oder an mich stellen. Diese Erfahrungen fördern nicht nur die persönliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern stärken auch das soziale Gefüge ungemein innerhalb der Familie und Schule.
Vorteile für Kinder und Jugendliche
- Empathie und Mitgefühl: Durch den direkten Kontakt mit obdachlosen Menschen entwickeln Jugendliche ein tieferes Verständnis für die Lebensumstände anderer. Sie lernen, Mitgefühl zu empfinden und die Gefühle sowie Bedürfnisse von Menschen in schwierigen Situationen wahrzunehmen und einzuordnen.
- Soziale Verantwortung: Die Auseinandersetzung mit Armut und Obdachlosigkeit sensibilisiert Jugendliche für gesellschaftliche Probleme. Sie erkennen, dass sie selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen anderer leisten können, was ihr Verantwortungsbewusstsein stärkt. Als Rückmeldung kommt oft, dass viele Jugendliche bzw. Schüler*innen gerne unseren Verteil-Donnerstag in Zukunft wieder einmal besuchen und wieder mithelfen möchten.
- Abbau von Vorurteilen: Persönliche und direkte Begegnungen helfen dabei, bestehende Vorurteile gegenüber obdachlosen Menschen abzubauen. Jugendliche erkennen, dass hinter jedem Schicksal eine individuelle Geschichte steht, was zu mehr Toleranz und Offenheit führt. Kindern aber muss man die Schicksale erst detailliert erklären, damit eventuell vorhandene Vorurteile unwichtig werden.
- Wertschätzung des eigenen Lebens: Der direkte Vergleich mit weniger privilegierten Lebenssituationen führt dazu, dass Jugendliche ihre eigenen Lebensumstände bewusster wahrnehmen und schätzen lernen. Dies kann zu Dankbarkeit und Zufriedenheit führen. Viele Jugendliche meinten beim Abschied am Ende des Verteil-Donnerstags, Zitat: „Wir gehen jetzt heim ins warme Haus, und diese Menschen müssen in der Kälte bleiben und müssen frieren“. Hier erkennt man schon die ersten Zeichen, was die letzten 2 Stunden Verteil-Donnerstag bei den Jugendlichen bewegte, und dafür bin ich mehr als glücklich. Unsere Gesellschaft zu sensibilisieren, den Menschen zu erzählen, dass Obdachlose kein „Gsindl“ sind, ist mir ein sehr großes Anliegen. Sie sind Menschen wie du und ich, mit einem mehr als tragischem Schicksal.
- Förderung von Kommunikationsfähigkeiten: Im Dialog mit obdachlosen Menschen verbessern Jugendliche ihre zwischenmenschlichen Kommunikationsfähigkeiten. Sie lernen, sich wertschätzend, respektvoll und aufmerksam dem Thema zu nähern sowie sensibel auf unterschiedliche Menschen und ihrer Vergangenheit einzugehen. Die Formulierungen ihrer Fragen kommen immer sehr zögernd, da unsere Schul-Gäste niemanden verletzen möchten oder aber auch eventuell Fragen zu stellen, die indiskret wären.
- Stärkung des Selbstwertgefühls: Aktives Engagement und das Erleben, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer zu haben, stärkt das Selbstbewusstsein der Jugendlichen und vermittelt ihnen das Gefühl, wertvoll und gebraucht zu sein. Welche tollen Erfahrungen die Schüler*innen bei einem unserer Verteil-Donnerstage machen konnten, dass erzählen mir manche Schüler*innen noch Jahre danach.
Nutzen für die Eltern
- Förderung der Familienwerte: Eltern, die ihre Kinder in soziale Projekte bzw. Vereine einbinden, vermitteln aktiv Werte wie Nächstenliebe, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Dies stärkt den familiären Zusammenhalt und die gemeinsame Wertbasis. Wir haben einige Familien, wo die Kinder bzw. die Jugendlichen vor Jahren begonnen haben, unseren Verein zu unterstützen, und heute ist die gesamte Familie an den Spendensammlungen für uns beteiligt und hilft tatkräftigst mit. Einfach großartig!
