Brotsüchtig und eine kleine Familie…
Das alte Jahr 2020 geht gebeutelt dem Ende entgegen, der Wunsch nach einem Corona freien, halbwegs „normalen“ Jahr 2021 ist groß, sehr groß.
Nicht nur bei uns in der Obdachlosenhilfsaktion, auch draußen bei unseren Schützlingen wird die Hoffnung auf ein „besseres“ Jahr hochgehalten. Alle wünschen sich den normalen Alltag zurück, wo hoffentlich diverse willkürliche und absolut unverständliche Aktionen von Behörden und Ämter sowie von Politikern gegen unsere Schützlinge, ausbleiben werden. Um das Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit ranken sich mittlerweile viele unwahre Gerüchte, die es eigentlich nicht wert sind, kommentiert zu werden, jedoch werden diese subjektiven Meinungen ständig in ein öffentliches Bild „eingearbeitet“ und veröffentlicht, diverse Aussagen von Politikern, die wahrlich entbehrlich sind, weil diese einfach nur von Unwissenheit strotzen. Manchen Politikern und Entscheidungsträgern sollte man einen unserer Verteil-Donnerstage zum Pflichtbesuch auferlegen, damit sie eventuell sehen, über wen sie eigentlich urteilen und den Stab brechen. Jedoch fürchte ich, sie würden auch vor Ort nicht wirklich verstehen (wollen), wie es jemandem geht, der Obdachlos oder Wohnungslos wurde. Eigentlich ein ganz trauriges Bild das mich nicht ruhen lässt. Warum ich das hier schreibe? Weil ich erst vor ein paar Tagen ein Mail bekam, von einem Linzer Politiker, der uns als Aktion und als Verein stark in Frage stellte und einfach unverschämt und frech meinte, Zitat: „Die wären alle ja selbst schuld und keiner von denen bräuchte wirklich Hilfe bevor sie nicht zum Saufen aufhören“. Wie man so einen absolut boshaften Blödsinn schreiben kann, ist mir unverständlich, und diesen Blödsinn dann auch noch in ein Mail packen und auf „senden“ klicken. Solche Menschen, denke ich, haben jede Reputation als Politiker, verloren, solche Politiker disqualifizieren sich selbst. Das war nicht die einzige Aussage in dem A4-Seiten langen Mail, die anderen Aussagen erspar ich Euch, liebe Leute. Aber dieser „Herr“ scheint noch nichts begriffen zu haben und tobt sich rhetorisch auf dem Rücken der ärmsten Menschen aus. Mehr Platz möchte ich diesem Herrn hier nicht mehr widmen. Einfach arm! Unseren Verteil-Mittwoch heute, haben wir wieder von Donnerstag auf Mittwoch vorgezogen, weil unser Team morgen Silvester zu Hause bei den Liebsten sein soll. Unser Team leistet so großartige Arbeit, EHRENAMTLICH! Ich bin so stolz auf jede/n von EUCH! Schön, dass es EUCH gibt. Künftig gibt es unseren Verteiltag wieder nur noch am Donnerstag.Die letzten Tage war ich auch oft nachts in Linz unterwegs, bin die Hotspots abgefahren und nachgeschaut ob es unseren Schützlingen eh gut geht, ob etwas fehlt, ob jemand Hilfe braucht. Hl. Abend…Weihnachtsfeiertag…Stephanitag, alle hatten große Freude, dass ich immer mit unserem Notfallpaket unterwegs war. Inhalt hier sind Lebensmittel, Hygieneartikel, warme Schlafsäcke, winterfeste Isomatten, Winterjacken, warme Schuhe, neue Socken und neue Unterwäsche, und wir hatten immer Eure Weihnachtsgeschenke dabei, was jedem unserer Schützlinge ein zauberhaftes Lächeln entlockte. Es tut so unendlich gut, jemanden so glücklich zu sehen. Und hier stand bei weitem nicht der Warenwert im Vordergrund, sondern dass da draußen jemand an sie denkt und ihnen auch noch ein Weihnachtspackerl schenkt, für viele Bedürftige unbegreiflich, dass „fremde“ Menschen sie beschenken. Aber wer in diese glücklichen und zufriedenen Gesichter geschaut hat, hatte entweder Tränen in den Augenwinkeln oder schwer zu schlucken. Welche Emotionen hier frei werden, ist einfach unbeschreiblich. Dass ein Mensch sich so sehr über ein Weihnachtsgeschenk freuen kann, können viele erst glauben, wenn sie es selbst gesehen haben. Am 26.12.2020 hatte ich Spender dabei, bei meiner Linz-Tour. S. & E. haben am Vortag selbst Spenden an die Linzer Obdachlosen verteilt, jedoch fanden sie nicht viele an. Deshalb die Bitte an mich, sie mitzunehmen, um sich die Problematik und die Situation selbst von den Betroffenen anzuhören oder anzuschauen. Was ich gerne machte. Die Beiden waren von der Dankbarkeit unserer Schützlinge beeindruckt, und auch von der Freundlichkeit, obwohl manche schon alkoholisiert waren, wussten sie sich trotzdem zu benehmen und zu danken. Warum Menschen auf der Straße landen, dafür gibt es viele, viele plausible Gründe und Ursachen, aber es gibt KEINEN einzigen Obdachlosen der je gesagt hätte, was viele Politiker behaupten, Zitat: „Ich bin gern auf der Straße und möchte in keine Wohnung“. Solche Behauptungen kommen immer nur aus der Ecke der Verantwortlichen, um nicht in weiteren „Zahlungszwang“ zu kommen, heißt, wenn man die Zahlen der Obdachlosen herunterträumt und die Öffentlichkeit über die wahren Zahlen täuscht, kommt man nicht in den Zugzwang weitere Einrichtungen finanzieren zu müssen.
