Laura, Meikel und all die anderen!
Laura, Meikel und all die anderen!
Verteil-Donnerstag vom 31.10.2024:
Auch wir gedenken jenen Schützlingen, die viel zu früh von dieser Welt gehen mussten. Selbst Schuld oder nicht selbst schuld spielt hier eine untergeordnete Rolle. Arme, obdachlose- und wohnungslose Menschen sterben früher aufgrund der Lebenssituation. Wohnungs- und obdachlose Menschen sterben etwa 20 Jahre früher als jene, die in einer gesicherten Umgebung aufwuchsen und leben. Bei armutsbetroffenen Menschen, die länger in ihrer Armut leben müssen, sind es bei Männern 12,5 Jahre und bei Frauen 4,4 Jahre, die sie früher sterben. Betroffen sind davon in Österreich etwa 270.000 Menschen, die aufgrund ihres Schicksals früher sterben müssen.
Mich machen solche Zahlen traurig und wütend zugleich, weil es in Österreich keine Armut geben müsste, aber schon Kleinkinder sind davon betroffen, wenn Eltern oder ihre Mutter selbst am Rande der Gesellschaft leben müssen.
Hier ein kleiner Auszug aus den Fakten der Armutskonferenz:
„Die soziale Deprivation (Mangel, Verlust, Entzug von etwas Erwünschtem; z.B. Liebesentzug) ist mit 336.000 Personen (3,7%) gestiegen (2022: 201.000, 2,3%). Besonders die soziale Ausgrenzung bei Kindern ist auf 88.000 Betroffene angewachsen (2022: 36.000)“, analysiert das Netzwerk Armutskonferenz die Daten der Statistik Austria. Insgesamt betrifft Einkommensarmut und Deprivation gleichzeitig 194.000 Personen (2%) im Land.
„Effektive Hilfen braucht es bei Kinderarmut, Arbeitslosen, der Situation von Alleinerziehenden, leistbarem Wohnen und Menschen mit chronischen Erkrankungen“ fasst die Armutskonferenz die neuen Daten zusammen. Besonders von Armut und Ausgrenzung bedroht sind neben Kindern Alleinerzieherinnen (48%), Arbeitslose (33%) und alleinstehende Frauen in der Pension (30%). Mit großen Problemen sind Menschen mit chronischer Erkrankung konfrontiert. Und die hohen Wohnkosten bringen viele an den Rand. Die Belastung mit Wohnkosten ist von 1,2 Millionen (13%) auf 2,7 Millionen (30%) gestiegen.
Die hohen Risken für bestimmte Gruppen und der Anstieg der sozialen Deprivation weisen aber gleichzeitig auf die Herausforderungen im österreichischen Sozialstaat hin: Handlungsbedarf gibt es bei leistbarem Wohnen, Existenzsicherung in Sozialhilfe und Arbeitslosenleistungen, Energiekosten und Bildung.
Leistbares Wohnen: Mietpreisbremse, verbesserte Wohnbeihilfe, sozialer Wohnbau.
Wir brauchen mehr günstigen leistbaren Wohnraum, mehr Investitionen in den öffentlichen und gemeinnützigen Wohnbau, da gibt es in vielen Teilen Österreichs noch großen Aufholbedarf. Weiters ist eine verbesserte Wohnbeihilfe mit einer neuen Mindestsicherung statt der schlechten „Sozialhilfe“ umzusetzen.
Existenzsichernde Sozialleistungen: Reform der schlechten Sozialhilfe, Valorisierung und Erhöhung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.
