Regen und tiefe Einblicke!
Wie geht’s Euch damit, wenn ihr einem Bekannten eine Situation beschreibt, wo Menschen beleidigt oder gar verletzt werden und der Bekannte gibt dann als Antwort z.B.: „Selbst Schuld, wären die Menschen nicht dahin gegangen, dann wären sie nicht beleidigt oder verletzt worden?“ Absurd? Ganz und gar NICHT!
Hier ein paar Beispiele: Wir kümmerten uns um Dominik, dass er seine Tabletten wieder bekommt, was kommt ein paar Tage später von einer Ärztin, die mich weder kontaktiert hat noch kennt sie mich? Beschimpfungen der gröbsten Art!
Wir kümmern uns nachts auf unserer Linz-Tour um unsere Schützlinge und bekommen von Politikern in einem Telefonat gesagt: „Linz braucht keinen Verein wie die Obdachlosenhilfsaktion, weil ein anderer Linzer Verein das gesamte Spektrum der Obdachlosenhilfe abdeckt. Zynisch und unwahr!
„Hr. Kreische ist extrem ausländerfeindlich und ein aggressiver Rassist, weil er keine Flüchtlingsheime und Asylheime mit Spenden versorgt.“ Dieser Linzer Politikerin schreibe ich ins Stammbuch, kommen Sie zuerst einmal zu einer unserer Donnerstagsverteilungen und schauen Sie sich an, wieviel ehemalige Migranten, die teilweise seit 20…30 Jahre hier bei uns sind und hier Steuern bezahlten, sich bei uns in die Reihe stellen und Lebensmittel brauchen.
Ich könnte noch ganz viele solcher Beispiele anführen, was mir schon alles gesagt wurde, oder aber auch was hinter meinem Rücken geschimpft wurde. Ich werde mich an solche Äußerungen und Unterstellungen nie gewöhnen, möchte ich auch gar nicht, dann wäre ich vermutlich nicht besser als die, die mir solche Dinge an den Kopf werfen. Hätte ich 2013 gewusst in welche Grube man mich stößt, und was man mir alles unterstellt, ich weiß nicht, ob ich diesen Weg gegangen wäre, ob ich diesen Verein je gegründet hätte.
Gestern erst gab mir ein Arbeiter eine Antwort, die mich fast aus den Schuhen gekippt hätte. Als er unseren Bus sah, fragte er mich: „Helft ihr Obdachlosen?“ Ja, tun wir. „Die sollen weniger saufen und weniger Drogen nehmen dann hätten sie auch etwas zum Essen“, war seine Antwort. Nein, ich habe ihn nicht gefragt, welche Mauer ihm im Weg gestanden ist, hätte ich aber gern getan. Wo er angerannt ist, weiß nur er, aber leider gibt es noch viele Menschen, die aus so einer Situation auf andere eindreschen müssen, um das eigene Leid erträglicher zu machen. Warum machen Menschen sowas? Warum muss man immer jemanden beleidigen oder in Frage stellen, dessen Vergangenheit man nicht kennt und die Umstände noch weniger. Warum kann man nicht einfach einmal den Mund halten, bevor solche dummen Sätze den so leeren Kopf verlassen? Ich bin es leid geworden, allen und vielen zu erklären, warum wir was machen und wie es überhaupt sein kann, dass es überhaupt Obdachlose bei uns gibt. Manche Menschen tun grade so, als wäre die ganze Problematik neu und künstlich erzeugt, so als wären eh alle Obdach- und Wohnungslosen selbst schuld. Sie sind arbeitsscheu, faul, betrunken, voll mit Drogen, sind dreckig, sie stinken und haben ein tolles Leben, weil sie nichts arbeiten. Solcher Nonsens kommt immer wieder auf mich zu, ich habe keine Ahnung, ob jene die sowas behaupten, je mit einem Obdachlosen geredet haben. Ich habe es hier schon oft gesagt: „Es kann JEDER/JEDEM passieren, dass er/sie auf der Straße landet, das geht ganz, ganz schnell. Und wir haben genug Schützlinge auf der Straße, die weder trinken noch Drogen nehmen, die weder stinken noch faul sind. Wir haben Akademiker und blitzgescheite Menschen auf der Straße, Ingenieure, Doktoren, die keinen Fuß mehr ins Leben bekommen. Hier zu sagen: „Das ist ein arbeitsscheues Pack“ ist schon mehr als unterirdisch, das ist an abgrundtiefer Boshaftigkeit nicht zu überbieten. Vor allem weil diejenigen, die sowas sagen, weder die Schicksale noch die Geschichten der Menschen kennen und aus irgendeiner Laune heraus solche Dinge in die Gesellschaft schreien.
