Wie weit geht man noch?
Am Vormittag, seit früh morgens im Lager, um alles für die Spendenannahme vorzubereiten.
Alle Trolleys vorbereiten und herausstellen, alle Donnerstagswagerl zugänglich machen. Die Wagerl für unseren Donnerstag müssen ja heute wieder aufgefüllt werden, heute machen das Brigitte und Matej. Ingrid, die für heute auch eingetragen ist, wird sich um die Kleidung kümmern und ich werde endlich anfangen, die ganzen Lagerboxen zu beschriften, so dass jede Box angeschrieben ist, welcher Inhalt sich darin befindet. Ein immens wichtiger Part, da wir sonst lange suchen müssen, um die richtigen Kleidungsstücke zu finden. Heute müssen die alten Aufkleber runter, mit Aceton und Etikettenlöser fiesle ich die alten Aufkleber runter, was sich als echte Sisyphusarbeit enttarnt. Zuerst die alten runter und dann gleich die neuen rauf. Auch logistische Anordnungen werden noch getroffen, gleiches zu gleichem, und der Beschriftungstext sollte auch immer gleich klingen.Um etwa 9.30 Uhr läutet es, das heißt ein Spender, eine Spenderin steht vorm Tor, also raus und Bilder von den Spendern mit ihrer Spende machen, um für euch alles transparent darzustellen. Tolle Menschen besuchen uns heute, mit großartigen Spenden. Nur, wir merken deutlich, dass die Zahl der Spender gegenüber der letzten Jahre, massiv eingebrochen ist, nicht nur die Zahl der Spender, sondern auch die Zahl und Umfang der Spenden. An den letzten beiden Samstagen kamen lediglich 2-3 Spender/innen, aber die kamen mit großartigen Spendenartikeln. Würde man es jetzt an den gespendeten Artikeln abwägen, müssten wir sagen, dass wir von den derzeitigen Spenden nicht einmal ein Zehntel des Warenumfangs von einem Verteil-Donnerstag gespendet bekommen, das heißt so viel wie, dass wir zurzeit das meiste an Lebensmitteln teuer zukaufen müssen. Das nur zu einem kurzen Feedback eines Spendenannahmetages in unserem Lager.
Dann läutet es wieder, und Brigitta steht vor unserem Tor. Sie stellt sich vor, dass sie mit mir auf Facebook geschrieben hat und sie würde gerne bei uns mithelfen wollen, egal in welcher Form. Ich lade sie in unser Lager ein und wir quatschen, ich erkläre ihr unseren Verein und unsere Aktion, um dann gemeinsam festzulegen, dass Brigitta zuerst an einem Verteil-Donnerstag dabei sein wird, bevor wir gemeinsam eine Linz-Tour fahren, das wäre zu Heavy für den Anfang und wir wollen niemanden ins kalte Wasser stoßen. So verbleiben wir dann auch, ich füge Brigitta noch in unsere WhatsApp Gruppe zu und in den Vereinsplaner, wo sich alle unsere aktiven Mitglieder für die Termine eintragen können, wann wer zu welcher Aktion kommt und hilft. Eine tolle Software die wir kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, danke Lukas Krainz!