Die in Linz zur Verfügung stehenden 59 Notschlafbetten reichen unseren Politikern aus, weil wir ja nach deren Aussagen nur sehr wenige Obdachlose haben und die finden „alle“ dort Platz. So, genug über Politiker geschrieben. Ich war dann mit S. & E. fast 4 Stunden unterwegs und wir haben viele Dinge diskutiert, viele Dinge, viele Umstände oder Ursachen waren unbekannt, manche Schicksale gingen ihnen sehr nahe. Nach 22 Uhr waren wir wieder im Lager und haben das Not Paket wieder eingelagert. Gaby, Renate und Roman am Bus-Terminal äußerten den Wunsch nach einer warmen Thermo-Unterwäsche, nach Cabanossi und Streichkäse, nach neuen Socken und warmen Decken und wasserdichten Schuhen. Am nächsten Abend, am 27.12.2020 brachte ich dann die Sachen ins Terminal. Auch E. war da, sie nimmt Gaby die Spenden weg und verstreut diese am ganzen Terminal und verschenkt sie an fremde Menschen, die diese Sachen von Gaby, nicht haben möchten. E. ist schwer traumatisiert aus dem Bosnienkrieg, ertrinkt im Alkohol, legt sich nieder wo sie steht, wenn sie müde oder zu betrunken ist. E. wäre eine liebenswürdige Frau, wenn sie in ihrer Psychose nicht dauernd jemand „sehen“ würde, der ihr was gegen ihren Willen tun möchte. E. wurde schon viel Unschönes angetan, viele Verletzungen, körperlich und psychisch beigebracht. Ihre Beeinträchtigungen sind jedoch so massiv, dass ein normales Gespräch nicht mehr möglich ist. Wenn sie jemanden sieht vor dem sie Angst hat wird sie aggressiv und geht offensiv auf diesen Menschen zu, und macht Dinge die ihr dann Minuten später sehr leidtun. Ein Karussell, das kein jähes findet und noch lange dauern wird. Leider! E. zeigte uns auch ihren Fuß, der vor Pilz, Eiter und Blut nur so strotzte, Zitat E.: „Bis zum Heiraten ist es wieder gut, ich werde es überleben“. Von ihrem ungebetenen „Begleiter“ Ahmet berichtete ich schon in einem andere Posting. E., so hoffe ich wird hoffentlich zum Help-Mobil gehen, wo immer ein Arzt für die Obdachlosen dabei ist. Eine wunderbare Option, 2x je Woche für ein paar Stunden. Dort wäre E. gut aufgehoben. Auf allen Wegen hatte ich wieder das Notfallpaket und Weihnachtsgeschenke von Euch dabei. Und immer war es ein richtiges Erlebnis, diese an unsere Schützlinge verteilen zu dürfen. Dieses Lächeln, diese Freude, Momente des Glücks, aber auch Momente der Traurigkeit, weil das ganze Jahr nicht an sie gedacht wird, und zu Weihnachten denken irgendwie viele, viele Menschen an unsere Schützlinge. Sie fragen sich warum nur zu Weihnachten? Ich kann es nicht sagen, warum das so ist, Zitat: „Wir sind das ganze Jahr draußen auf der Straße“, ja, aber das ist halt so sage ich.