- Positives Verhalten: Durch das Engagement in sozialen Projekten und Vereinen entwickeln Jugendliche oft ein verantwortungsbewussteres und reiferes Verhalten, was sich positiv auf das Familienleben direkt auswirkt. Schüler*innen gehen schon am Abend des Verteil-Donnerstags reifer nach Hause, da viele Fragen beantwortet und enorm viele Eindrücke verarbeitet wurden. Das lässt in gewisser Form junge Menschen, zumindest in diesem Thema, schneller reifen.
- Gemeinsame Erlebnisse: Familien, die gemeinsam in der Obdachlosenhilfsaktion aktiv sind, teilen bedeutsame Erfahrungen, die die familiären Bindungen vertiefen und gemeinsame Erinnerungen schaffen. Wir haben immer wieder Anfragen von Familien, die gemeinsam mit ihren Kiddies am Verteil-Donnerstag teilnehmen möchten und wir das auch so weit es geht, fördern.
Nutzen für Lehrkräfte
- Praktische Anwendung von Unterrichtsinhalten: Lehrkräfte können theoretische Inhalte aus Fächern wie Sozialkunde oder Religion durch praktische Erfahrungen bei solchen Verteil-Donnerstagen ergänzen, was den Lernstoff greifbarer und lebensnaher macht, und die Beispiele können anschließend in den diversen Unterrichtsstunden diskutiert, besprochen und resümiert werden.
- Förderung des Klassenklimas: Gemeinsame soziale Projekte stärken den Zusammenhalt innerhalb der Klasse und fördern Teamarbeit sowie gegenseitigen Respekt. Wir sehen immer wieder, wenn wir Schulklassen zu Gast haben an den Verteil-Donnerstagen, wie sehr sie die Begegnungen mit unseren Schützlingen zusammenschweißt. Es gibt dann mehrere kleine Gruppen mit Schüler*innen, die zusammen zuerst die Eindrücke besprechen und diese dann auch wirken lassen
- Ganzheitliche Bildung: Durch die Einbindung sozialer Themen in den Schulalltag unterstützen Lehrkräfte die ganzheitliche Bildung der Schüler und Schülerinnen und fördern deren soziale Kompetenzen. Wir merken am Ende so eines Verteiltages immer wieder, wie schon erwähnt, dass dieses gesamte Thema Armut und Obdachlosigkeit bei den Jugendlichen große Wirkung und noch größere Eindrücke zeigen.
Die positiven Rückmeldungen der Schüler und Schülerinnen beim Verteil-Donnerstag, insbesondere wenn über die Freundlichkeit und Bescheidenheit der obdachlosen Menschen sowie über deren Fürsorge für andere Bedürftige gesprochen wurde, unterstreichen die wertvollen Lektionen, die Kinder und Jugendliche aus solchen Begegnungen ziehen können. Diese Erfahrungen prägen nachhaltig und tragen zur Entwicklung verantwortungsbewusster und empathischer Persönlichkeiten bei.
Insgesamt profitieren sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch Eltern und Lehrkräfte von der direkten Auseinandersetzung mit Themen wie Armut und Obdachlosigkeit. Solche Erfahrungen fördern nicht nur individuelle Kompetenzen, sondern stärken auch das soziale Miteinander und das Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung.
Altersgerechte Erklärungen
- Obdachlosigkeit: Einfach erklärt bedeutet Obdachlosigkeit, dass Menschen kein festes Zuhause haben und oft auf der Straße leben und schlafen müssen. Sie wissen anfangs oft gar nicht, wohin sie gehen sollen und ob und wo sie Hilfe bekommen.
- Armut: Armut bedeutet, dass viele Familien nicht genug Geld haben, um sich Dinge leisten zu können, die für andere selbstverständlich sind, wie zum Beispiel regelmäßiges warmes Essen, neue Kleidung, diverse Schulmaterialien oder Freizeitaktivitäten wie z.B. Schwimmen oder ins Kino zu gehen. In Österreich ist jedes fünfte Kind von direkter Armut bedroht.
