Letzte Linz-Tour vor der Sommerpause!
An unserem heutigen...
...Spendenannahmevormittag besuchten uns 2 Familien mit tollen Lebensmittelspenden, vielen Dank und Vergelt’s Gott. Es hat gut getan, nicht wieder umsonst gewartet zu haben, danke dafür.
Ansonsten haben wir die normalen Lagertätigkeiten ausgeführt, umgeräumt, eingeräumt und weggeräumt, was in einem Lager halt so anfällt an arbeiten. An diesem Samstagvormittag laufen auch die Vorbereitungen für die letzte Linz-Tour heute, bis voraussichtlich September/Oktober 2022. Im Lager entstand am Jausen Tisch dann eine Diskussion über die aktuelle, brisante Lage am Energiemarkt und generell, unser Team hat hier schon ein sehr feines Gespür für Situationen, die für viele Familien immer schwieriger werden. Der heutige Vormittag ist mit Regen ausgestattet, laut Wetterbericht wird es auch den ganzen Tag so bleiben. Unsere Liste der dringend benötigten Artikel ist immer noch aktuell, haltbare Milch und haltbare Fertiggerichte, Dosenfische, Aufstriche und Eckerlkäse sowie alles, was sich vom MHD länger hält. Vroni Hein, eine liebe langjährige Spenderin besuchte uns an diesem Samstagvormittag mit ihrem Sohn, der gerade aus einem 9-jährigen Hamburg Abenteuer zurückkam und brachte uns genau solche Lebensmittel, 2 Bananenschachteln voll, und obendrauf noch € 50,- Geldspende, recht lieben Dank liebe Vroni! Und auch die Familie Draxler brachte uns viele tolle Spenden, auch vielen lieben Dank, liebe Fam. Draxler!
Hier möchte ich auch endlich einmal anmerken was unser Team so leistet außerhalb der ganzen tollen Arbeit im Lager. Unsere Beate fährt am Donnerstag etwa 100km nach Ansfelden, um uns beim Verteil-Donnerstag zu helfen, abends wieder 100km zurück, und jeden Samstag nochmal das gleiche, 100km ins Lager und zu Mittag wieder zurück, pro Woche 400km ehrenamtlich zu fahren ist schon….großartig, danke liebe Beate für deine zahlreichen Einsätze und für deine immer lustige Art, Stimmung ins Team zu bringen, zum Lachen gibt es immer viel mit Beate.
Heute arbeiten wir etwas länger als bis 12Uhr, da wir noch die Winterjacken umräumen müssen und die leichten Softshell-Jacken, die jetzt gebraucht werden, hervorgekramt werden müssen. Lagertechnisch sind wir großartig organisiert, dank unseren Damen Barbara und Petra, die die ganze Lagerverwaltung mit der unterjährigen Inventur stemmen. Um 13.00 Uhr ist es Zeit, aufzubrechen, da noch ein anstrengender Abend folgt.
Die letzte Linz-Tour bis vorerst einmal September/Oktober 2022. Natürlich werde ich nach unseren Schützlingen schauen und wenn etwas benötigt wird, werde ich das auch den Menschen bringen, aber geplante Touren durchs nächtliche Linz sind keine mehr geplant jetzt. Für heute Abend hat mir eigentlich Jutta als Begleitung zugesagt, die aber dann kurzfristig absagt und somit springt Martina ein und wird mich heute Abend begleiten. Es wird spannend, weil Martina noch nie mitgefahren ist und das für sie Neuland sein wird. Ich werde gut aufpassen, um Martina nicht zu überfordern mit all den Dingen, die so passieren auf einer Linz-Tour. Treffpunkt ist wieder 18 Uhr bei der Metro, wir haben heute viele Wurstsemmeln und heißen Tee dabei, sowie unser gesamtes Repertoire der Linz-Tour, Lebensmittel, Hygieneartikel, warme Kleidung, neue Schuhe, Schlafsäcke und Isomatten und Getränke sowie viele Süßigkeiten.
