Kein Thema!

Kein Thema!
Verteil-Donnerstag vom 10.4.2025:
Mein heutiges Posting enthält keine Geschichte zur Geschichte, ich schreibe heute lediglich von unserem Verteil-Donnerstag, der diesmal kein leichter war.
Es ist Donnerstagmorgen. Die Sonne kämpft sich mühsam durch einen grauen Schleier, der wie eine schwere Decke auf der Stadt liegt. In der Luft liegt unpassende Kälte, nicht nur die des schwindenden Winters, sondern auch die einer Gesellschaft, in der viele Menschen oft unsichtbar bleiben. Doch dieser Donnerstag ist anders. Es ist Verteil-Donnerstag. Ein Tag, der in der Obdachlosenhilfsaktion.at seit Jahren fester Bestandteil gelebter Menschlichkeit ist.
Die Vorbereitungen laufen am Vormittag wie gewohnt ab, ich habe heute bis 10 Uhr frei und komme erst dann ins Lager, weil mein Tag abends ohnehin länger dauert, mindestens bis 22 Uhr bis ich alles aufgearbeitet habe.
Heute bekommen wir den neuen Mietvertrag von unserem Lager und deshalb bin ich schon neugierig, da der letzte Entwurf fehlerhaft war und nun hoffentlich berichtigt ist. Nach Ankunft im Lager setze ich mich deshalb gleich zur Lektüre und sehe wieder einige Fehler, Anruf bei Hr. S., er hebt wieder nicht ab, es ist mühsam, sehr mühsam.
Schon bald aber sind die Vorbereitungen abgeschlossen und wir können den Transporter beladen. Nicht nach Schema „F“, sondern immer im Sinne der Ladungssicherung und ordnungsgemäß, ist gar nicht so einfach. Die schweren Kisten unten, die mittelschweren in die Mitte und die leichten Kisten oben drauf, sonst würden die Kisten umfallen, wenn es umgekehrt geladen wäre.
Nach dem Mittagstisch, den wieder Anni zubereitete, Nudelauflauf mit Käse überbacken, so lecker, danke für diese Mahlzeit. Danach wird der Bus fertig geladen, bis auf unsere mobilen Kühltruhen, die werden erst um 14.30 Uhr geladen, weil sonst der Akku nicht halten würde.
Nebenbei noch einige Arbeiten im Lager, Spenden einlagern und Ordnung schaffen, in einem Lager gibt es immer Arbeit, immer, man muss sie aber auch sehen und tun wollen, was nicht immer der Fall ist.
Zu Mittag kommt noch eine treue Spenderin, Kornelia die uns diesmal 10 dicke Gewebeplanen als Spende bringt, als Unterlage für die Isomatte, damit es nicht nass durchgeht und man nicht im Nassen liegt.
Um 15 Uhr brechen Anni und ich auf Richtung Linz, wo schon einige unserer Schützlinge auf uns warten. Schon bei der Ankunft ist eine große Unruhe in der Warteschlange, warum kann ich in diesem Augenblick nicht sagen, später stellt sich heraus, dass sich jemand, obwohl wir noch fast 40 Minuten bis zum Ausgabebeginn haben, dauernd vordrängt, was nicht geht.
Wir laden aus und bauen alles auf, und immer wieder bemerke ich die große Unruhe in der Warteschlange und gehe auch öfters hin und versuche beruhigend einzuwirken, was mir heute so gar nicht gelingt.
Michael baut den Laptop auf, Regina, Roswitha und Gabi richten sich die ihnen zugeteilten Lebensmittelboxen zurecht, damit später die Ausgabe leichter geht.
Punkt 16 Uhr, wir beginnen mit der Ausgabe, Frau M. steht hinten in der Warteschlange und ich sehe von Weitem, dass sie immer noch nicht gesund ist und dass ihr kalt ist, also gehe ich zu ihr und hole sie vor, damit sie so schnell wie möglich wieder nach Hause kommt. Wenn man eh schon schwer krank ist, und dann noch zusätzlich grippig ist, muss es nicht sein, dass man diese Menschen länger warten lässt.
Gleich nach Beginn der Spendenausgabe kommt Herr S. von der ÖBB zu mir, der mir gerade erklärt, dass Anfang Juli 2025 das Gebäude hier abgerissen wird und wir von hier wegmüssen. Na Bumm! Das sitzt. Ich bin grade sprachlos und habe keine Ahnung, was wir noch machen können oder wo wir nun zu suchen beginnen, wo es einen Platz für uns gäbe, in Bahnhofsnähe. Vor Jahren habe ich, als wir damals vom Hauser Hof wegmussten, alle Möglichkeiten abgeklopft, an jede Tür geklingelt und jede noch so kleine Möglichkeit abgeklärt, bis wir bei der ÖBB ein offenes Ohr fanden. Herr R. und Herr S. von der ÖBB waren uns immer gut gesonnen, fanden unsere Aktion immer gut und tun das auch heute noch, aber wenn es halt auch keine Möglichkeiten mehr gibt, alles ausgeschöpft ist, muss man dies auch zur Kenntnis nehmen, und entweder weitersuchen oder alles einstellen.