Zu besonders drastischen Kürzungen kommt es im Sozialhilfegesetz bei Menschen mit Behinderungen, deren Unterhaltsforderungen jetzt österreichweit als Einkommen gewertet werden. Kinder sind von Kürzungen gravierend betroffen und vielfach in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Eine weitere massive Verschlechterung betrifft die Leistungen fürs Wohnen, auch die Wohnbeihilfe wird jetzt von den zuständigen Behörden einbehalten. Mindeststandards gibt es keine mehr, das Ziel der Armutsbekämpfung ist aus den Zielen des Gesetzes gestrichen worden. Manche wollen in dieser Situation Sozialleistungen für die Ärmsten im Land weiter kürzen. Und Menschen mit einem pauschalen Sachleistungszwang entmündigen.
Die Daten der Statistik Austria zeigen weiters, wie dringend es ein Arbeitslosengeld braucht, das vor Absturz bewahrt. Ein besseres, höheres Arbeitslosengeld schützt davor, in die Sozialhilfe zu fallen und verhindert in schwierigen Zeiten total abzustürzen.
Besonders deutlich zeigen sich die Unterschiede in der Alterskohorte der 40- bis 64-Jährigen: Hier weisen 21 Prozent der Menschen mit niedrigem Einkommen eine mehrfache gesundheitliche Benachteiligung auf, hingegen acht Prozent mit mittlerem Einkommen und vier Prozent mit hohem Einkommen. Bei den über 65-Jährigen sind die Anteile mit 24, 22 und 18 Prozent wiederum ähnlicher. Für diese relativ geringen Unterschiede könnte allerdings auch die deutlich geringere Lebenserwartung von Menschen mit niedrigem Einkommen verantwortlich sein.
Krankheit oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung kommen zumeist nicht allein. Die österreichischen Daten sprechen hier für deutliche Unterschiede besonders im Kindes- und Jugendalter: Vier Prozent der Kinder und Jugendlichen (bis 19 Jahre) aus Familien mit niedrigem Einkommen weisen eine mehrfache gesundheitliche Benachteiligung auf, hingegen nur ein Prozent dieser Altersgruppe aus Familien mit mittlerem Einkommen, in der Gruppe der Gutverdiener sind es null Prozent. Bei den 20- bis 39 Jahren liegen diese Anteile mit vier, drei und zwei Prozent dichter beieinander.
Diese Fakten sind nicht einfach Fakten, die man grade wie man möchte, wegwischen kann, hier geht es um Menschen, um unsere Mitbürger und um ganz, ganz viele Schicksale. Menschen in Armut oder gar Obdachlosigkeit können sich nicht mehr, wie schon oft hier von uns darauf hingewiesen, selbst schützen, beginnt sich die Abwärtsspirale zu drehen, ist es ein wahrlicher Kraftakt, sich gegen diese Spirale zu stemmen, was alleine gar nicht gelingen kann. Kommt hier keine Hilfe oder Unterstützung von außen von Familie oder Freunden, sind ganze Lebenswege in Armut oder Obdachlosigkeit vorgezeichnet.
Ich kann euch hier ein sehr gutes Beispiel erzählen, eine wahre Begebenheit. Laura B. war Tschechische Bürgerin, kam in jungen Jahren nach Linz, arbeitete 24 Jahre beim Land Oberösterreich und wurde dann krank. Zuerst wurde ihr eine Niere entfernt und später noch einige andere Organe. Sie war nicht verbeamtet und war sehr oft im Krankenstand, oft monatelang. Doch irgendwann kam die Kündigung, just in einem Moment, der Laura wahrlich mitten ins Herz getroffen hat, sie lag nämlich gerade im Krankenhaus um ihren Magenkrebs behandeln zu lassen. Die Kündigung war lt. Gewerkschaft „rechtens“.
Laura verlor aufgrund ihrer langwierigen Krankenstände ihre Arbeit, nach weiteren 2,5 Jahren die Wohnung und ihr gesamtes Hab und Gut. Die körperlichen Einschränkungen waren das Eine, die psychischen Belastungen das andere, das viel größere Problem. Laura sah ihr Schicksal kommen, sie verlor alles und landete auf der Straße, wo ich sie kennenlernte vor etwa 7 Jahren. Laura war eine stille und freundliche Frau, von ihr hörte man kein lautes Wort, keine „Abrechnung“ mit ihrem früheren Arbeitgeber oder ähnliches, sie war geduldig und eigentlich voller Hoffnung, dass ihr von wo auch immer, Hilfe zuteilwerden würde, dem war leider erst viel später so.
