Linz-Tour und kein Ende!
Nach einem arbeitsreichen ...
... Samstagvormittag, an dem großartige Spenden den Weg zu uns gefunden haben, stand heute wieder die nächtliche Linz-Tour ab 18Uhr zu den Schlafplätzen der Obdachlosen an. Meine heutige Begleiterin ist Edith. Wir haben wieder unser gesamtes Tour Sortiment mit und legen los, in unsere Wohnung nach Auwiesen, wo Rudi zurzeit wohnt. Ich habe uns heute Mittag angekündigt und Rudi wartet schon auf uns. Er drückt mir seine Schmutzwäsche in die Hand, die ich für ihn wasche und sonst braucht er auch noch Lebensmittel, also geht er mit zum Bus. Getränke und Dosen sowie Brot und Wurstsemmeln packen wir Rudi in die Tasche, er ist glücklich und bedankt sich, und wir brechen auf in die Wiener Straße, unter die Brücke.
Dort betreuen wir Jürgen und Tony, die uns schon von Weitem begrüßen, gegenüber ist das durchwühlte Schlaflager von Michael, der aber nicht anwesend ist. Ich sehe nur dass sich Ratten an seinem Schlafsack verbeißen und dass sich einige Mäuse daneben die ausgestreuten Chips genießen. Jürgen und Tony bedanken sich wieder für mein Handeln vor wenigen Wochen, als ich die Rettung rief, weil Tony nichts mehr hörte. Gottseidank war es nichts Ernstes und Tony konnte nach 30 Minuten damals wieder heim, unter die Brücke. Er ist überglücklich wieder normal zu hören und bittet uns heute um antialkoholische Getränke. Jürgen geht mit zum Bus und nimmt Tony die Sachen mit. Nebenan ist der Zirkus und man hört, es beginnt gerade die Show. So dicht liegen oft Unterhaltung und Armut nebeneinander, ohne es wirklich zu merken. Beide bekommen noch je 3 Zigaretten und dann geht es auf, zur nächsten Station.
Auf in den Schillerpark, wo wir Ritchie und seine Freunde beim Würstelstandtreffen. Er hat seine Arbeit wieder verloren, arbeitet aber wieder, diesmal bei einer Gärtnerei und er erzählt stolz, dass er den ganzen Winter über dort arbeiten kann. Toll! Wir gehen weiter und sehen überall ein großes Polizeiaufgebot, mit Auto aus der schnellen Eingreiftruppe, mit finsteren Blicken und eindeutigen Gesten, die uns schnell ins Auto einsteigen lassen und zum Volksgarten fahren lässt. Im Volksgarten ist es außerordentlich ruhig, keine Obdachlosen, keine Asylwerber und auch sonst fast keine Menschen. Schnell gehen wir durch, zu unserem Bus, der auf der Fahrbahn steht mit eingeschalteter Warnblinkanlage. Auf zum Bahnhofspark.
Dort treffen wir Steffi, Peter, Gary und noch ein paar unserer Schützlinge. Steffi weint, weil sie ihre Arbeit wieder verloren hat und nicht weiß, wie sie jetzt wieder über die Runden kommen soll, Peter verlangt in einem derben Innviertler Ton ein paar Zigaretten von mir, was ich mir verbitte und das auch sage. Ich sage allen, dass wir noch eine Runde gehen und sie dann zum Bus kommen können. Edith und ich gehen in die Tiefgarage wo wieder niemand zu sein scheint und wir gehen deshalb auf halben Weg zurück zum Bus. Steffi & Co sind noch nicht da, ich gehe ihnen entgegen und fordere sie auf, zum Bus zu kommen, andernfalls wir weiterfahren. Sie kamen alle und alle bekamen genug zu essen, für die nächsten Tage bis zum Verteil-Donnerstag. Peter ringe ich noch eine Entschuldigung ab ob seiner derben Ausdrucksweise, gut ist es wieder.
