Ganz oder gar nicht, gehen oder bleiben!
Unser Spendenannahmevormittag am Samstag...
...im Lager ist immer ein sehr schönes Miteinander, es werden all die Spenden der letzten Tage aufgearbeitet und inventiert, heute kommen so viele Helfer/innen ins Lager, dass wir heute nebenbei auch noch eine Spendenlieferung kommissionieren können, d.h. wir stellen Spendenlieferungen für Obdachlosen-Einrichtungen oder Frauenhäuser zusammen. Barbara kam heute früh ausnahmsweise ins Lager und brachte uns ihre Inventur-Listen und die noch ausstehenden Kommissionierungen vorbei. Christian, Petra, Beate, Jutta, Brigitte, Bernadette und Raffaela legen ein Tempo vor, das schon enorm ist und ich mir wirklich Sorgen mache, um die eine oder andere.Kathi unser neuestes Vereinsmitglied, die heute Abend für die Linz-Tour eingetragen ist, musste leider absagen, Bernadette springt für Kathi ein. Um 18 Uhr ist Treffpunkt bei der Metro-Tankstelle. Zu Mittag haben wir den Bus schon beladen, so dass wir gleich loslegen können. Stefan vom Pichlingersee hob wenigstens heute sein Telefon ab und ließ mich folgendes wissen: „Ich brauche dich nicht mehr, danke.“ Bumm! Wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Wird mir eine Lehre sein.
Also fahren wir gleich nach Linz, Schillerpark und Volksgarten abgehen und schauen, ob einer unserer Schützlinge in der Nähe ist. Schillerpark verwaist, Volksgarten treffen wir Finley, dem ich noch etwas zum ausrichten habe, was ich somit mache. Außer Finley auch im Volksgarten niemand anzutreffen, also weiter zum Bahnhof. In der Bahnhofshalle treffen wir die ÖBB Security und fragen nach, ob es Neuigkeiten gibt, vom Terminalumbau, wann der startet und was es sonst noch Neues gibt. Der Terminalumbau startet scheinbar schon morgen Montag, wo auch alle Obdachlosen die tlw. seit Jahren am Terminal schliefen, „delogiert“ werden. Nur, wohin sollen unsere Schützlinge umziehen? Egal wo sie in Linz angetroffen werden, hagelt es Platzverbote und Strafen, ich bin gespannt, was hier passieren wird, so die Information stimmen sollte, dass ab morgen das Bus-Terminal gesperrt wird.
Sonst gibt es auch von der ÖBB Security nicht viel neues, also ziehen wir weiter, Richtung Finanz-Garage, wo wir auch niemanden antreffen. Also zurück zu unserem Transporter. Der Wind weht uns eisig um die Ohren, es hat -1,5°, eisig wenn man auf der Straße schlafen muss. Also rein in den Bus und ab, zum Terminal. Dort angekommen steht die Polizei und macht gerade bei Meikel eine Amtshandlung. Er muss sich einen Brief vom LG Linz abholen, schafft das aber alleine nicht mehr, also bittet der Polizist mich, ob ich mit Meikel diese Woche mal zum Landesgericht fahren könnte, um den Brief abzuholen. Ich stimme zu, da Meikel es alleine niemals schaffen würde. Meikel stimmt ein und der Polizist schreibt sich meine Daten auf, um diese ans Gericht weiterzuleiten. Wieder eine Fleißaufgabe für mich, ich habe ja sonst nichts zu tun, aber Meikel zuliebe mache ich das gerne.
Als die Polizei wegfährt gehe ich zur nächsten Bank, wo ein neuer Obdachloser, den ich nicht kenne, sich gerade selbst sehr unbeliebt macht. Er gestikuliert aggressiv und weitschweifend, ohne aufzupassen wirft er seine Hände und Beine durch die Gegend und trifft ab und zu jemanden von den Obdachlosen. Sie alle wollen nicht, dass dieser Neue weiter hier bleibt, alle schimpfen und grollen. Doch der Betroffene lächelt nur provokant.
Er bleibt weiter sitzen, erzählt aus seiner Situation, die gerade jetzt niemanden interessiert, und provoziert weiter am maximalen Pegel. Ich versuche alle zu beruhigen und lade alle zu einem Tee zu unserem Bus ein, alle kommen, auch der Neue. Ich versuche ihn etwas abseits zu stellen, damit hier nicht noch ein Blödsinn rauskommt. Der bleibt aber nicht abseits stehen, sondern setzt sich auf Gabys „Bett“, was die Situation noch viel mehr anheizt. Wir verteilen heißen Tee und jeder bekommt 4 Zigaretten, wir versuchen unser Bestes, alles ohne Gewalt abzuhandeln und Verständnis zu erregen bei den Anwesenden.