Um 18 Uhr hole ich Martina ab und wir fahren bei Regen Richtung Linz, wie immer zuerst Schillerpark und Volksgarten. Im Schillerpark treffen wir Hannes, der grade von der Arbeit kommt und am Heimweg ist und im Volksgarten treffen wir Christoph und Udo, und nochmal Hannes, dieses Mal mit einem Eis. Alle 3 kommen mit zum Bus und bitten um Lebensmittel, um neue Unterwäsche und um…Verständnis. Ich kümmere mich um Udo und Hannes, und Martina redet in der Zwischenzeit mit Christoph, dem seine Mama so sehr fehlt und grade beginnt, zu weinen. Christoph, gerade einmal 35 Jahre jung, erzählt Martina aus seinem Leben, von all den Verwerfungen in seinem Leben und von all den Enttäuschungen, die andere Menschen ihm beibrachten. Christoph weiß zu gut, dass wenn er seine Alkoholsucht nicht in den Griff bekommt, er nicht mehr lange zu leben hat. Er ist hilflos seiner Sucht ausgesetzt, zu inkonsequent, um eine Therapie gänzlich abzuschließen, keine „Freunde“, um sich an jemand Starken wieder hochziehen zu können, Christoph wird so, nur wenig Chancen haben, zu überleben. Seine Sucht ist schon sehr ausgeprägt, und in vielen Momenten kommt dann der hilflose, kleine Christoph durch, der die Chancen nicht erkennt, der die Türen, die sich ihm bieten, nicht öffnet aber, der sehr, sehr dankbar ist, dass wir da sind für ihn. Sei es durch ein Gespräch, durch Lebensmittel, durch Kleidung oder sonst etwas, was er dringend braucht, er weiß unsere Hilfe sehr zu schätzen und bedankt sich auch immer gefühlte 20-mal und kann es nicht verstehen, dass wir ehrenamtlich all unsere Aktionen machen. Christoph kommt am Donnerstag zum Bus, am Samstag treffe ich ihn meistens auf der Linz-Tour, und er bedankt sich immer und erzählt auch anderen von uns, die uns noch nicht kennen, so wie gestern. Im Volksgarten war eine junge Frau, sie stand bei den Obdachlosen und wusste zuerst nicht, wer wir sind und was wir machen, Martina klärte die junge Frau auf und war sichtlich berührt von unserem Verein. Schön wenn uns dann ein junger Mensch Anerkennung zollt und das zum Ausdruck bringt. Christoph hat ja auch unsere Gerlinde bei der Linz-Tour schon gebeten: „Magst Du nicht meine Mama sein, bitte!“ Solche Eindrücke, solche Aussagen schnüren dir den Hals zu, man kann nichts mehr sagen und kämpft selbst nur noch mit den Tränen.
Vom Volksgarten geht’s weiter zum Bahnhofspark und der Finanzgarage. Bei den Löwen beim Haupteingang treffen wir „Mirzet“, der grade im Regen sein Sakko und sein T-Shirt ausgezogen hat und oben ohne herumläuft, was im Bereich des Haupteingangs offensichtlich manche Menschen echauffiert. Ich bitte Mirzet sich anzuziehen und da er uns sagte, er bräuchte ein paar Lebensmittel, bat ich ihn schon einmal zum Bus zu gehen, wir gehen noch schnell in die Tiefgarage. Nach 5 Minuten sind wir beim Bus und Mirzet erzählt, dass er schwer krank ist und keine Kraft mehr hat zu kämpfen, und er fragt uns: „Warum bist du so gut, warum hilfst du immer den armen und obdachlosen Menschen?“ Ich versuche ihm meine Gründe zu erklären und er nimmt diese auch her, um zwischendurch immer etwas nachdenklicher zu werden. Mirzet erzählt etwa 15 Minuten lang aus seinem Leben und warum er dort ist, wo er ist. Ebenfalls ein ganz trauriges Schicksal.
