Mutter mit Hürden!
Nach einem arbeitsreichen...
...und einem großartigen gemeinsamen Samstagvormittag, trafen Rudi und ich uns um 18Uhr zur Abfahrt unserer heutigen Linz Tour. Wir brechen auf und fahren zuerst in unsere angemieteten Wohnungen, um diese auf Alkohol und Ordnung zu kontrollieren. Rudi, der Pensionist in unserer Wohnung in Auwiesen, sagt mir gleich beim Türöffnen: „I ziag am 30.11. aus, z‘ruck zu mein‘ Bruada“. Auch gut, denke ich mir. Die Wohnung ist Tip-Top, ordentlich aufgeräumt und sauber, nur der Fernseher spinnt. Unser Rudi kümmert sich um den TV und ruft beim Anbieter an, der das Problem innerhalb 1 Minute beseitigte und der Fernseher funktionierte wieder. Auch brachte ich Rudi die gewaschene Wäsche mit, frische Unterwäsche, frische Handtücher etc.. Weiter geht’s, zur nächsten Wohnung in die Wiener Straße, wo Pascal zurzeit eine Chance bekommt, diese aber leider nach vielen Gesprächen mit ihm, tatenlos verstreichen lässt. Ich mache ihm bewusst, dass er lediglich 2 Monate in dieser Wohnung bleiben kann, bis 7.1.2023, und ein Teil dieser Zeit sind Weihnachtstage wo die Firmen alle geschlossen haben, er kommt wieder nur mit Ausreden und Floskeln, und hat scheinbar immer noch nicht begriffen, in welcher Lage er bereits ist. Pascal bekommt seinen Hintern nicht in die Höhe und möchte alles erledigt bekommen, so geht Leben nicht. Wir helfen, wo und wie wir können, aber den Weg muss schon er selbst gehen, und wenn er nicht bereit ist, sein Schicksal in die Hände zu nehmen, können auch wir nicht mehr helfen. Er hat diese Chance bekommen, alles weitere liegt an ihm, wir unterstützen ihn bei der Arbeitssuche, wenn er das möchte, auch bei all den Amtswegen, aber wie gesagt, wir können nicht sein Leben leben.
Von der Wiener Straße geht es weiter, unter die Autobahnbrücke, wo Jürgen, Tony und Michael leben. Michael macht gerade wieder ein Lagerfeuer, obwohl er schon viele Verwarnungen von der Polizei bekam und als Brandstifter auch bekannt und registriert ist. Meinen Einwand auf seine Vergangenheit hört Michael nicht, auch dass der gesamte Platz bei Wiederholung geräumt wird und auch Jürgen und Tony dann von hier weg müssen, interessiert Michael nur peripher. Tony und Jürgen liegen schon in ihren Schlafsäcken und erzählen von den Problemen und den Bedürfnissen hier unter der Autobahnbrücke, ich verstehe die Beiden zu gut, besonders wenn man den kalten Wind, der gerade durchzieht, deutlich am Rücken spürt. Ich würde mir hier vermutlich den Tod holen, wie verweichlicht ich bin. Ich biete den Dreien Lebensmittel und Getränke sowie neue Unterwäsche und neue Socken an. Tony bleibt in seinem Schlafsack eingewickelt, Jürgen und Michael kommen mit zum Bus. Eine neue Kartusche für den Campingkocher, damit die Dosen von uns auch warm gegessen werden können, neue Handschuhe und Hauben, da es in der Nacht schon sehr frisch wird, so Michael. Jeder bekommt noch 3 Zigaretten und dann fahren wir weiter, zu den nächsten Hot Spots. Schillerpark, beim Würstelstand treffen wir Ritchie, der brav arbeiten geht und in der Notschlafstelle schläft, weil er keine Wohnung bekommt, er erzählt uns von seinem Tag und seinen Wünschen, einer eigenen Wohnung und weg von der Notschlafstelle. Wenn man am nächsten Tag arbeiten muss und die Leute in der Notschlafstelle teilweise die ganze Nacht nicht ruhig sind, ist das ein großes Problem, so Ritchie. Tja, verstehe ich zu gut.