Beispiele, wie Kinder und Jugendliche Obdachlosigkeit und Armut verstehen können
- Geschichten und Bilderbücher: Bücher wie "Kein Bett in der Nacht" erzählen aus der Perspektive eines Kindes von Menschen, die auf der Straße leben, und regen zum Nachdenken an. Solche Geschichten helfen Kindern, sich in die Lage anderer zu versetzen und Mitgefühl zu entwickeln.
- Rollenspiele: Durch Rollenspiele können Kinder und Jugendliche nachstellen, wie es ist, kein Zuhause zu haben oder mit wenig Geld auszukommen. Sie könnten zum Beispiel versuchen, einen Tag ohne ihre gewohnten Annehmlichkeiten wie z.B. beim Computer im Internet oder vor der Play Station zu verbringen, um die Herausforderungen nachzuempfinden.
- Besuch von Hilfseinrichtungen: Ein Besuch in einer Notschlafstelle oder einer Obdachlosen-Tagesstätte kann Kindern und Jugendlichen die Realität von Armut und Obdachlosigkeit näherbringen. Sie sehen, wie Menschen in Not unterstützt werden und lernen die Bedeutung von Solidarität und Hilfe kennen.
- Projekte in der Schule: Schulprojekte, bei denen Kinder Spenden sammeln oder Aktionen für Bedürftige organisieren, fördern das Bewusstsein für soziale Ungleichheit und ermutigen zu aktivem Engagement. Das Stiftsgymnasium Wilhering hat sich hier in all den Jahren besonders hervorgetan, dort wurden ganz, ganz viele Veranstaltungen gemacht, die zu unseren Gunsten veranstaltet wurden. Zum Beispiel wurde dort ein ganzes Musical getextet und komponiert, dass „Homeless“ hieß und das bei der Aufführung eine sensationelle Geldspende von € 4500,- zur Folge hatte. Man muss sich das einmal vorstellen, ein Musical das fast 2 Stunden dauerte, zu erfinden, zu texten, zu komponieren, zu arrangieren und aufzuführen. Eine Mega-Charity war das, und ich verneige mich noch heute zutiefst vor allen Beteiligten. Ein aktuelles Projekt der 4m des Khevenhüller-Gymnasiums veranstaltete ebenfalls letzte Woche eine tolle Charity und verkaufte Kuchen und Süßen, zu unseren Gunsten. Ein aktuelles, tolles Projekt, das für uns € 392,70 einbrachte. Vielen, herzlichen Dank und Vergelt’s Gott an die Klasse 4m und an alle Lehrkräfte.
- Diskussionen im Unterricht: Lehrer können mit den Schülern über die Ursachen von Armut und Obdachlosigkeit sprechen und gemeinsam überlegen, wie geholfen werden kann. Dies fördert kritisches Denken und Empathie. Durch solche Aktivitäten entwickeln Kinder und Jugendliche ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen, denen obdachlose und arme Menschen gegenüberstehen und ausgeliefert sind, und lernen, wie wichtig es ist, anderen zu helfen und sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen.
Unser Verteil-Donnerstag ging für mich diesmal etwas später los, da ich noch einen wichtigen Termin am Donnerstagvormittag hatte. Am Mittwochabend schon kamen unsere Freunde aus dem Außerfern, aus Reutte in Tirol, an und haben mich zum Abendessen eingeladen. Ulrike und Gabi besuchen uns jedes Jahr und bringen immer ganz viele Spenden mit, aus Tirol. Dafür ein demütiges Vergelt’s Gott ihr zwei. Ulrike und Gabi haben selbst auch ein Projekt, und zwar sammeln sie Spenden für Kinder in Nepal. Ulrike und Gabi haben dort schon 4 (!) Schulen für die Kinder Nepals gebaut, ausschließlich mit den Spenden aus Tirol und den dortigen Veranstaltungen. Wahnsinn! Und jetzt kommt noch ein Frauenhaus in Nepal dazu, das gerade gebaut wird. Die Beiden sind einfach tolle Menschen und ich habe mich riesig gefreut, sie wieder zu begrüßen. Sie sind jedes Jahr eine große Bereicherung für unseren Verein und den Verteil-Donnerstag, wo sie diese Woche dabei sind und uns unterstützen.