Der Spendenannahmetag läuft träge, das Ablösen der alten Etiketten geht auch nicht wirklich flott, hält ziemlich auf und meine Finger sind schon voller Kleber, aber was solls, das muss auch gemacht werden. Da wartet noch ganz viel Arbeit in den nächsten Wochen. Matej und Brigitte sind ziemlich bald fertig mit dem Kommissionieren der Donnerstagswagerl, sie muss dann heimfahren, Matej hilft dann noch hinten im Kleiderlager mit, bis wir um 12.30 Uhr beschließen, es für heute gut sein zu lassen. Da ich ja heute Abend noch die Linz Tour fahre, endet mein Tag heute noch lange nicht, da auch die letzten Touren zeigten, dass es immer Mitternacht wurde, bis ich heim kam. Matej fährt mit mir bis zur Bus-Haltestelle Dauphinestrasse, von wo aus er heimfährt, ich fahre kurz einkaufen und dann heim. Jetzt noch 1-2 Stunden hinlegen, sonst schaffe ich den heutigen Abend nicht mehr. Kaum hingelegt rufen mich Spender an und fragen, wo ich sei um diese Zeit? Zuhause! Die Spendenannahme dauert leider nur bis 12 Uhr mittags, und jetzt ist es 14 Uhr, einige ungehaltene Aussagen kommen noch und dann wird einfach aufgelegt. Tja! Ich schalte mein Handy auf stumm und zieh mir die Decke über. Kaum eingeschlafen läutet es an der Haustür, ich mache auf, doch niemand meldet sich, warum das sollte ich abends dann sehen als ich wegfahre. 7 Säcke voller Kleidung stehen in meinem Carport, obwohl ich mehrmals sagte: „Bitte nicht einfach die Spenden bei mir Privat abstellen.“ Manchmal ist es richtig schwierig, vor allem weil wieder so viel Müll dabei ist, der aus den Säcken rausschaut, was wir einfach nur entsorgen können. 1 Paar Schuhe schaut auch heraus, wo man von Weitem sieht, dass eine Sohle gebrochen und kaputt ist. Na Klasse!
Um 18 Uhr ist Abfahrt, Treffpunkt ist die Metro, Stefan fährt wieder mit heute. Die 1. Anlaufstelle ist wie immer der Schillerpark, nach einem Rundgang wurde niemand gefunden. Weiter zum Volksgarten, wo uns schon lautes Geschrei und Alkoholgeschwängerte Düfte entgegenkommen. Frauen in Abendländischen Kleidern, an den Beinen halten sich Kleinkinder fest und in den Händen Bierdosen und Zigaretten, so wird lautstark mit Menschen gleicher Herkunft schreiend „diskutiert“. Wir gehen weiter und suchen unsere Schützlinge. Einige der Obdachlosen sitzen auf den Bänken, sehen und erkennen uns, machen sich aber nicht bemerkbar, dass sie etwas brauchen würden. So gehen wir unsere Runde auch im Volksgarten weiter und kehren zum Bus zurück.
Abfahrt, zum Bahnhof, zuerst zum Park vorm Bahnhof. Stefan und Andy grüßen uns von Weitem, eine junge Dame steht bei den beiden und es wird geflirtet. Stefan erzählt uns das letzte Nacht die Polizei einige unserer Schützlinge aus dem Terminal ins Freie „delogierten“. Die Schlafsäcke liegen im Park aber niemand da. Ein paar Wortwechsel noch mit Stefan und wir gehen die Parkrunde weiter, da vorne feiert Peter seinen Geburtstag mit ein paar Kumpels. Felix, Peter, Manfred und die anderen sind eingeladen von Peter, und einer in der Runde ist neu, den kenne ich nicht. Er kommt zu mir und erzählt mir seine Situation. Er kann alles belegen, dass einer AMS-Vermittlung zu einer Leasingfirma auch nachgegangen wurde, das hat er schriftlich, und trotzdem hat genau diese Leasingfirma gegenüber dem AMS behauptet, dass er sich nicht gemeldet hat, worauf ihm nun bis 17. Dezember die Notstandshilfe gestrichen wurde. Er zeigt mir den ganzen Schriftverkehr, also hier läuft gewaltig was schief, hier werden Dinge von Seiten des AMS behauptet, die nachweislich UNWAHR sind! Die Art und Weise wie man in letzter Zeit mit unseren Bedürftigen umgeht, spottet JEDER Beschreibung, sorry, aber das ist schon grenzwertig. Er bittet uns um Lebensmittel und einer warmen Jacke, da er seit Wochen deshalb obdachlos ist und nicht einmal in die Nowa kann, mangels Geldes. Wir geben ihm noch 2 Nächtigungsjetons, 1 neue Winterjacke, Lebensmittel. Insgesamt kamen vom Bahnhofspark 7 Leute mit zum Bus, die wir nun langsam abarbeiten.