Ich fuhr damals schon unregelmäßig in Linz zu den Hot Spots, zu den Schlafplätzen der Obdachlosen, und wollte damals wie heute, nur helfen. Laura lernte ich damals kennen und es war bitterkalt, sie hatte nur eine dünne Jacke übergestreift, hatte keine Socken an, trug sommerliche Schuhe und eine dünne Leggins, Laura zitterte vor Kälte am ganzen Körper, und ein Fakt damals, Laura bekam weder Mindestsicherung noch Sozialhilfe und war somit auch nicht krankenversichert, sie konnte die Medikamente, die sie eigentlich aufgrund ihrer Krankheiten dringend gebraucht hätte, nicht einfach besorgen.
Ihr Zustand war für mich besorgniserregend, ich sah wie es Laura ging, zunehmend schlechter. Ich kaufte damals die ersten Nächtigungsjetons von der Notschlafstelle und gab Laura 20 Stück, damit sie nicht auch noch gegen die Kälte kämpfen muss. Laura war sowas von dankbar, nicht wegen der 20 Jetons, sondern dass sie jemand ernst nahm und ihr jemand zuhörte, sie hatte Bedürfnisse und sie hatte Wünsche, die sie mir damals erzählte.
Ihr größter Wunsch war es, schnellst möglichst wieder zurück ins Leben zu finden und ihre Obdachlosigkeit zu beenden. Ich ging damals mit Laura auf Ämter und Behörden, begleitete sie viele Tage durch ihr Leben in der Hoffnung wir können diese Situation umdrehen und Laura wieder in die Gesellschaft bringen. Damals schon bekam ich als Begleitperson von Laura die Willkür vieler Bediensteter im Magistrat, im Landesdienstleistungszentrum, bei Einrichtungen und bei Menschen, die Laura vom hohen Ross herunter maßregelten: „Geh arbeiten dann brauchst du keine Hilfe“. Damals schon konnte ich nur noch den Kopf schütteln ob der vielen Unmenschlichkeiten, die uns an den Kopf geworfen wurden.
Um die Geschichte ein wenig abzukürzen, wir bekamen nirgendwo Hilfe und Laura bekam keine Sozialhilfe und keine Mindestsicherung und war nach wie vor nicht krankenversichert. Damals, 2018 haben gerade unseren Verteil-Donnerstag erprobt und eingeführt und Laura kam, jeden Donnerstag zu uns um sich Lebensmittel und Hygieneartikel sowie warme Kleidung zu holen. Ihr Gesundheitszustand wurde dramatisch schlechter.
Laura lernte einen älteren Herrn kennen, der verheiratet war und dessen Frau lange Zeit im Krankenhaus war, da auch sie schwer krank war. Dieser ältere Herr, wir nennen ihn Hubert (Name geändert), hatte keine Hintergedanken oder Absichten gegenüber Laura, er wollte ihr schlicht und einfach helfen. Sie durfte fortan bei diesem Herrn im Wohnzimmer auf der Couch schlafen, er machte vieles für Laura, er nahm Laura mit zum Wahlarzt und besorgte auf diese Weise die dringend notwendigen Medikamente. Wir als Verein, das sei hier nur angemerkt, hätten mit Laura zu keinem Wahlarzt gehen dürfen, weil wir dafür keine Spendengelder verwenden hätten dürfen. Und ich als Privatperson hätte die finanziellen Mittel nicht gehabt, um mit Laura zu einem Wahlarzt zu gehen. Zwischendurch musste Laura immer wieder zurück in die Obdachlosigkeit, zurück auf die eiskalte Straße. Wenn die Gattin von Hubert* wieder ins Krankenhaus musste, konnte Laura wieder in die warme Wohnung und auf die Couch im Wohnzimmer.