Nachdenklich gehen einige in die dunkle Nacht und man hört sie leise weinen, und mir drückt es den Hals zu weil wir das Leid, das Leben auf der Straße nicht beenden können, aber wir können das Leid lindern mit Euren Spenden, können viele wertvolle Unterstützung geben, was auch sehr dankbar angenommen wird. Irgendwie bin ich zu den Feiertagen jeden Tag in Linz um nachzuschauen, weil ich zu gut weiß, was diese Zeit mit Menschen macht, wenn man keine Hoffnung mehr hat. Ich versuche da zu sein, wenn sie reden möchten, da zu sein, wenn sie Hilfe brauchen, da zu sein, wenn jemand in seiner kleinen Welt nicht mehr weiterweiß, ich bemühe mich zu helfen, was mir auch nicht immer gelingt. Jedoch habe ich auch in diesen Tagen gemerkt, dass kleine Dinge wie ein einzelnes Merci ein großes Lächeln vielen auf die Lippen zeichnet. Oft sind es ganz kleines Dinge, die von der Traurigkeit, von der Situation ablenken. Und solche „kleinen“ Dinge hab ich immer im Notfallpaket dabei.
Gestern Dienstag ging es dann mit Robert ins Tiefkühl- und Kühllager, um wieder all die Sachen abzuholen, die wir für heute brauchten, Schinken im Oberskrenmantel, Pizzen, Gemüse, Schokolade, Ketchup und Gugelhupfe. Zu Mittag waren wir fertig mit den Besorgungen, anschließend kam noch eine junge Frau ins Lager, die künftig mithelfen wird bei uns. Bei den Spendenannahmen, so wie gestern Nachmittag, werde ich bis Ende Jänner nicht dabei sein, auch samstags nicht, da ich nach dieser anstrengenden Vorweihnachtszeit nun Zeit für mich brauche, dass sich mein Körper erholen kann, bitte verzeiht, wenn ich Euch bis Ende Jänner nicht im Lager begrüßen kann.
Heute Mittwoch früh waren Robert und ich wieder nach Haid unterwegs, Brot und Gebäck, Obst und Gemüse abzuholen, um es anschließend mit Petra und Dani auf Genießbarkeit zu prüfen. Gerade hier bei solchen Arbeitsschritten merkt man, welch tolles Team wir sind, welches gemeinsame Ziel wir haben, unseren Schützlingen zu helfen, ohne Wenn und Aber! Markus (pastafani.at) kochte uns gestern ein Erdäpfelgulasch (Vielen, lieben Dank dafür) das er heute an die Menschen ausgibt. Markus und Verena und alle anderen bemühen sich noch vor der allgemeinen Ausgabe, Erdäpfelgulasch an die Menschen zu verteilen. Vielen Dank an dieser Stelle an Hr. Stefan Faschinger von der Fa. Brotsüchtig (www.brotsüchtig.at), der uns heute für die Ausgabe 100 Semmel und 30 Gebäck sponserte, vielen herzlichen Dank und Vergelt’s Gott an dieser Stelle, danke für die tolle Unterstützung. Vormittag kam dann auch noch Markus ins Lager um sein Auto nochmal mit Weihnachtsgeschenken anzufüllen, so bekommen diejenigen die letzte Woche nicht beim Bus waren, auch noch ein Geschenk von Euch. Wir sortieren derweil alle Lebensmittel aus Haid durch, portionieren sie und verpacken sie neu. Zu Mittag kommen heute fast alle Helfer/innen ins Lager. S., der am Stephanitag in Linz mit dabei war, möchte heute mit seiner Freundin M. dabei sein und wir die Geschenke an unsere Schützlinge ausgeben.
Auch Frau O. von einer Firma die uns immer wieder großartig unterstützt ist heute mit dabei, möchte sich auch unsere Aktion aus der Nähe anschauen. Und der Enkel unserer Ingrid, Alexander, darf heute zum ersten Mal auch mit dabei sein, er hat eine riesen Freude, dass er mit mir im Transporter mitfahren darf und später helfen darf. Alexander ist Feuer und Flamme für unsere Aktion, er war schon 4-Mal bei Spendenlieferungen dabei und mag mich sehr, ich ihn auch. Die ganze Familie hier ist schon ganz im Banne unserer Aktion und unterstützen uns wirklich großartig. So, wir haben alles im Griff, Florian und Elvira haben gottseidank wieder ihren Anhänger dabei, um alles transportieren zu können, wir haben ganz viele Sachen dabei, großartige Sachen. Alles wird dank der Mitarbeit Aller in Bestzeit eingeladen und wir brechen punkt 15Uhr Richtung Linz auf. Der Wettergott hat lt. Wettervorhersage, einsehen und wird es heute nicht regnen lassen.