Ich komme um 10.15 Uhr ins Lager, es „wurlt“ vor lauter fleißigen Menschen, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich diesen Termin wahrnehmen musste. Am lautesten begrüßt mich wie immer, meine Kimi, mit lautem jaulen vor lauter Freude heißt Kimi mich willkommen im Lager. Ich liebe diese tolle Hündin über alles.
Die Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag sind mehr oder weniger schon abgeschlossen, Verena wischt unseren Bus heraus, Hilde und Anni sind noch mit dem Aufräumen diverser Spenden beschäftigt, zu Mittag dann kommt Christian, der mit Verena den Bus einladen wird, damit ich entlastet bin. Toll - DANKE!
Zum Mittagstisch heute gibt es ein überaus leckeres Gulasch aus Garmisch-Partenkirchen, wo Gabi eigentlich lebt, dass sie uns mitgebracht hat. Garmisch-Partenkirchen und Reutte in Tirol liegen ja nicht so weit auseinander und deshalb immer auch kurzfristig anzusteuern, wenn Not an der Frau ist in Tirol.
Nach dem Mittagstisch ruft mich ein junger Mann an und fragt mich ob ich kurz Zeit hätte, mit ihm zu telefonieren, er müsse mir etwas sagen und mich einige Dinge auch fragen. Er gab sich zu erkennen als Sohn von Ronny, den wir schon seit 2017 begleiten. Damals lernte ich Ronny in der Wärmestube in Linz kennen, er war gerade obdachlos geworden. Ronny war damals verstört, orientierungslos und ohne jede Hoffnung. Er ist damals von allen im Stich gelassen worden, als er im Mühlviertel, seiner Heimat, delogiert wurde. Und um sich nicht jeden Tag schämen zu müssen, ging er nach Linz, in die Anonymität, und stürzte hier total ab.
Sein Sohn erzählt mir das Ronny in den letzten Tagen von der Polizei, durch gewaltsame Öffnung seines Zimmers, tod aufgefunden wurde. Ronny muss dort schon einige Wochen gelegen sein, entsprechend war der Zustand des Leichnams. Sein Sohn erzählt mir auch, dass der Vater von Ronny, am Tag des Auffindens von Ronny, just an diesem Tag auch verstarb, so dass nun ein Doppel-Begräbnis zu organisieren ist. Manchmal könnte ich das Schicksal echt in den Hintern treten, so unbarmherzig wie es manchmal zuschlägt. Jedenfalls wollte der Sohn am Telefon wissen, welcher Mensch Ronny war und dass er uns unendlich dankbar ist, dass wir ihn immer wieder unterstützt haben in all den Jahren. Ich wusste von Ronny, dass er grenzenlos enttäuscht war von seiner Familie und seinen Freunden, weil sie ihn in größter Not, fallen ließen, und das habe ich Ronnys Sohn auch so gesagt, unverblümt. Jedenfalls zeigt er am Telefon große Reue und bedankte sich mehrmals, für unser tun.
Nach diesem Telefonat war ich wahrlich zerrissen, da ich nun die Gewissheit hatte, dass meine Vorahnung berechtigt gewesen ist. Ich wollte und konnte gerade nicht zum Tagesplan übergehen, dass Ronny nun tod gefunden wurde, schmerzt mich sehr, weil ich ihn mochte und weil er ein Herz für seine obdachlosen Freunde hatte, er kümmerte sich immer zuerst um die anderen und nie um sich selbst. Der Sohn sagte mir noch am Telefon, dass er Ronny und seinen Opa in ein Grab zusammenlegen möchte, dass sie im Tod wieder vereint sind. Ich kann nicht sagen, ob Ronny das gewollt hätte, für mich ist es jedenfalls ein schöner Gedanke, dass sie im Tod wieder vereint sind. Auf die finanzielle Belastung durch die beiden Begräbnisse brauche ich hier nicht näher eingehen, die ist schon sehr groß, für einen jungen Mann.