Egal, wer was wie sagt, jeder darf seine Meinung haben, jeder darf auch seine Meinung sagen, ABER, NIEMAND, absolut niemand darf so mit Obdachlosen reden oder sie beschimpfen, hier werde ich IMMER die Courage haben, mich einzumischen und Dinge zurechtrücken. Warum aber muss man vielen Menschen immer zuerst sagen, dass ihre Meinung, ihr Wissen völlig aus der Luft gegriffen ist und so gar nicht zutrifft. Warum müssen ganz oft Obdachlose für Schimpftiraden Fremder herhalten, warum müssen sich Obdachlose oft ganz schön hart anpöbeln lassen? Was soll das Ergebnis solcher Pöbelei sein? Was für einen Nutzen zieht jemand, wenn er/sie einen Obdachlosen als „Schmarotzer“ beschimpft und doch diesen Menschen nicht einmal im Ansatz kennt. Ich werde solche Äußerungen nie verstehen, will ich auch nicht, werde aber IMMER meine Stimme dagegen erheben, immer!
Zum Vorfall vom letzten Wochenende sei noch anzumerken, dass es 2019 den gleichen Vorfall gab, wo ich damals ein Video und Fotos machte, und ins Internet stellte, auf denen man genau erkennt, wo der „gute“ Chauffeur vom Wasserwagen hin spritzte, nämlich genau auf die schlafenden Menschen auf den Bänken. Als ich um eine Erklärung bitten wollte damals, zeigte er mir den Mittelfinger. Am nächsten Tag schrieb die Rundschau: „Die Obdachlosen am Terminal wurden mit einem Sprühnebel belegt“, und ich wurde dargestellt als wäre alles erfunden. Damals wurde versprochen, dass bei allen Reinigungen künftig Sozialarbeiter dabei sein würden, es blieb lediglich bei der Ankündigung. Was sich teilweise „Entscheidungsträger“ leisten und dann auch noch alles so verdrehen, dass immer die anderen diejenigen sind, die alles falsch machen, ist schon echt sagenhaft. Ich habe mit Politik nichts mehr am Hut, lasse mich von keiner Partei mehr instrumentalisieren, nehme mir die Freiheit selbst zu entscheiden, was wir machen und was nicht, dazu brauchen wir weder Politiker noch andere fehlgeleitete Menschen, die glauben sie müssen sich in alles einmischen.
Wir machen großartige Arbeit für die armen und obdachlosen Menschen, sind für Gestrandete da und wollen die Lebensumstände der Menschen verbessern, und was bekommen wir als „Belohnung“? JEDE Wintersaison eine ganze Menge Beschimpfungen, ganz arge Bedrohungen, bekommen gesagt was wir sind oder was wir nicht sind, ich kann das alles nicht mehr hören und möchte dem auch in Zukunft nicht mehr so viel Gewicht schenken, weil ich weiß, dass die Äußerungen deshalb gemacht werden um uns/mich zu verletzen.
Wir sind glücklich so treue Weggefährten wie EUCH zu haben, die uns die Obdachlosenhilfsaktion ermöglichen, dass wir Tag für Tag, Woche für Woche direkt helfen können. Darauf sind wir sehr stolz, weil es nicht selbstverständlich ist, was wir schon gemeinsam geschafft haben. Ich verspreche Euch liebe Leute, ich werde niemals weghören, wegschauen oder gar weggehen, wenn Unrecht gegenüber einem Schwächeren geschieht. Ich werde mich immer einmischen und meine Meinung sagen. Vielen wird meine Meinung zwar egal sein aber so einfach kommt mir keiner davon, der auf Schwächere losgeht. Ich bin weder Revoluzzer noch Wutbürger, aber dort wo die Gesellschaft den Obdachlosen in den Rücken fällt, werde ich immer da sein, mit meinem Wort! VERSPROCHEN!
Vor dem Hintergrund, dass Armut und Obdachlosigkeit jedem passieren kann, ist es reine Polemik oder pure Dummheit, wenn man auf diese Menschen losgeht, sie beschimpft, beflegelt, bedroht oder diffamiert, egal ob real oder virtuell, ohne Argumente und mit noch weniger belastbare Fakten.