Vom Bahnhofspark ins Terminal, wir bleiben wie üblich bei Gaby stehen, die schon schläft. Ich fragte Gaby letztes Mal, ob sie es sich vorstellen könnte, in eine Wohnung zu ziehen, mit Unterstützung und Hilfe. Letztes Mal war sie nicht abgeneigt, diesmal sagte sie gleich, ich kann zurzeit noch nicht weg hier. Warum auch immer Gaby noch nicht weg kann, hier vom Terminal, ich übe keinen Druck aus, sondern lasse Gaby die alleinige Entscheidung. Edith betreut Gaby und gibt ihr alles notwendige und ich gehe zur nächsten Bank, wo ich Elmar sehe und treffe, was mich riesig freut. Daneben der „Herr“ vom Donnerstag der die ganzen Exkremente auf dem Weg zu uns verteilte. Elmar und ich unterhalten uns und der andere fällt mir ständig ins Wort mit unnötigen Wortmeldungen. Ich habe im letzten Jahr erfahren und lernen müssen, dass unser Europa kein gesamtes Europa ist, wo man sich einfach aufhalten darf und leben kann. Es ist an viele Gesetze gebunden, und die Auflagen für jemanden aus dem EU-Ausland (egal ob D, Ro, Hu, Bg etc.) ziemlich hoch sind, um alles zu erfüllen, und alle die keine gültige Aufenthaltserlaubnis haben und keine fixe Zusage eines Arbeitsgebers vorweisen können, bewegen sich illegal hier bei uns. Für touristische Zwecke ist ein maximaler Aufenthalt von 3 Monaten erlaubt, danach muss man für mindestens 24 Stunden nachweisbar ausreisen. Und genau über diese EU-Gesetze diskutierten wir und der „Herr“ wollte nicht glauben, dass nicht jeder einfach so nach Österreich kommen kann ohne Anträge, Bescheide und Genehmigungen. Ich widmete mich Elmar, der heute gut drauf war und mit dem ich eine gute zwischenmenschliche Basis habe. Elmar erzählt mir von seinen Problemen, von seiner Zeit auf der Straße und dass ihm seine Freunde fehlen, die in den letzten Monaten und Jahren gestorben sind, allen voran Meikel. Ich gehe zu Edith und wir brechen auf, in die Tiefgarage.
Auf halben Weg sehen wir Elke, die sitzend schläft und ihren Trolley festhält. Wir gehen, ohne zu stören weiter in die Tiefgarage, wo heute niemand anzutreffen ist. Zurück beim Bus verabschieden wir uns und fahren an die Donaulände, zu Florian. Florian kommt uns mit 2 großen Einkaufssäcken entgegen, er kommt gleich mit, um sich das von Ingrid vorbereitete Sackerl mit Haube und gestrickten Socken entgegenzunehmen. Er lächelt und fragt mich, ob wir noch Crogs Größe 46 im Lager hätten, ich hebe meine Schultern, weil ich es nicht weiß, ihm aber verspreche welche zu besorgen. Handschuhe würde er ebenfalls benötigen, habe alles abgespeichert und werde es besorgen.
Weiter zur nächsten Station, zu Franziska und Gerald. Beide sind gut drauf und freundlich, Gerald lächelt und redet mit seinen Engeln, die er immerzu beruhigen und im Zaum halten muss. Emma, der Hund von Franziska winselt und schlägt mit dem Schwanz dauernd auf ein Sackerl vor lauter Freude, und nach ein paar Minuten geht die am Kopf kahl geschorene Franziska mit zum Bus, um für sich und für Gerald Lebensmittel zu holen. Beim Bus kommen wir ins reden und Franziska erzählt uns, dass Gerald weg möchte von der Straße, er würde gerne mit Franziska in eine Wohnung ziehen, was aber Franziska keinesfalls möchte. Sie möchte Gerald als platonischen Freund, und nicht mehr. Sie fühlt sich verantwortlich für Gerald und deshalb bleibt sie diesen Winter noch bei ihm unter der Brücke, was 2023 bringen wird, lässt sie offen. Wir füllen 2 Plastiksackerl für Gerald und Franziska und brechen nach etwa 30 Minuten wieder auf. Mittlerweile ist es schon fast 22 Uhr.
Die nächste Station ist Pleschingersee, wo wir jemanden vermuten aber niemanden finden. Einige private PKWs sind offen und die Leute scheinen auf etwas zu warten hier, wir können es uns denken, auf was. Wir sperren, nachdem einer von den Typen mitten auf der Straße steht und so tut als wolle er uns aufhalten, beide Türen zu und ich blende mit dem Fernlicht auf und ab, um ihn aufzufordern von der Straße zu gehen. Erzählungen einiger Freunde, wo vor Kurzem auch plötzlich Leute auf der Straße standen und die Insassen der Autos dann zusammengeschlagen wurden, lassen mich vorsichtig sein. Alles geht gut und wir fahren zur letzten Station, die Müdigkeit sitzt mir in den Knochen, da ich letzte Nacht keine Minute schlief, Edith ist es recht, anschließend ins Lager zu fahren, um alles auszuladen. Die letzte Station führt uns in die Industriezeile, wo wir die bekannten Verstecke abgehen aber auch hier niemanden finden. Die restlichen Stationen schenken wir uns heute Abend, ich bin reif für das Bett. Wir fahren nach Ansfelden und laden alle Boxen von der Linz-Tour aus und lagern alles wieder ein.
Es war ein kurzweiliger Abend mit vielen Eindrücken und noch mehr Aussagen. In den nächsten Tagen werde ich über vieles nachzudenken haben. Bis dahin wünsche ich Euch aber eine gesegnete Zeit und alles liebe. Danke an all unsere Spender:innen dass wir auch hier wieder helfen durften. Vergelt’s Gott und habt großen Dank! 😊 <3
Die Fotos hier sind ältere Fotos, da wir heute keine neuen machten. Wir bitten um Euer Verständnis!