Vom Schillerpark zum Volksgarten, wo schon der ganze Adventmarkt aufgebaut aber noch nicht geöffnet steht. Wir winden uns zwischen den Hütten durch und gehen wieder zum Bus, niemand hier. Nächster Halt, Bahnhofspark und Finanzgarage. Im Bahnhofsgebäude unterhalten wir uns mit der ÖBB Security, geben ihnen 10 Jetons damit diese an Obdachlose 1:1 weitergegeben werden. Mitten in der Nacht kommen oft Obdachlose zum Bahnhof, die dringend ein warmes Bett brauchen und dafür müssen sie mit 1 Jeton pro Person und Nacht in der Notschlafstelle, „bezahlen“. Die ÖBB Security geht da meist mit einem guten Gespür vor, was wir sehr begrüßen. Weiter in die Finanzgarage, wo auch heute niemand ist.
Also weiter, zum Bus-Terminal, wo wir wie immer bei Gaby stehen bleiben. Gaby sieht krank aus und fühlt sich auch so. Auf die Frage wo sie am Donnerstag war, warum sie nicht zum Bus gekommen ist, kam lediglich ein: „Ich habe nicht gewusst, dass Donnerstag ist“. Wir packen für Gaby ein sackerl zusammen, mit allem Nötigen. 1 Bank weiter sitzen 4 Obdachlose und 1 Frau im Rollstuhl, ich gehe hin und rede mit ihnen, welche Neuigkeiten es hier am Terminal gibt usw.. Danach kommen alle 4 mit zum Bus, weil alle Lebensmittel und, die Frau im Rollstuhl, auch eine warme Jacke braucht. Leider haben wir keine passende mehr mit, somit muss ich sie auf nächste Woche vertrösten. Vis a vis sind auch noch 2 Bänke mit Obdachlosen besetzt, 2 Ungarn, die kein Deutsch verstehen und scheinbar neu hier sind. Beide wickeln sich in ihre Decken ein und kommen nicht zum Bus, keine Ahnung warum sie unser „Angebot“ ausschlagen und lieber liegen bleiben.
Rudi und ich gehen runter in die Bahnhofsgarage, wo eine 2. Frau im Rollstuhl sitzt und uns von ihrem Schicksal erzählt, sie hat ihre Wohnung verloren, weil sie viele andere Zahlungen tätigen musste und vorübergehend kein Geld mehr hatte für die Miete, deshalb warf ihr privater Vermieter sie nach einigen Monaten auf die Straße. Sie fragte, ob wir Wohnungen haben und ob sie einziehen könnte. Ich musste verneinen, da wir zurzeit keine freie Wohnung haben, erst ab 1.12. wenn Rudi auszieht. Das ist ihr aber zu spät. Tja!? Ein paar Meter weiter in der Tiefgarage, liegen 1 Bosnier und 1 Kroate, sichtlich betrunken erzählen sie im gebrochenen Deutsch, dass sie zuletzt in Serbien waren und dort „Krieg“ herrsche. Auch sie wollen nichts zu essen, somit gehen wir weiter unsere Runde. Schräg gegenüber in der Tiefgarage liegt Peter, ein altbekannter: „ Die da drüben sind mir zu laut, deshalb liege ich hier abseits, ich mag meine Ruhe haben“. Wir gehen zurück zum Bus und fahren zur nächsten Station. Zu Florian.
Dort angekommen bitten wir ihn, zum Bus mitzukommen, ich habe die gewünschten Sachen im Bus. Uns ist es oftmals wichtig, den Menschen das Mitgehen zum Bus abzuringen, damit nicht alles so selbstverständlich wird. Florian bittet außerdem noch um eine Jogginghose, ihm gefällt eine in XXL, viel zu groß für ihn, aber er hätte sie gerne. Na dann! Neue Crogs Größe 46 haben wir auch dabei, von Ulrike Jäger gespendet, aus Tirol, vielen lieben Dank! Florian hat ein Lächeln im Gesicht, er freut sich sichtlich.