Im Gespräch mit Herrn S. bin ich in Gedanken schon dabei, alle Möglichkeiten abzugehen und alle Eventualitäten in Betracht zu ziehen, ich versuche keinen Platz, keine Straße zu vergessen, Herr S. redet auf mich ein und versucht zu erklären, ich jedoch bin gedanklich schon bei der Suche nach einem neuen Platz. Herr S. empfiehlt mir noch, morgen am Freitag Herrn R. anzurufen, vielleicht ergibt sich noch eine Möglichkeit. Ich bin konsterniert und sprachlos, weil ich niemals damit gerechnet hätte, weil ich immer die Info bekam, dass wir wegmüssen, wenn hier die geplanten Hochhäuser gebaut werden. Es ist wie es ist, ich kann es nicht mehr ändern, die Entscheidung ist gefallen und nun werden wir schauen, ob wir eine Lösung finden oder den Verteil-Donnerstag einstellen müssen.
Wir müssen nun einen privaten Platz finden, weil wir sonst jede Woche eine Veranstaltung bei der Stadt Linz anmelden müssten, die uns jede Woche knapp € 200,- kosten würde und dann müssten wir noch für jede ausgegebene Spende, egal ob ein Apfel oder eine Zahnbürste, € 0,89 an Abgaben an die Stadt Linz bezahlen, was uns nicht möglich ist. Ich dürfte diese Kosten gar nicht von den Geldspenden bezahlen, ich würde mich strafbar machen, und privat kann ich diese Kosten nicht bezahlen. Das würde uns immer treffen, wenn wir im öffentlichen Raum stehen, auf privatem Grund müssten wir diese Abgaben nicht bezahlen. Aber die privaten Plätze in der Nähe des Hauptbahnhofs sind halt auch Mangelware, und einige von denen die einen Platz hätten, wollen uns diesen Platz nicht zur Verfügung stellen, so z.B. die Post, die das riesengroße Areal ja wieder aktiviert hat, aber für uns nichts übrighat. Das haben wir zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren. Ich werde keine Möglichkeit auslassen, aber ich mache mir ehrlich gesagt, nicht viel Hoffnung.
Eine Möglichkeit, die früher einmal im Raum stand, sind kleine leerstehende Geschäfte, jene die vorne ein paar Quadratmeter Verkaufsfläche haben und hinten noch ein kleines Lager, aber mittlerweile sind diese Mieten ins Exorbitante gewachsen, unmöglich für uns so eine Immobilie zu finanzieren, die monatlich mehrere tausend Euro kostet.
Herr S. sieht, dass mir seine Ankündigung mehr als im „Magen“ liegt und versucht mich noch, zu beruhigen, was ihm aber nicht gelingt. Ich gehe auf und ab und lasse mich gedanklich auf keine äußeren Umstände ein, sondern bin tief in Gedanken und suche alle Möglichkeiten ab, bis mir Max schreit. Ich komme, jener junge Mann der uns die letzten 3 Wochen schon den gleichen Zettel vom AMS brachte, hat heute wieder keinen Einkommensnachweis mit, ärgerlich, ich sage ihm eindringlich, dass er künftig nichts mehr bekommt, wenn er nicht wie alle anderen auch, einen gültigen Einkommensnachweis bringt. Er findet immer wieder Ausreden, aber damit kommt er nicht mehr durch, auch Max sagt ihm deutlich, was die Konsequenz ist.
Auf einmal fängt Elisabeth an zu weinen und erzählt mir, dass ihre Tante, an der sie sehr hing, heute gestorben ist. Ich versuche Elisabeth zu trösten, was mir nicht gelingt. Sie kann es noch nicht glauben und schon gar nicht greifen. Mein Beileid!
Der heutige Verteil-Donnerstag ist eher die Ausnahme, wo jeder macht was er will und die Disziplin dort lässt, wo sie ist, nämlich weit weg. Manche in der Warteschlange raffen heute alles zusammen was sie bekommen, so manches „Einkaufserlebnis“ beende ich abrupt, das sind manchmal Größen, die kann niemand in 1 Woche essen.
Wir hatten schon lange keinen derartigen Verteil-Donnerstag mehr, an dem so eine Stimmung war und an dem so vieles schief ging, aber wir geben unser Bestes, ob das recht wissen wir noch nicht.
Mittlerweile ist es 17.30 Uhr und es kommen nur noch vereinzelt Menschen zum Bus, wir beginnen langsam, die leeren Kisten zusammenzustellen, ich informiere auch nach und nach unser Team über die neuen Informationen, und wir sind alle sprachlos.
Langsam geht der heutige Verteil-Donnerstag zu Ende, 18 Uhr, wir räumen alles ein, da kommen echt noch Nachzügler, die nur noch das bekommen, worauf wir jetzt noch Zugriff haben. Auch wir haben Zeiten, an die sich alle zu richten haben, ergo können wir nichts mehr ausräumen um wieder von vorne zu beginnen, das geht nicht und machen wir auch nicht.
Im Nu ist alles eingeladen und wir fahren wieder nach Ansfelden, um dort alles wieder einzulagern. Im Lager reden wir noch kurz über die neue Lage, aber uns fällt momentan nicht viel ein. Wir fahren alle heim und denken nach, was wir machen können und was nicht.
Bitte, liebe Leute, seid mir nicht böse, aber ich habe zurzeit nicht die Muse und auch nicht die Kraft für ein längeres Posting. Ich habe mich 5 A4-Seiten kurzgehalten, ich wünsche euch einen ruhigen Sonntag und alles liebe. Danke für Eure Aufmerksamkeit, danke an all unsere Spender: innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag machen durften.
Gott segne Euch!
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