15.18Uhr, Ankunft in Linz, etwa 15 Menschen warten schon auf uns, alle PKWs positionieren, Gaskocher aufbauen, Anhänger und Transporter ausladen, Anruf von P., bitte seid vorsichtig, im Schillerpark wurden die ganzen Obdachlosen in einen Autobus gestopft und weggefahren, niemand weiß wohin. Nach Aussage von P. war ein Sonderkommando vor Ort, ich konnte leider nichts Genaues recherchieren, weiß bis jetzt nicht, was wirklich passierte. Die nächsten Tage werden es uns hoffentlich wissen lassen. Ein ungutes Gefühl macht sich breit, Hoffnungslosigkeit! Diese Vorkommnisse, ohne wirklich genau zu wissen was geschah, nur das Ergebnis zu kennen, zermürbt. Wir beginnen 16.15 Uhr mit der Ausgabe an all die 67 Besucher heute. Heute noch vorsichtiger wie sonst, weil wir nicht wissen wie die Polizei trotz Erlaubnis auf uns zukommt. Bis jetzt hatten wir noch nie ein Problem, erfüllten immer alle Anforderungen von Polizei und Krisenstab des Landes O.Ö.. Wir sind heute übergenau, um ja nicht ins Raster zu fallen. H., die vor 14 Tagen von uns neue Winterstiefel bekam und es damals nicht glauben konnte, war heute wieder bei uns, und sie bekam auch ein Weihnachtsgeschenk, konnte es nicht glauben, dass auch für sie ein Geschenk abgegeben wurde, ihre Tränen vor Freude sprachen auch heute wieder eine eigene Sprache. Später kam eine kleine Familie, Vater, Mutter und 1-jähriges Kind und 2 Hunde, einer davon wurde erst vor kurzem operiert wo ihm eine Vorderpfote abgenommen wurde. Der Vater wurde wegen Corona gekündigt, verdiente vorher € 2500,- und muss jetzt die Tierarztkosten von der Operation abstottern, was einen Weinkrampf bei ihm heute auslöste, er entschuldigt sich des Öfteren, dass er hier ist und sich wegen der Tierarztkosten keine Lebensmittel mehr kaufen könne, er bat uns um Hilfe. Natürlich bekommt auch er Lebensmittel und Weihnachtsgeschenke, für die Hunde haben wir etwa 3kg Wurstreste und normales Hundefutter, die Familie war überglücklich, wenn auch der Vater überschnell wegen seiner Tränen das Weite suchte, seine Frau mit dem Kind am Arm holte dann noch die Weihnachtsgeschenke bevor auch sie um die Ecke ging und wir sie aus den Augen verloren. Viele unserer Dauer-Schützlinge, die eigentlich jede Woche zu uns kommen, waren heute nicht da, niemand weiß warum, ob es der vorgezogene Mittwoch, der angekündigt war, war oder ob es an der Aktion am Schillerpark lag, keine Ahnung. Um 18.10 Uhr war zusammenräumen angesagt, gemeinsam waren die Sachen im Nu verstaut, Alexander fährt wieder mit der „Herrenrunde“ im Transporter ins Lager, wo er uns erzählt, er hätte schon eine Freundin die er im Schulgarten „geküsst“ hat, die Antwort seiner Freundin darauf war: „Du schmeckst gut“, man muss aber wissen, Alexander ist 7 Jahre alt. Schmunzelnd geht unser Tag dem Ende entgegen, alles ausladen und wieder einlagern, S. & M., die heutigen Gäste sagen zu, „dabei“ bleiben zu wollen, herzlich willkommen im Verein, großartig. Ingrid und Alexander sind geschafft, die letzten Tage waren anstrengend und traurig, Ingrid trug ihre beste Freundin zu Grabe und adoptierte nun unsere Prinzessin Gerlinde, die ihr nah ist, als „beste“ Freundin. Die Beiden sind einfach wunderbare Frauen und großartige Menschen und haben sich in unserem Verein gefunden. Langsam verabschieden sich alle im Lager und wünschen „einen guten Rutsch“, jetzt erst wird mir wieder klar, morgen ist der letzte Tag in diesem Jahr.
2021 kann nur besser werden, ich hoffe auch für EUCH alle, liebe Wegbegleiter, liebe Spender/innen! Wir wünschen EUCH von ganzem Herzen einen guten Rutsch, ein gesundes, zufriedenes und glückliches 2021! Bleibt uns gewogen und treu, bitte helft uns auch weiterhin, damit wir helfen können. DANKE und VERGELT’S GOTT für alles, was IHR für uns getan und gespendet habt, ihr seid einfach … GROSSARTIG, DANKE für jede einzelne menschliche Geste, für jede noch so „kleine“ Spende, für jedes liebe Wort und jede Stütze, wenn wieder jemand glaubte uns öffentlich angreifen oder beleidigen zu müssen, dann ward ihr da und habt uns Mut gemacht, habt uns den Rücken gestärkt. Dafür eine tiefe Verneigung und ein demütiges VERGELT’S GOTT! Wir wünschen EUCH allen NUR DAS BESTE! Danke für Euer Vertrauen, es bindet uns in die Verantwortung, den ärmsten Menschen weiterhin zu helfen. :-)