Nächste Station, Autobahnbrücke bei Gerald und Franziska. Wir stellen unseren Bus ab, da steigt daneben eine junge Frau aus einem weißen PKW aus und kommt direkt auf uns zu. „Hallo, ich bin K. und die Tochter von Franziska, ich warte seit 18uhr hier auf euch, um vielleicht ein paar Worte mit meiner Mutter reden zu können, alleine traue ich mich nicht mehr hinauf da mich Gerald zuletzt schimpfte, was ich da mache“. Sie bricht in Tränen aus und bedankt sich herzlichst, was wir für ihre Mutter alles tun. Wir beruhigen K. und laden sie ein, mitzugehen zu Gerald und Franziska. Oben angekommen sehen wir lediglich Gerald, dem wir ein paar Zigaretten geben und uns nicht sagen kann, wo Franziska ist. OK, dann fahren wir weitere Hot Spots ab und kommen später nochmal. Wir packen K. ein und fahren zum Pleschingersee und in die Industriezeile, bevor wir nochmal zu Gerald und Franziska zurückkehren. Sie ist immer noch nicht da, da ruft mich Sr. Lydia an und erzählt mir, dass Franziska gerne noch vor der Wärmestube sitzt und sich mit anderen unterhält, mittlerweile ist es aber 22.30 Uhr, ok, also brechen wir nochmal auf Richtung Dinghoferstrasse, zur Wärmestube. Niemand mehr hier. Wir fahren mit K. nun zum 3. Mal zur Autobahnbrücke, bleiben auf der anderen Seite der Brücke stehen und gehen hinauf. Beim Hinaufgehen sehen wir von Weitem Franziska und Emma, ihren Hund. K. lächelt und freut sich ihre Mutter zu sehen und mit ihr reden zu können. Viele Male stand sie mit ihrem Auto da und hat sich nicht getraut, nachzuschauen, ob Franziska da ist. Wie schlimm muss das sein für eine Tochter, wenige Meter im Auto zu sitzen und nicht zu wissen, wie es der eigenen Mutter geht. Als wir oben angekommen sind bellt und winselt Emma, wie ich es noch nie bei ihr gesehen habe, Emma hüpft auf den Arm von K. und auch Franziska freut sich, ein wenig.
Warum machst du dir Sorgen um mich? Franziska: „Ich habe dir ja gesagt ich pass auf mich auf“. K. versteht kurz ihre Welt nicht mehr, als dürfe sie sich keine Sorgen machen um die eigene Mutter, aber das ist halt Franziska, die sich nicht darum kümmert ob sich jemand Sorgen um sie macht, oder eben nicht. Das Wiedersehen ist gelungen, im Großen und Ganzen, K. ist überglücklich, die eigene Mutter im Arm halten zu können. Auf der Fahrt vorhin hatte K. erzählt, wie oft und auf welche Weise sie herumgeschubbst wurde, mit ihrem Alter, 18 Jahre, schon solche Dinge erleben zu müssen, ist eine große Bürde, man sieht K. an, wie Nahe ihr die Vergangenheit geht, sie diese noch lange bewältigt hat. Aber das zählt gerade nicht, jetzt zählt nur das Gespräch mit der eigenen Mutter. Deshalb verabschieden Rudi und ich uns und lassen die Beiden alleine, in ihren Emotionen und Gefühlen. Es hat sich ausgezahlt, ein 3. Mal hinzufahren und diesen Moment überhaupt erst möglich zu machen. K. verabschiedete sich von uns nicht ohne gefühlte 20-mal danke zu sagen. Rudi und ich brechen auf ins Lager, ich bin Fix und Foxi, muss aus den Schuhen und der Kleidung raus, ich bin todmüde. Um 23.15 Uhr setzte ich Rudi bei seinem Auto ab und fuhr auch heim. Dieses Treffen zwischen K. und Franziska machte für Rudi und mich, den Abend zu einem großartigen Abend, weil es trotz der 3 Anläufe noch gelungen ist, die beiden zusammenzubringen. Ein guter Abend ging zu Ende und hatte wirklich eine kleine Herzensbotschaft, auch für uns. Der Abend tat uns gut und so lassen wir ihn ausklingen.
Danke an all unsere Spender:innen und Wegbegleiter:innen, dass wir auch hier helfen durften. Vergelt’s Gott und habt großen Dank! 😊 <3