Das Szenario wechselte so gut alle 1-2 Monate, wo Laura zurück auf die Straße musste. Irgendwann musste Laura ganz zurück auf die Straße. Hubert* besuchte sie oft im Terminal, im Park und brachte immer etwas mit, nur keine Hoffnung und keine Lösung für Laura. Huberts Frau war ein Pflegefall und nun dauerhaft daheim, deshalb konnte Laura die warme Couch in Huberts Wohnzimmer nicht mehr nutzen. Über all die Jahre hatten wir immer guten und intensiven Kontakt. Bei einem der letzten Verteil-Donnerstage, so erinnere ich mich brachte mir Laura ein ausgetrocknetes Gänseblümchen mit: „Für dich, Herr Walter“ höre ich noch heute ihre Stimme in meinen Ohren. Laura war immer bescheiden und ließ in der Warteschlange immer alle vor, denn in ihren Augen brauchten alle anderen die Lebensmittel und Hygieneartikel dringender als sie selbst.
Die letzten 1 ½ Jahre lebte Laura in einem Kanal weit unten in Linz, den sie zufällig entdeckte, dort war es warm, doch es stank ungemein und es waren dort Heerscharen von Ratten und Ungeziefer. Sie hatte keine Angst vor diesen Tieren, sie hatte viel größere Angst vor der Kälte und den boshaften Menschen oben, die ihr alles Mögliche angetan haben. In Details möchte ich hier nicht gehen, ich bitte um Verständnis. Laura nahm mich 2-Mal mit in den Kanal, wo ich mich beide mal übergeben musste, ich schaute ab sofort noch intensiver nach Möglichkeiten, wo ich Laura unterbringen könnte. Vergebens!
Laura kam an jedem Verteil-Donnerstag zu uns, so auch am 31.3.2022, es sollte unser letztes Treffen sein, denn am 4. April 2022 ging Laura leider viel zu früh, mit 54 Jahren, von uns. Laura hat mir in all den Jahren, in denen wir uns jede Woche sahen und in denen ich sie immer wieder begleitete, vieles beigebracht, Geduld, Verständnis für andere Menschen, eine enorme Leidenskraft und die tägliche Suche nach jener Hoffnung, die sie eventuell aus dieser Lage führt. Laura gab jedem Tag einen Namen, da kamen so Tage wie z.B. der „Lauralachtag“ oder der „LaurakenntdenTag“ heraus. Sie hatte so ein herzhaftes Lachen trotz der ganzen bescheidenen Situation, ich konnte vieles für mich mitnehmen.
Heute ist Allerheiligen und ich denke heute nicht nur an Laura, auch an Meikel, an Mario, an Karl, an Franz, Ernst, Renate, Roland, Matthias, Monika, Günther, Mirzet, Peter, Günther und alle anderen, die ich nicht vergessen habe, aber hier nicht nennen kann, weil es schlicht zu viele wären.
Von allen, die uns schon vorausgegangen sind, habe ich vieles gelernt, aber Laura hatte halt auch ihren fixen Platz in meinem Herzen, sie hat um jede Nuance im Leben kämpfen müssen, bekam nichts geschenkt im Leben und war trotzdem nicht verdrossen, stand jedem neuen Tag hoffnungsvoll gegenüber und jeder Tag hatte bei Laura die Chance, gutes zu tun. Doch es blieb leider nur bei Kleinigkeiten, die das Schicksal für Laura übrighatte.