Gaby hält diese Situation gar nicht aus und geht weg, dann kommt Werner, den ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen habe, der auch in Lästerlaune ist und hier sich als „Chef“ aufspielt. Werner ist kein „Chef“, wenn man weiß, dass auch er wie alle anderen hier, sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Werner schreit umher und möchte einigen in der Runde etwas „befehlen“, wozu aber die Wenigsten Lust haben. Ich versuche immer wieder die Situation zu deeskalieren und zu schlichten.
Dann kommen auch noch die Rumänen, die ich schon am Donnerstag vom Bus wegschicken musste, weil wir sie nicht mit Lebensmittel oder Kleidung versorgen dürfen. Wieder sind sie aggressiv und fordern neue Schuhe, neue Jacken und Lebensmittel, was ich wieder ablehne und ihnen gleichzeitig versuche zu erklären, warum ich das ablehnen muss, nämlich deshalb, weil ich mich strafbar machen würde. Sie tun als würden sie es nicht verstehen, aber sie gehen weg vom Bus. Die aggressive, angeheizte Stimmung bricht nicht ab und jetzt meldet sich sogar unser alter Freund Affi zu Wort: „Gebts amoi a Ruah‘, ihr nervts mit eurer Art“. Nach und nach arbeiten wir alle ab und geben ihnen Lebensmittel mit, Affi braucht einen Schlafsack und eine Isomatte, er bekommt eine Isomatte und 2 warme Decken.
Unser „langer“ Hansi ist auch da, und ich rede ihn nochmal drauf an, wegen seines Geschwürs an seiner Fußsohle: „Ihr habt am Donnerstag geredet über mich, goi?“ Ja, Hansi, haben wir, weil wir dich alle sehr mögen und wir haben beraten, wie wir dir am besten und schnellsten helfen können. „Ich hab’s gespürt, dass ihr über mich geredet habt, aber ich kann zurzeit Eure Hilfe nicht annehmen, es tut mir leid“. Ich erkläre Hansi was mit seinem Fuß passiert, wenn er noch länger zuwartet, aber Hansi kann die Situation nur falsch oder gar nicht einschätzen, er blockt nur ab, schade! Er hat Kontakt mit seinen Eltern aufgenommen und fährt heute rauf in seinen Heimatort, aber er bräuchte bitte einen Schlafsack, da er befürchtet, dass seine Eltern die Tür nicht öffnen werden und er somit im Freien schlafen muss. Natürlich bekommt Hansi Isomatte und einen Winter-Schlafsack, Lebensmittel und 3 frische, neue Paar Socken. Ich wünsche ihm viel Glück, aus ganzem Herzen. Hansi geht und Peter kommt, Peter hätte gerne ein paar Fischdosen und etwas zu trinken, wird erledigt.
Auf der Seite, hinter Gabys Bank habe ich die zusammengestellt, die noch Nächtigungsjetons für die Notschlafstelle brauchen, insgesamt geben wir auch heute wieder 24 Jetons aus, à € 4,06! Das geht zurzeit richtig ins Geld, jede Woche 60-100 Jetons à € 4,06 an unsere Schützlinge auszugeben. Der wild gestikulierende Neue provoziert nach wie vor, ich bitte ihn von unserem Bus wegzugehen, da ich eine Rauferei befürchte. Er geht nicht und heizt die Stimmung immer mehr an. Peter schaut sich das friedliebend aus der Weite an und kommt zu dem Schluss, dass er diese Stimmung nicht haben möchte, er geht. DschokDschok, der kleine Obdachlose, der schon auf 300 ist, wirft den Rucksack des Neuen noch runter auf die Gleise und der Neue will nachspringen, gottseidank gelingt es ihm nicht über die Mauer zu springen, wo es dahinter etwa 7 Meter in die Tiefe geht. Den Rucksack sieht er bestimmt nie wieder. Mittlerweile ist es 21 Uhr und uns wird die Stimmung hier am Terminal auch zu heftig, gehen noch eine Terminalrunde und anschließend noch in die Tiefgarage runter, um nachzuschauen, ob wir jemanden übersehen haben. Nein, haben wir nicht.
Also fahren wir mit einem schlechten Gefühl und einem schlechten Gewissen weg und fahren zu Peter, in die Nähe des Doms. Er erzählt uns, dass er bis Mittwoch hier weg muss, er weiß aber nicht, wohin er soll. So typisch! Wir packen ihm ein Sackerl mit Lebensmittel und reichen ihm einen Becher heißen Tee. Er erzählt von vorbeimarschierenden „Garden“, die die Hand gehoben haben und singen, er habe große Angst. Ich lasse das so stehen, da Peter immer wieder von solchen Dingen aus früheren Zeiten erzählt, ich kann es nicht einordnen, ob das Fantasie oder Wirklichkeit ist. Wir fahren weiter zu Florian, der auch heute mitkommt zum Bus und sich frische Socken und Handschuhe holt. Florian verschwindet schnell in der Dunkelheit und wir fahren zu Gerald und Franziska. Franziska sei gerade weggegangen und komme gleich wieder. Gerald geben wir einen großen Becher heißen Tee und ein paar Zigaretten. Wir sagen Gerald, er möchte uns Franziska bitte zum Bus schicken, gleich um die Ecke. Dort warteten wir noch etwa 15 Minuten, und brachen dann auf, nach Urfahr, zu Rene.