Im Lager haben wir alles erledigt, und die Uhr nähert sich langsam der 15 Uhr Marke, also Abfahrt nach Linz. Anni fährt mit mir und Ulrike und Gabi fahren selbst nach Linz, deshalb muss ich etwas langsamer fahren.
Angekommen in Linz, steht unser Tony und zwei andere unserer Schützlinge schon parat, obwohl es erst um 16 Uhr losgeht. Tony hilft uns jeden Donnerstag die Tische aufzubauen und zu platzieren.
Heute geht ein relativ starker Wind der es heute, zumindest jetzt beim Aufbau, unerträglich kalt macht. Karl ist da und Max ebenfalls, und so geht es echt im Eilzugstempo, und schon steht alles. Ulrike und Gabi werden noch „eingeschult“ wieviel von welchen Lebensmitteln jede/r bekommt, und schon kann es losgehen. Unser Michael sitzt mit Liegegips wieder am Laptop und gibt dort alle relevanten Daten ein, wofür ich sehr froh bin, dass er mich ersetzt und ich mich um andere Sachen kümmern kann.
Es dauert nicht lange bis Johann* zu mir kommt und mit mir abseits in Ruhe reden möchte. Er beginnt zu weinen und zu schluchzen und er erzählt mir, dass er wegen dem Rückstand von 1 Monatsmiete von seinem privaten Vermieter delogiert wurde und daraufhin auch seine Arbeit verloren hat. Seine Welt bekam Schlagseite und das Schicksal prügelt ihn seit ein paar Tagen durch alle Instanzen, die es im Leben gibt. Johann* fragt mich ob wir unsere vor 2 Jahren angemieteten Wohnungen noch haben, was ich leider verneinen musste. Ich leihe Johann* mein offenes Ohr und verspreche ihm, ihn nicht im Augenblick der größten Not, alleine zu lassen. Ich verspreche ihm zu helfen, wo und wie kann ich noch nicht sagen, ich werde mich bemühen, vielleicht eine Arbeit für ihn zu finden, deshalb ist es jetzt wichtig, dass er sich dringend irgendwo einen Hauptwohnsitz besorgt, damit ihn der Arbeitgeber überhaupt anmelden kann. Max beobachtet das Gespräch zwischen Johann* und mir und wir legen zusammen und stecken Johann* € 30,- zu, damit er eine Öffi-Karte für die Bim und Bus kaufen kann, und nicht schwarzfahren muss. Johann* ist gelernter Maler & Anstreicher, hat diesen Beruf vor Jahrzehnten gelernt aber nie ausgeübt, aber auch das würde er sich zutrauen, ausüben zu können. Oder jede andere Hilfstätigkeit, egal was, bitte, bitte liebe Leute, wenn ihr was hört, bitte schreibt es mir, vielleicht kann ich Johann* helfen, dass er erst gar nicht so weit abstürzt, dass wir ihn gemeinsam auffangen können. Ein Mensch in größter Not, der wirklich dringend unsere Hilfe und Unterstützung braucht, bitte helft uns, dass wir hier dem unbarmherzigen Schicksal ein Schnippchen schlagen können. BITTE – liebe Leute!
Die Warteschlange wird immer länger, wir haben Monatsbeginn und einige unserer Schützlinge bekamen ein wenig Geld, deshalb kommen viele am Monatsbeginn nicht zu uns, diesmal aber zeigt die Warteschlange schon vor Beginn in welche Richtung wir heute gehen, wahrscheinlich wieder über die 100er-Besucher Marke.
16 Uhr, wir beginnen mit der Ausgabe, die ersten 4 Wartenden werden in die Line geschickt, ich gebe dann Michael das Zeichen ein wenig zu warten, weil wir sonst bei den Kühl- und Tiefkühlwaren am Bus eine Engstelle haben. Michael hat selbst ein gutes Gefühl, was möglich ist und wenn er warten muss. Binnen kürzester Zeit wäschst die Warteschlange auf etwa 40 Personen an, jene nicht mitgezählt die schon fertig waren und wieder gegangen sind. Auch einige neue Gesichter sind dabei, hier bitte unser Formular ausfüllen, irgendeinen Ausweis vorlegen, Einkommensnachweis besorgen und ein Foto für unsere NFC-Karte machen. Langsam wir es für Michael Routine, die Arbeit am Laptop.