Laura war eine obdachlose Frau, die heute noch lebt in mir, an ihre leise Stimme erinnere ich mich noch sehr gut und an ihr Lächeln ebenfalls, man konnte Laura mit Kleinigkeiten eine große Freude machen, das haben die Meisten, denen es um einiges besser geht als Laura, schon verlernt. Hubert* und seine Gattin gingen leider kurz nach Laura ebenfalls voraus und ich gedenke auch ihnen heute, weil Hubert* ein gütiger Mensch ohne Hintergedanken war, so behalte ich ihn in Erinnerung.
Unser Verteil-Donnerstag diese Woche war vormittags verplant mit den üblichen Arbeiten wie Lebensmittel portionieren und neu zu verpacken oder einige andere Lebensmittel umzupacken in unsere Boxen. Diesmal kamen einige Spenden die uns via Amazon erreichten, wieder dazu, wir mussten auspacken und fotografieren und dann einlagern, es war einer der arbeitsreichsten Donnerstage die wir je hatten, und das sage nicht ich, sondern unsere überaus robuste Hilde.
Zum Mittagstisch nahm uns Anni wieder einen köstlichen Wurstsalat mit, der allen schmeckte. Danach ging es ans einladen der Boxen in den Transporter. Heute haben wir 79 Boxen an Lebensmitteln, Hygieneartikeln und warmer Kleidung mit. 79 Boxen die wir jede Woche neu befüllen müssen, um einen Verteil-Donnerstag abhalten zu können. Heute Vormittag sind wir zu viert. Bei den Vorbereitungen und am Nachmittag haben sich fünf Helferleins eingetragen, die kommen wollen. Eigentlich brauchen wir jede Woche für den Verteil-Donnerstag 6-7 Helferleins, heute muss es mit weniger Helferleins gehen.
Um 15 Uhr brechen Ingrid und ich auf Richtung Linz, Erika und Anni fahren separat mit dem Privat-PKW. Bei Ankunft in Linz warten schon etwa 10 Personen. Wir laden langsam aus und stellen alle Tische auf. Heute haben wir auch wieder die ganze Beleuchtung mit, da es ab 17 Uhr vermutlich dunkel sein wird. Eine krasse Umstellung wieder für uns. Max besetzt heute den Libero Posten, er hilft dort wo Not am Mann ist. Max ist einfach ein wichtiger Mensch, er kann jede Position besetzen und er kann einfach super mit Menschen umgehen.
16 Uhr, Kaja fragt ob sie beginnen darf, ja klar! Also, auf los geht’s los.
Gleich zu Beginn kommt auch heute wieder jene Frau, deren Sohn ich vor ein paar Wochen wegschickte, weil er zu viel Einkommen hat. Diesmal möchte sie neue Schuhe, eine neue Hose und eine neue Jacke, was ich alles verneinen muss, weil sie ordentliche Schuhe, eine tolle Jacke und eine schöne Hose trägt, und wir sind halt keine zweit oder dritt Ausrüster. Wenn jemand kaputte Schuhe oder nur eine leichte Sommerjacke hat, gut, dann händigen wir zum Teil gute gebrauchte Schuhe oder eine warme Winterjacke aus, aber nicht als Draufgabe, wenn jemand ordentliche Kleidung trägt. Das verstand heute diese Frau überhaupt nicht, aber wir haben Regeln, die gelten für alle, niemand wird bei uns bevorteilt oder benachteiligt. So ging sie wutentbrannt weg von uns. Tja.
Die anderen Schützlinge in der Warteschlange sind heute mehr als diszipliniert und warten, bis sie an der Reihe sind. Da kommt eine junge Frau auf uns zu, etwa 23 Jahre, Österreicherin, sie müsse einen Antrag mit ihren Daten ausfüllen sagt Max zu ihr. Sie bitte Max den Antrag auszufüllen, und sie sagt an, in kürzester Zeit stellt sich heraus, dass diese hübsche junge Frau eine völlige Analphabetin ist, weder schreiben noch lesen kann. Max erledigt alles und fragt mich, ob wir für die junge Frau, die besachwaltet ist, warme Schuhe und eine warme Jacke haben, denn sie zittert und friert und hat nichts Warmes anzuziehen. Sie erzählt uns, dass sie pro Woche lediglich „ein bisserl was“ vom Sachwalter ausbezahlt bekommt, wovon sie leben muss. Dieses „bisserl“ wissen wir von anderen besachwalteten Menschen, sind meist nicht mehr als €40…€50,-. Sie freut sich sehr über Winterschuhe, eine Winterjacke und einen Hoodie, den ich ihr in den Bahnhofspark nachtrage, weil sie ihn beim Bus vergessen hat.