Unser Donnerstag heute begann unter der Vorhersage „Regen, Regen, Regen“. Nach einer 3 Stunden Nacht kämpfte ich gegen die Schwerkraft und begrüßte den Tag. Im Garten draußen der Kater des Nachbarn, der nun ganz bei mir eingezogen ist. „Miau Miau Miau“ soll heißen: „Mensch Walter steh‘ auf, mach die Tür auf, ich habe Hunger“. Gesagt – Getan. Der Frühstückskaffee schmeckt heute anders als sonst, Alexa spielt mir heute früh nicht meinen geliebten John Prine, sie kann sich scheinbar nicht konzentrieren, die gute Alexa, sie spielt auch mit mir, oft und falsch. Der Tag beginnt mit Paket abholen, die Hälfte der bestellten Ware kam an, wo ist nur der Hauptteil der Bestellung? Heute nicht feststellbar. Weiter ins Lager, wo Barbara, Stefan und Petra bald kommen werden. Alle Vorbereitungen laufen wie am Schnürchen, wir haben schon ein tolles Team, das verlässlich arbeitet und ich mich auf jeden Einzelnen verlassen kann. Nie hatten wir ein besseres Team. Zu Mittag testen Stefan und ich den 3. Pavillon, den wir heute einpacken werden. 3 Kunststoffbeine sind gebrochen, wir tauschen sie gleich aus und packen alle Pavillons zurecht, um sie später nur mehr einladen zu müssen. Leberkäse und Gouda schneiden, neu verpacken, einkühlen, alles mit bestem Wissen und Gewissen zu erledigen, darauf kann ich mich bei unserem Team verlassen. Um 15.05 Uhr fahren wir in Ansfelden bei starken Regen los, Im Gepäck haben wir unser normales Repertoire an Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung.
Ab heute, so haben wir letzte Woche beschlossen, werden wir unsere Formulare wieder ausfüllen lassen und alle Einkommensnachweise verlangen. Und nicht nur das, wir werden peinlichst genau hinschauen damit wir nicht mehr ausgenutzt werden. Heute fragte mich ein junger Mann beim Tisch wo die Formulare ausgefüllt wurden, Zitat: „Walter, ich muss dich fragen, ich bekomme €1600,- Rehageld, ist das zu viel, um hier bei dir Spenden zu bekommen?“ Ich brauche hier kein Statement abgeben was ich ihm sagte, er ging aber ohne Lebensmittel von uns weg. Was denken sich manche Menschen? Ein anderer junger Mensch, der in Italien für eine öst. Firma arbeitete und hinterher erst merkte, dass er gar nicht angemeldet war, somit jetzt um die Sozialhilfe bitten muss und auf der Straße lebt. Irgendwann werde ich diese Schicksale zusammenfassen und anonymisiert niederschreiben und veröffentlichen. Wie tief menschliche Abgründe sein können, sie sind oft Auslöser für solche Schicksale. Sich hier als jemand darzustellen (wie oben beschrieben), dem das nicht passieren kann, ist völlig daneben und ist entbehrlich. Aufgrund des Feiertags und des Regens kommen heute das 1. Mal weniger Schützlinge zu uns, aber was uns wirklich zusetzt ist dieser Regen, der uns in feuchte Geiselhaft nimmt, der uns völlig durchnässt im Regen stehen lässt. Wir sind glücklich unsere Pavillons dabei zu haben, trotzdem wirft die Gischt den einen oder anderen schweren Regentropfen tief unters Zelt. Um 18 Uhr kommen wie immer die Nachzügler, wir sind schon beim zusammenräumen und patschnass, müssen wir nochmal auspacken und Packages zusammenstellen.
Die Zeltplanen sind nass, sie müssen im Lager zum trocknen aufgehängt werden. Alles wird im Nu eingepackt und ab geht’s durch die Mitte nach Ansfelden. Alles ausladen und wieder einlagern. Um 20.15 Uhr schloss ich die Tür hinter mir in meiner Wohnung und sitze seitdem bei diesem Text. Jetzt fast 3 Stunden später singe ich zu Zuccheros „Va Pensiero“, ein toller Song, geht tief durch die Haut. Ich werde heute die Spätschicht sein lassen und mich meiner Müdigkeit geschlagen geben. Euch ein großes Vergelt’s Gott und Danke für alles. Unserem Team ebenfalls ein großes Danke für Eure Arbeit, für Euer Wirken und schön, dass wir gemeinsam so schöne Erfahrungen machen dürfen. Alles liebe und gute Nacht! 😊 ❤