Ich bat Rene, nachdem Günther sein Nachbar im Krankenhaus liegt, weil er operiert wurde, die Eingangstür zu öffnen, dass wir zu ihm kommen können. Rene hat getrunken und redet dauernd nur von einem Stempel, den er braucht. Er artikuliert sich nicht deutlich genug, um herausfinden zu können welchen Stempel und für was er den braucht. Nach der 10. Gleichklingenden Aussage fordere ich endlich Klarheit ein, welchen Stempel und für was. Er zeigt auf 2 Kuverts am Tisch, lies mal fordert er mich auf. Darin sind Formularanträge für die Wohnbeihilfe und für eine einmalige Hilfe in bestimmten Lebenslagen vom Land O.Ö.. Ich möchte wissen, wie er dazu kommt, ohne Miete zu zahlen einen Antrag auf Wohnbeihilfe zu stellen? „Ja, Walter, wenn ich mir von meinem Freund € 300,- ausborge und dir davon die Miete zurückzahle, dann habe ja ich die Miete bezahlt und bla bla bla“. Lieber Rene, ich mache mich für dich bestimmt nicht strafbar und werde dir keinen Stempel auf diese Formulare geben, sorry. Er fordert „Hilfe“ ein und meint aber Beihilfe zur Straftat, was ich somit gänzlich ablehne und ich mich auch ganz kurz angebunden verabschiede. So etwas geht gar nicht! Das mache ich Rene auch noch in einem SMS klar, dass, wenn er hier irgendetwas kriminelles machen würde, er sofort aus dem Zimmer fliegen würde, egal ob er krank ist oder nicht, solche Dinge gehen nicht, ohne nur 1mm davon abzuweichen.
Wir fahren weiter, zu Tara auf den Gründberg. Markus ist bei Yassi in Schärding und hilft ihr Kasten aufstellen und das Formular zu unterschreiben, dass Yassi seinen Personalausweis abholen darf. Er kommt erst sonntags zurück. Ich rufe Tara an, es ist vereinbart, dass ich anrufe, wenn wir da sind. Sie öffnet die Tür und bittet uns in ihr Zimmer. Tara erzählt mir, dass alle in der Firma von Tara begeistert sind, weil sie zuverlässig und genau ist, das ist doch ein toller Erfolg. Tara ist gelernte Bankkauffrau und ausgebildete Privatschalterangestellte, da gibt es hoffentlich anschließend nach den 2-3 Monaten, wo sie jetzt noch in diesem Projekt arbeiten kann, eine adäquate Stelle, wo Tara unterkommt und nicht mehr zurück auf die Straße muss. Ich bin da selbst dahinter, dass das nicht mehr geschieht.
Für Tara habe ich eine riesengroße Tasche voller toller Klamotten mit, gespendet von unserer Michaela aus dem Dachcafe. Ich sage Tara, dass sie alles durchschauen soll und was sie nicht haben mag, mir nächste Woche wieder mitgeben soll. Sie freut sich riesig aufs Stöbern in der Tasche und verabschiedet sich, in dem Augenblick kommt Rainer, der dringend Lebensmittel braucht. Wir richten Rainer ein großes Sackerl zusammen und reden noch ein wenig, ich möchte raushören, wie es ihm wirklich geht. Rainer ist ja schwerkrank. Er sieht aus wie der wandelnde Tod, Woche für Woche, weiß und total abgemagert, zitternd steht er vor mir und er friert, ich halte ihn nicht auf und wünsche ihm eine gute Nacht. Ich mache mir Sorgen um Rainer, er erholt sich nicht mehr, er baut stark ab.
Wir fahren weiter und ich sage noch zu Bernadette, meiner Beifahrerin, dass ich nur noch eine Station machen möchte, da ich müde und ausgelaugt bin und einfach nicht mehr kann. Diese eine Station fahren wir noch an und finden ebenfalls niemanden, worauf wir Richtung Lager aufbrechen. Alles ausladen und wieder einlagern und alles sauber und geordnet zu hinterlassen.
Um 23.45 Uhr setze ich Bernadette bei der Metro ab und ich wünsche ihr eine gute Heimfahrt und einen schönen Sonntag. Die Tour heute war echt heftig, fordernd und am Limit. Ich bin froh jetzt heimzukommen, ins Warme und noch eine Kleinigkeit zu essen, so ich noch etwas runterbringe.
Der Tag endet dann auch für mich um 3 Uhr früh. Ich danke Euch allen für die Unterstützung bei unserer Linz-Tour, dass wir auch hier Lebensmittel in Eurem Namen verteilen dürfen, Vergelt’s Gott und habt großen Dank! 😊