Als wir fertig sind, noch schnell ein Foto und wir fahren ins Terminal weiter. Wir bleiben bei Gaby stehen und es ist eine gespenstische Stimmung hier. Irgendetwas ist hier heuet anders, ganz anders. Gaby kommt zum Bus und ich gebe ihr das vorbereitete Sackerl mit Thermo-Leggins, Schlafsack und Jogginghose. Alles weitere packen wir in ein 2. Sackerl und geben es Gaby mit. Die „Italienerin“ kommt vorbei und bittet ebenfalls um Lebensmittel, eine wirklich nette Frau ohne jegliche Deutschkenntnisse, wir verständigen uns via Gestiken, was ganz gut klappt. Auch ihr packen wir 1 Sackerl zusammen und gehen dann eine Runde im Terminal. Von Weitem sehen wir den Schützling in einer Polizeikontrolle, der am Donnerstag beim Bus war, in dem späteren gemeinsamen Gespräch kommt heraus, dass er sich daran nicht mehr erinnert, dass er bei uns war und unseren Damen sogar ein Ständchen gesungen hat. Egal! Er hätte gerne einen Kaffee, einen fertigen in Dose, leider habe ich keinen.
Wir gehen an Elke, die uns ein strahlendes Lächeln entgegenbringt, vorbei, „es geht mir gut und ich habe alles“ ruft sie uns entgegen. Wir quittieren ebenfalls mit einem Lächeln und gehen weiter. Unsere nächste Station ist Günther, der ganz hinten auf einer Bank liegt, der vor kurzem erst aus dem Krankenhaus entlassen wurde und so sehr hofft, bald weg zu sein von der Straße. Ich wünsch es ihm so sehr. Ich versuche ihm nochmal rhetorisch „einzuprügeln“, dass er sich unbedingt melden soll, egal zu welcher Zeit, wenn es ihm schlecht geht und seine Riesenwunde Probleme machen sollte. Er verspricht es mir. Gut! Zurück zum Bus, wir fahren nochmal eine Bahnhofsrunde und schauen, ob Meikel, Elmar und Marcell im Park sind. Inzwischen sitzt Meikel auf seinem Schlafsack und erzählt vom Polizeieinsatz mit 8 (!) Polizisten von letzter Nacht. Hier sollte sich auch jeder sein eigenes Bild machen, dazu mag ich nichts mehr sagen oder schreiben. Natürlich haben Meikel und die anderen diese Situation provoziert, weil sie immer Unordnung hatten auf ihrem Platz, aber deshalb mit so einem Aufgebot das Terminal zu räumen, ist schon sehr übertrieben. Meikel kommt mit zum Bus und holt sich Lebensmittel und etwas zu trinken. Stefan und ich gehen jetzt noch schnell runter in die Tiefgarage und schauen, ob sich dort jemand hingelegt hat. Niemand dort, weiter übers Terminal zu Florian. Am Terminal treffen wir Franziska mit Emma. Sie kommt zum Bus und nimmt Lebensmittel mit, auch für Gerald, brauchen wir nicht unter die Autobahnbrücke fahren, auch gut. Emma spielt vor lauter Freude verrückt, kaum zu beruhigen, einfach ein süßes Wesen.