Kaum war Johann* mit dem abholen der Lebensmittel fertig, bekommt er von uns noch einige Nächtigungsjetons für die Notschlafstelle, damit er nicht in der Kälte schlafen muss, hoffentlich bekommt er auch wirklich einen der wenigen Schlafplätze in der Notschlafstelle.
Schon steht Monika* vor mir: „Walter, hast kurz Zeit bitte?“ Klar, habe ich, und auch sie erzählt mir, dass ihr letzte Woche alle Leistungen bis auf weiteres gestrichen wurden und sie jetzt auch nicht mehr krankenversichert ist. Auch sie schläft in der Notschlafstelle und möchte schon seit einigen Wochen aus dem ganzen System ausbrechen, aber es gelingt ihr nicht. Sie mag sich der Willkür der Ämter und des Magistrats nicht mehr aussetzen und möchte sich schnellstens eine feste Arbeit suchen, um aus dieser Abwärtsspirale auszubrechen und endlich wieder Fuß zu fassen im Leben. Sie bittet mich, nachdem ich ihr 2022 schon € 120,- geliehen habe, ihr neuerlich € 20,- zu leihen, um sich ebenfalls eine Monatskarte für die Öffies zu kaufen, da sie noch ein paar Euros selber hat, geht sich das aus und ich drücke halt nochmal ein Auge zu und hoffe, dass Monika* wirklich in die Gänge kommt. Es würde mich riesig freuen.
Summa summarum ist der heutige Verteil-Donnerstag schon sehr beladen mit tiefen Emotionen und mentalen Verwirbelungen, zeitweise ist es unerträglich heute für mich, das ganze Leid vor Augen geführt zu bekommen. Ich gehe zu Ulrike und Gabi um mich abzulenken, aber auch die Beiden haben das Gespräch und die Reaktion von Johann* mitbekommen und sind emotional tief betroffen. Ja, das sind schon Momente, die ich eigentlich nicht jede Woche brauche aber ich als Obmann meines Vereins kann und darf nicht auch noch weglaufen, wer sonst sollte an diese unsere Schützlinge noch glauben, wenn nicht wir. Monika* bedankt sich gefühlte 10-mal und geht dann schnurstracks in die gerade hereingebrochene Dunkelheit Richtung Bahnhof.
Ich muss jetzt für ein paar Minuten weg vom Schuss, weg, einfach um die Ecke, um mich emotional wieder zu fassen und um dann wieder meine Arbeit zu machen, nämlich den wartenden Menschen wieder etwas Hoffnung und Lebensmittel zu schenken, jemand anders macht das nämlich nicht, zumindest kommt es mir manchmal so vor. Andere Vereine und Plattformen treffen sich und quatschen regelmäßig miteinander und mit Politikern über alles was sie vorhaben, aber sie alle sind ab spätestens 16 Uhr nicht mehr erreichbar und dann macht eh der dumme Hr. Kreische die Arbeit, nachts wenn die Polizei oder die ÖBB-Security anruft, weil jemand dringend Hilfe benötigt. Manchmal fühle ich mich schon genau so, als ob man einen nützlichen Deppen gefunden hat, der die ganze Arbeit außerhalb der Normzeiten macht und die Landesförderungen kassieren all jene, die genau um 16 Uhr ihr Büro zusperren und nicht mehr erreichbar sind. Das sei nur so nebenbei erwähnt, ich und mein Team machen aber unsere Arbeit aus tiefster Überzeugung, aus Nächstenliebe und mit ganz viel Herzblut, das unterscheidet uns von manch anderen.
Gerade 17 Uhr vorbei, die ganze Warteschlange ist abgearbeitet, niemand mehr da in der Warteschlange, es dauert keine 5 Minuten, stehen wieder einige an und binnen kürzester Zeit stehen wieder 20 Menschen in der Warteschlange, es ist ein ständiges Kommen und Gehen.