Wir fahren weiter zum Terminal, und sehen schon eine ganze Traube an Wartenden. Gaby, den langen Hansi, Gernot, Affi, Tony, Franziska und Emma, Melanie und all die anderen. Melanie? Ja, sie hat ihre Wohnung wieder verloren und lebt und wieder auf der Straße. Sie hat sich den Rumänen am Terminal angeschlossen und hat eigentlich keinen Plan, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Sie hatte so viele Pläne, wollte arbeiten gehen, wollte sich eine Existenz aufbauen und wollte sich eine Zukunft sichern. Doch leider ist auch für Melanie, wie für die Meisten Obdachlosen, unmöglich ohne Begleitung zurück ins Leben zu finden. Sie bräuchten Zuspruch, Halt, Beratung, Begleitung, Betreuung, sie bräuchten alle dringend HILFE, um aus dieser Spirale herauszufinden. Leider sind wir keine Sozialarbeiter und können dieses umfangreiche Programm nicht anbieten. Dazu fehlen uns die Mittel, aber auch die Menschen, die sich hier fachlich gut auskennen und den Weg mitgehen könnten. Melanie ist schon viele Jahre obdachlos gewesen, sie wird es auch diesmal schaffen sich auf der Straße zu behaupten, aber als Frau wird es halt zunehmend schwieriger und viel gefährlicher.
Wir verteilen am Terminal unseren Früchtetee, der allgemein gut angenommen wird, auch heute wieder, und dazu gibt es Wurstsemmeln, Wurstbrote oder abgepackte Wurst für die Jause. Alle bekommen auch wieder 4 Zigaretten, und ich verteile unsere Flyer, damit wir kontaktiert werden können, wenn jemand dringend Hilfe braucht in der Sommerpause. Um 20.45 Uhr verlassen wir das Terminal und brechen auf Richtung Wiener Straße, wo in einer Unterführung 4 Obdachlose leben. Wir quatschen ein paar Sätze, sage ihnen, dass ich Sommerpause mache und wie wir zu erreichen sind, in dringenden Fällen. Die Obdachlosen dort wünschen uns alle einen schönen Sommer und bedanken sich, für unseren Dienst und unsere Hilfe. Das tut schon sehr gut, wenn man merkt, dass unsere Schützlinge unsere Mühen auch sehen, und sich dafür bedanken. Wir brechen auf und fahren zur Donaulände, zu Florian. Am Weg durch Linz ist viel Verkehr, durch den Urfahrmarkt, viele Fußgeher queren einfach im Dunkeln die Straße und gestikulieren dann wild umher, tja, egal! Bei Florian angekommen deckt er sich ab von seiner Gewebeplane und kommt mit zum Bus, wo er sich Unterwäsche, Stricksocken und eine Jogginghose holt. Er braucht wieder Crogs, Größe 46, ich verspreche ihm, welche zu besorgen und in den nächsten Wochen vorbeizubringen.
Die nächste Station ist Gerald, unter der Autobahnbrücke. Beim Zugang rutschten wir schon aus und wählten dann den Umweg zu Geralds Platz. Er ist wach und sieht uns kommen und bittet uns in sein „Wohnzimmer“. Er bittet um einen Tee und um ein paar Zigaretten, wir reden noch ein paar Sätze und brechen dann wieder auf, Richtung Urfahr, zu Martin*.
Dort wo wir bis vor kurzem noch die Zimmer angemietet hatten und jetzt nichts mehr zu sagen haben, treffen wir Martin*, der die von uns gekauften Geräte der anderen drei vor der Tür liegen hat, nur weil diesen Menschen es egal ist ob die Geräte dabei kaputt gehen oder nicht. Der Staubsauger wurde nicht einmal entleert, wir bekamen ihn schmutzig und voller Staub zurück. Auch die Verpackung fehlt und all das Zubehör. Ich bin echt sauer, weil nicht einmal hier auf fremde Sachen aufgepasst wird, die viel Geld kosteten. Aber wir haben nun die Hilfe für alle 3, die in den Zimmern sind, aufgekündigt und kümmern uns nur noch um Martin*. Er ist glücklich ein Obdach zu haben und ich mache ihm Mut, dass er nicht mehr auf der Straße landen wird. Noch kurz einiges besprechen, was so passierte und wie es weitergeht mit ihm, und dann brechen wir wieder auf, Richtung Gründberg.