Der heutige Verteil-Donnerstag ist geprägt von ganz viel Danksagungen und dankbaren Äußerungen. Manche Menschen kommen wie schon beschrieben, seit 2018 zu uns, weil sie selbst zu wenig zum leben und zu viel zum sterben haben. Und heute ist wieder ein Tag, der uns als Team erdet, der uns wieder auf den Boden der Realitäten holt, was vielen in der Gesellschaft auch guttun würde. Am Ende des Tages wissen wir zu gut, was wir Woche für Woche und Tag für Tag ehrenamtlich leisten. Oft ist es ein Kraftakt, alle Anfragen abzuarbeiten und in etwaige weiterführende Kanäle zu leiten, wo unsere Schützlinge davon profitieren können, aber wie gesagt es wird zunehmend schwerer.
Mittlerweile ist es finster geworden und unser Platz am ehemaligen ABC-Buffet ist hell erleuchtet, ab und zu sieht man eine Halloween-Maske vorbeihuschen, aber dabei bleibt es dann auch. Langsam ist die Warteschlange abgearbeitet und langsam gehen wir dem heutigen Finale entgegen, was so viel heißt, dass wir langsam beginnen, alles zusammenzuräumen und wieder in den Bus zu laden. Wir sind ein eingespieltes Team und haben das im Nu erledigt.
Eigentlich rechnen wir heute mit einem enormen Stau Richtung Ansfelden, was aber nicht der Fall ist, es geht geordnet und flüssig Richtung A1.
Im Lager beginnen Ingrid und ich schon auszuladen und in unsere Trolleys zu lagern, jene verblichen Lebensmittel wie Brot und Gebäck, Süßspeisen und Kuchen, die wir noch weitergeben können, werden separiert und an einen sozialen Verein gespendet, wo ebenfalls sozial schwache Menschen sich noch bedienen können.
Im Anschluss an den erledigten Verteil-Donnerstag sitzen wir noch bei Tisch und essen den Rest des Wurstsalats auf und lassen dabei den heutigen Tag reüssieren. Wie schon angemerkt, es ist ein gutes Gefühl mit einem tollen, ehrenamtlichen Team etwas zu bewegen und Gutes zu tun.
Dieses Posting heute habe ich deshalb schon heute geschrieben und formuliert, weil ich morgen Samstag und übermorgen Sonntag in Wien zu TV-Aufnahmen bin. Ich saß nun seit 7.30 Uhr bei diesem Posting, was so viel heißt wie, ich habe dafür 5 ½ Stunden und 10 A4 Seiten gebraucht. Tja, aber nun ist Wochenende.
In meinem Kopfhörer klingt gerade „Eleni“ von Tol & Tol, ein wunderschönes Lied das ich sehr liebe. In meinen Allerheiligen-Gedanken heute sind alle unsere Schützlinge, die schon gestorben sind, geborgen und allgegenwärtig. Ich denke oft an sie, nicht nur heute, aber heute mit einem besonderen Gefühl.
Euch einen großen Dank für Eure Loyalität und Aufmerksamkeit und vielen, lieben Dank an all unsere Gönner:innen für die großartige Unterstützung und wunderbare Geste, dass wir unseren Verteil-Donnerstag jede Woche abhalten dürfen, Vergelt’s Gott und Gottes Segen euch allen.