Viele kurze Gespräche wühlen mich immer wieder auf, Unverständnis über manche Aussagen auf Ämter die mir erzählt werden, Wahnsinn, keine Ahnung was in solchen Köpfen vorgeht, wie manche Linzer „Amtspferde“ mit unseren Menschen umgehen. Tiefer nachdenken darüber ist mir momentan nicht möglich, ich werde mit den vielen Aussagen heute wieder einmal ins Bett gehen und nachts munter werden, schweißgebadet.
Ulrike, Gabi und Christos, der heute zum ersten Mal dabei ist, sind beeindruckt von unserem Wirken und nehmen viele Dinge mit nach Hause. Christos wird fix ein Mitglied in unserem Verein, worüber ich mich sehr freue. Er und auch Sandra, die beide auf Anfrage von Regina zu uns kamen und die uns am Mittwoch im TK-Lager geholfen hat, beide sind eine echte Bereicherung für unseren Verein. Christos gefällt was wir machen und lächelt immerzu, ein netter und überaus hilfsbereiter Mensch.
Unser Max und unser Karl bauen schon die ersten Tische ab, es ist schon 18 Uhr vorbei und es stehen immer noch 5 Leute in der Warteschlange. Wir bitten die Leute, sich zu beeilen, da wir schon weit über der Zeit sind und im Lager Ansfelden noch ein Spender auf mich wartet. Im Nu sind alle abgefertigt und haben alles bekommen, was sie brauchen. Das waren heute wie befürchtet wieder 102 Menschen, die unsere Hilfe brauchen, 102 Menschen die am Monatsbeginn schon Hilfe brauchen, weil es hinten und vorne nicht mehr reicht, zum Leben nicht und zum Sterben auch nicht.
Wir bauen alles ab und laden alles ein, brechen auf Richtung Ansfelden, denn dort wartet schon Klaus, der „Baron de Sel“ aus dem Mühlviertel, der uns schon lange Zeit unterstützt. Klaus hat Kleidung und Gewürze aus seiner Firma mit dabei, worüber ich wie immer sehr glücklich bin. Vergelt’s Gott lieber Klaus, für diese tolle Spende.
Alle anderen kommen etwas verzögert ins Lager, gemeinsam laden wir alles aus und lagern alles wieder ein, bis nächste Woche, bis zum nächsten Verteil-Donnerstag. Nach getaner Arbeit, beim Abschlussgespräch mit dem Team im Lager, reden wir nochmal über alle Themen, die uns schon in Linz beschäftigten, es war ziemlich still und wir hatten alle ganz viele Fragezeichen im Gemüt, die weder heute noch in Zukunft ehrlich beantwortet werden, fürchte ich.
Ich bin immer noch sehr traurig über all jene Dinge, die so passierten in dieser letzten Woche. Ich muss mich aber aufrappeln und für mich einen Weg finden, mit alldem umzugehen, sonst könnten wir bald nicht mehr effektiv helfen und würden an den Schicksalen zugrunde gehen.
Ich sitze nun seit fast 6 Stunden hier, um diesen Text auf über 14 A4-Seiten zusammenzufassen, ich bin gerade genauso gebeutelt von all den Emotionen, die mich schon am Donnerstag am falschen Fuß erwischten und ich kein Mittel dagegen fand und auch heute keines finde. Alles kommt wieder hoch und drückt mich gefühlt in eine dunkle Ecke, in die ich eigentlich nicht möchte. Ich muss mich sammeln und wieder positiv denken, bevor mir irgendein Gedanke die Kette um die Beine legt und mich in dieser Ecke ankettet für den Rest meines Lebens.
Ich bedanke mich bei all unseren Gönner*innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag machen durften, Vergelt’s Gott und habt großen Dank.
In meinem Kopfhörer läuft gerade Horst Chmela mit dem Titel „Ana hat imma das Bummerl“, wie treffend zu meiner Gemütslage, die mich auch heute nicht loslassen will. Danke für Eure Aufmerksamkeit und DANKE für Eure Loyalität.
Schön, dass es Euch gibt!
Gott segne Euch!
Johann* und Monika* - Namen geändert
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