Auch Renate und Egon, die beiden verschollenen sind wieder am Terminal, hier wurde uns ja gesagt, dass sie in einer Wohnung wären, was scheinbar nicht stimmt. Egon erzählt, dass er jetzt auf Saison ins Zillertal geht, um als Abwäscher zu arbeiten, denn irgendwo Nähe Mozartkreuzung sei eine Suchanzeige, worin €3449,- Bruttoverdienst versprochen wird. Egon ist jetzt nicht der Rechenkünstler, der weiß was genau man unter „Brutto“ versteht. Ich versuche ihm zu erklären, dass das nur eine „Fangaktion“ einiger Saisonbetriebe sei, wo man die Zahlen nach oben frisiert und die Leute dann vor Ort, vor die Tatsachen, die nirgendwo beschrieben wurden, stellt. Eine aktuelle Masche mancher Gastro-Betriebe, um Personal zu bekommen. Jedem normalen Menschen leuchtet ein, dass kein Betrieb dieser Welt fast € 3500,- bezahlt für einen Abwäscher und dass hiervon noch Kost und Logis und andere Dinge abgezogen werden. Egon meint: „Das ist ja frei“, nein, ist es schon lange nicht mehr, das wird alles vom Lohn abgezogen. Gottseidank treffe ich irgendeine Synapse in diesem Gespräch, die ihm zu erklären scheint, dass dieses Inserat ein Fake ist. Renate erzählt dann noch, dass sie trotz ihres offenen Fußes, wieder Zeitung austragen geht, um eine Kleinigkeit zu verdienen. Toll, um 3 Uhr früh aufstehen, Zeitungen zu Fuß im Hafen abholen, und dann austragen. Ich ziehe meinen Hut, dass sich die Beiden diese Mühe machen. Die Beiden kommen noch mit zum Bus und holen sich dringend Notwendiges.
Wir fahren weiter zu Florian, der schon schläft und trotzdem zum Bus mitkommt, das erste Mal nimmt er mehrere Sachen von uns, Handschuhe, Haube, lange Thermo-Unterwäsche, Decken, Schlafsack, Unterwäsche und dicke Socken. Für nächste Woche verspreche ich ihm warme Winterschuhe Größe 46, darauf freut er sich schon sehe ich sein leuchtendes Lächeln.
Von Florian fahren wir direkt zu Gertrude, die nach 10 Anrufen immer noch nicht abhebt. Ab auf den Gründberg, nachsehen was wurde aus der letztwöchigen Diskussion mit ihrem Vermieter, der partout nicht heizen will. Wir klopfen am Fenster, Gertrude ist nicht alleine, Adrian und sein Freund sind bei ihr. Sie öffnet und wir merken, dass eine gespannte Stimmung ist. Adrian war die ganze Woche weg und hat sich nicht gemeldet. Gertrude ist sauer auf ihn. Sie hat ihm seine ganzen Habseligkeiten zusammengestellt und redet ziemlich aggressiv mit ihm, was mir ein Kopfschütteln entlockt. Einige Aussagen werden diskutiert und eingeordnet. Nach vielem hin und her meinte Gertrude dann, was wir uns eigentlich einbilden, dass wir bei ihr beim Fenster klopfen. Zuerst kann ich die Aussage nicht ganz einordnen, ich sehe ihre aggressive Mimik, die nun offensichtlich gegen uns gerichtet ist. Ich sage zu Stefan: „Komm‘ wir fahren“. Was hier und jetzt die Stimmung kippen ließ, wir wissen es nicht, weil niemand von uns in diesem Augenblick etwas sagte. Wir nehmen die Situation zur Kenntnis und beschließen, künftig nicht mehr zu Gertrude zu fahren, uns derartig zu begegnen, das brauchen wir nicht, nachdem wir ihr eigentlich nachfahren, um ihr Lebensmittel zu bringen.
Nach dieser Erfahrung geht es zur letzten Station, Pleschingersee, Stefan und ich wollen heute nicht mehr, und außerdem ist es bereits 22.10 Uhr und wir beide sind eh schon fix und fertig. Pleschingersee war ebenfalls leer, auf ins Lager und alles wieder ausladen und einlagern. Um 23.00 Uhr setze ich Stefan bei der Metro ab und wünsche ihm einen tollen Sonntag, doch Gertrude wird noch die ganze Nacht nachschwingen mit ihrer Aussage. Traurig, aber alles wollen wir uns auch nicht gefallen lassen. So geht ein Samstag zu Ende, der viele Aussagen, viele Ansichten zu Tage brachte, diese zu verarbeiten ist jetzt an den Feiertagen angesagt. Danke für Eure Aufmerksamkeit und euch eine schöne Zeit, alles liebe und Gute! 😊