Tara macht uns die Tür auf und wir erfahren, dass Tara immer noch krankgeschrieben ist, sie aber unbedingt wieder arbeiten gehen möchte. Sie hat Angst, schon gekündigt zu sein und die Kündigung per E-Mail noch nicht erhalten zu haben. Ich erkläre ihr, dass eine Kündigung eingeschrieben per Post zugestellt wird, und nie per Mail, worauf Tara etwas erleichtert ist. Sie wird am Montag zur Ärztin gehen und sich gesundschreiben lassen, und informiert mich anschließend um den weiteren Weg. Von Tara gehen wir direkt zu Rainer, der schwerkrank sein Dasein fristet und wegen seiner Krankheit einen Termin am AMS nicht einhalten konnte, und deshalb das AMS-Geld gesperrt bekam und nun die Miete nicht mehr bezahlen kann. Wir gehen zum Vermieter, Hr. L. und fragen alle Möglichkeiten ab, die es von seiner Seite nicht gibt. Das Gespräch ergab nichts neues und wir nehmen Rainer mit zum Bus und geben ihm dort einige Lebensmittel, um durchzukommen. Danach, mittlerweile ist es 23.10 Uhr, brechen wir auf zu den letzten beiden Stationen.
Martina redet von Hunger und ich kann ihr nur beipflichten, auch ich habe Hunger. Dann suchen wir uns einen „Mäcki“, das haben wir uns heute verdient, so Martina. Also fahren wir die letzten beiden Hot Spots an und brechen dann Richtung Ansfelden auf. Als wir fertiggegessen haben beim „Mäcki“, eine Facebook Nachricht, ein Hilfeschrei, ob wir helfen könnten? Ich bitte Thomas*, mich anzurufen, mittlerweile ist es 00.15 Uhr und wir sitzen im McDonald’s Ansfelden zur Nachtjause. Thomas* weint, kann über weite Strecken nicht normal reden, bringt kaum ein Wort heraus, nur so viel, er war schon 10 Jahre obdachlos und ist nun seit 1 Jahr in einer kleinen Wohnung und hat panische Angst, wieder auf der Straße zu landen. Wir vereinbaren, dass wir nochmal aufbrechen nach Linz und uns mit Thomas* treffen. Dort angekommen, stehen wir im Regen und Gehen unters Vordach eines Spar Marktes. Thomas* erzählt aus seinem Leben und seiner psychischen Krankheit, die es ihm unmöglich macht, ein halbwegs normales Leben zu leben. Thomas* hat massivste Probleme, die wir ohne Psychologen und Sozialpädagogen niemals lösen können, aber ihn alleine lassen in seinem Dilemma? Nein. Ich werde versuchen, Wege zu öffnen und Menschen zu finden, die uns dabei unterstützen, Thomas* zu helfen. Nach gut 1 Stunde reden und einer Tasche voll Lebensmittel brechen wir nun endgültig auf, Richtung unseres Lagers, um alles auszuladen und wieder einzulagern.
Nach dem der Bus leer ist und meine Uhr mittlerweile 1.45Uhr zeigt, mein Müdigkeitspegel durch Thomas‘* Hilferuf gen 0 geht, weiß ich, dass dies Nacht noch lange dauern wird, ehe ich ins Bett gehen kann. Zu viele Gedanken, unbeantwortete Fragen, zu viele ungelöste Probleme, die auf uns zukommen, schreien nach Lösungen, die ich zurzeit noch nicht habe, die mich aber die nächsten Tage schwer beschäftigen werden. Martina ist mit ihrer 1. Linz-Tour zufrieden, sie hätte es sich nicht so intensiv vorgestellt, aber sie verspricht mir, sich zu melden, wenn etwas in ihren Gedanken nicht zu lösen ist von heute Abend, wenn sie reden möchte über die Linz-Tour oder über die Schützlinge, die sie heute von einer anderen Seite kennenlernen durfte.
Ich setze Martina um 1.55 Uhr bei der Metro aus und wir fahren heim. Daheim angekommen schwirren viele, viele Gedanken umher und ich kann vieles gerade nicht mehr einordnen, zu voll ist mein Kopf von dem langen Tag. Um 4 Uhr früh gehe ich schlafen und wache noch 2 weitere Stunden im Bett. Selten, dass eine Linz-Tour so intensiv und fordernd ist. Jetzt ist aber gut, dass ich die nächsten Samstagabende für mich haben kann, ich brauche sie so dringend.
Danke für Eure Aufmerksamkeit und Eure Treue, ich wünsche Euch noch einen tollen Muttertag und einen erholsamen Rest-Sonntag. Gott schütze Euch, danke für alles. 😊 <3